Angelika Felenda - Der eiserne Sommer

  • Vor genau 100 Jahren spielt dieser Kriminalroman, der das damalige Zeitgeschehen nicht nur als wirkungsvollen Hintergrund nutzt, sondern aktiv in die Handlung miteinbindet. Ein junger Mann wird tot an der Isar gefunden und schon bald finden sich Beweise, dass er Kontakte zu den höchsten Kreisen der Gesellschaft wie auch dem Militär hatte, wenn auch nicht unbedingt erfreulicher Natur nach Meinung diverser oberer moralischer Instanzen (bzw. die sich dafür halten). Weitere Morde geschehen und Kommissär Reitmeyer, der mit diesem Fall betraut wird, findet sich schon bald in der heiklen Situation, dass er erfolgreich ermitteln soll, aber nur so weit, wie es seinem Polizeipräsidenten und anderen Autoritäten gefällt. Doch er recherchiert weiter und gründlicher als Vielen lieb ist und muss feststellen, dass es sich um ein Komplott ungeahnten Ausmaßes handelt...
    Historische Kriminalromane sind ja nicht gerade sooo häufig und meist dient die Vergangenheit nur als Kulisse für die eigentliche Handlung. Doch hier ist der Krimi ohne diesen geschichtlichen Hintergrund nicht denkbar. Sehr überzeugend stellt die Autorin die damaligen autoritären Verhältnisse dar, in denen das Militär ein Staat im Staate war und die hohen Herren (und auch Damen) aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung praktisch über dem Gesetz standen (neinnein, das ist nicht so wie heute. Ecclestone musste immerhin 100 Mio. € bezahlen ;-)). Man gehorcht blindlings den Vorgesetzten und wer es wagt, sich eigene Gedanken zu machen, wird schnell als renitent und Querkopf bezeichnet (schön beschrieben der junge Rattler als Polizeilehrling). Doch es gibt eine Gegenbewegung, die die schönen Künste und gerade das Nichtmilitärische feiert, zum Entsetzen all der konservativen Kreise, die noch immer die Macht besitzen. Diese dürsten nach einem Krieg, um all dies Weibische und Schwächliche endgültig auszumerzen und Deutschland in seiner ganzen Pracht und Stärke wiederauferstehen zu lassen. Ebenso überzeugend und anschaulich beschreibt die Autorin, wie nach dem Attentat in Sarajevo die Stimmung in der damaligen Bevölkerung angeheizt wurde, wie Wut und Zorn von Kriegstreibern geschürt wurden und sich dies in Attentaten gegenüber scheinbar Verdächtigen entlud, die gerade des Wegs daherkamen. Dazu ein spannender, immer wieder überraschender Krimi - was will man mehr?

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Es ist Angelika Felendas erster Roman und der Auftakt zu einer ganzen Serie von historischen Kriminalromanen, die alle um den Kommissar Reitmeyer in München spielen sollen und mit dem Ausbruch des ersten Weltkriegs beginnen

    Neben jeweils spannenden Fällen will sie in ihren Büchern den heutigen Lesern einen Einblick geben und eine Vorstellung davon, in welchen gesellschaftlichen Strukturen die Menschen damals lebten und nach welchen moralischen Prinzipien sie handelten, auch die Polizei und die Justiz.

    Wer historische Kriminalromane liebt, wird von diesem spannenden Buch nicht enttäuscht sein. Ein unterhaltsamer Zugang zum Thema Erster Weltkrieg und seinen Ursachen einhundert Jahre nach seinem Ausbruch.

  • Kommissär Reitmeyer und sein Team ermitteln in verschiedenen Mordfällen: Zuerst wird ein Toter auf der Ludwigsbrücke gefunden, bei dem die Todesursache nicht eindeutig festzustellen ist, dann ein weiterer in einem vornehmen Badehotel, zwischendurch wird der Polizeischüler Rattler niedergeschlagen, es kommt zu mehreren Selbstmorden … Die Polizei stellt schließlich fest, dass sie es mit einem Schwulen-Skandal zu tun hat, nachdem äußerst kompromittierende Fotografien auftauchen. Es handelt sich außerdem um einen sehr verstrickten Fall, da Militärs involviert zu sein scheinen – und die Polizei hat kein Recht dazu, sich in die Belange von Soldaten einzumischen. Dennoch ermittelt Reitmeyer weiter und stellt schließlich fest, dass seine alte Jugendliebe Caroline von Dohmberg, mittlerweile Ärztin und nebenbei Gerichtsmedizinerin, irgendwie in die Vorfälle verstrickt zu sein scheint. Ihr Bruder Franz, selbst homosexuell, hat etwas mit der Sache zu tun und wird erpresst, was sie in die Hand zu nehmen versucht. Nebenbei wird nach dem Mord an Kaiser Franz Ferdinand in Sarajevo zudem deutlicher, dass es zu einem erneuten Krieg kommen wird – und die Ausschreitungen gegenüber fremdländischen Mitbürgern werden immer heftiger.


    Der Roman bedient sich grundsätzlich einer recht einfachen und gewöhnlichen Sprache. Es fällt auf, dass im Dialog verschiedener Personen zwar dialektale Elemente gebracht werden, eine wirklich deutliche Färbung in Hinblick auf einen speziellen Dialekt ist aber nicht darzustellen. So handelt es sich wohl nur um einen Versuch, die Alltagssprache von der restlichen „Buchsprache“ abzugrenzen. Auch geht sprachlich nicht hervor, dass der Roman in der Vergangenheit (1914) spielt – zwar werden einzelne Fachbegriffe wie Majordomus oder Schwere-Reiter-Leibregiment verwendet, das ist aber auch schon alles. Dadurch entsteht der Eindruck eines leicht verständlichen, nicht besonders anspruchsvollen Kriminalromans.


    Besonders das Titelbild besticht mehr als der Inhalt mit historischer Qualität. Es zeigt eine frühe Gastgarten-Ansicht, auf der eine Person im Hintergrund farblich hervorgehoben ist. In Bezug auf die Lektüre könnte es sich dabei entweder um die Hauptperson, den Ermittler Reitmeyer, oder um den Täter und Mörder handeln. Die eindrucksvollsten Szenen des vorliegenden Romans sind noch jene, in denen die Ermittlungsarbeit der Polizei in ihrer historischen Qualität dargestellt wird. Beispielsweise ist die Vorgangsweise einer Obduktion zu damaliger Zeit eine völlig andere als heute, beziehungsweise werden ermittlungstechnische Überlegungen in anderem Licht dargestellt, als wir es von heutiger Polizeiarbeit gewöhnt sind. So macht schon der Geruch ein Stockwerk oberhalb der Pathologie auf die Vorgänge im Keller des Präsidiums aufmerksam, oder der junge Polizeischüler Rattler wird immer wieder gerügt, weil er sich mit Artikeln in Fachzeitschriften beschäftigt, die „moderne“ Ermittlungsverfahren darstellen. Besonders sympathisch ist aus diesem Grund hauptsächlich Polizeischüler Korbinian Rattler. Durch seine jugendliche Neugier, die wissbegierige Motivation und die unschuldige Menschlichkeit, die er an den Tag legt, wird er zu einem natürlichen und überzeugend realistischem Protagonisten. In diesem Sinne ist eigentlich er der geheime Held des Romans – er ermittelt auf eigene Faust und bringt so manche Ergebnisse, auf die der klassische, alt eingesessene Polizeiapparat nicht gekommen wäre. Dass er aus demselben Grund immer wieder „eine auf den Deckel“ bekommt, macht ihn nur umso sympathischer.


    Wer einen historischen Kriminalroman erwartet, wird hier leider enttäuscht. Bis auf das Titelblatt und die Tatsache, dass durch Jahreszahlen immer wieder auf das Jahr 1914 hingewiesen wird, lässt sich wenig Historisches entdecken. Es treten zwar typische Figuren wie Soldaten oder Hausangestellte auf, durch das Vorhandensein solcher Protagonisten wird allerdings noch kein historischer Eindruck vermittelt. Der Roman verzichtet auch in der Schilderung der Umgebung oder des Alltags darauf, eine solche Atmosphäre zu erzeugen. Eher wirkt die Handlung wie eine gegenwärtige, die mit Hilfe zu weniger Details versuchsweise in der Vergangenheit angesiedelt wurde. Vielmehr handelt es sich aufgrund des Homosexualitätsthemas um einen Roman, der zwangsweise in der Vergangenheit angesiedelt sein muss, da das Thema heutzutage natürlich keinen Skandal mehr hergibt. Es wäre jedoch vielleicht sinnvoller gewesen, die Handlung nicht gerade in die politisch hochbrisante Zeit des Mordes an Kaiser Franz Ferdinand anzusiedeln, wenn auf diese historischen und politischen Umschwünge nicht konkreter eingegangen wird. Auch die Auflösung, wer der Mörder ist, bietet kein „Aha-Erlebnis“, im dritten Drittel des Romans mehr und mehr deutlich wird, um wen es sich handelt. Eher scheint hier unverständlich, aus welchem Grund der Abschluss der Ermittlungsarbeit nun literarisch um weitere 100 Seiten verzögert wird.


    Der Roman ist sicherlich geeignet für jeden interessierten Krimileser. Allerdings darf man keine besonders originelle oder außergewöhnliche Handlung erwarten.

  • Gerade habe ich dieses Buch beendet und kann mich im Wesentlichen @Xirxe anschliessen.
    Das Buch ist interessant, flott geschrieben und spannend. Es spielt auf zwei Ebenen, einmal geht es um die Ermittlungen und andererseits um ein Tagebuch eines Offiziers bzw. Nachrichten von Offizier zu Offizier. Diese Texte waren oft etwas mysteriös und nicht immer leicht verständlich.
    Der Protagonist war mir sehr sympathisch, genau wie der bayrische Dialekt. Sein Team macht, unter schwierigen Umständen und Bedingungen gute Arbeit, die aber sabotiert wird. Der Polizeischüler hat mich mit seinen genialen Einfällen des öfteren zum schmunzeln gebracht.
    Das Buch hat mich gut unterhalten und leider auch über den Krieg und dessen Folgen nachdenken lassen. Es bekommt :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    Ich werde jetzt gleich im Anschluss Band 2 dieser Serie "Wintergewitter" lesen.

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Bei dem vorliegenden Buch. handelt es sich um eine Neuauflage, bei der offensichtlich der Klappentext geändert wurde, nachdem doch einige Leser genau diesen kritisiert hatten.

    Nichtsdestotrotz möchte ich hierzu meine Rezension posten, die, wie bereits erwähnt, sich auf die vorangegangene Ausgabe bezieht.

    Durch viele Buchpräsentationen und Rezensionen bin ich auf dieses Buch aufmerksam geworden. Und da ich ein großer Krimi und Historienfan bin, dachte ich, dass ich hiermit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnte. Krimi und Historie. Aber weit gefehlt - Leider.

    Doch ich beginne mal ganz kurz die Story zu beschreiben. Eine richtige Inhaltsangabe möchte ich unterlassen, da in den vorher gegangenen Rezensionen eigentlich schon alles und mehrfach geschrieben und erörtert wurde.

    Die Handlung spielt 1914 in München. Kommissar (im Buch immer Kommissär) Sebastian Reitmeyer soll mehrere Morden aufklären. Darunter muss er auch in Militärkreisen ermittelt, was dort aber gar nicht gerne gesehen ist. Man gibt ihm deutlich zu verstehen, dass er diese Ermittlungen nicht führen soll. Ein weiterer Fall lässt ihn nun im Homosexuellenkreis ermitteln. Man beachte, wir schreiben das Jahr 1914! Für die Bevölkerung war Homosexualität ein absolutes Tabuthema. Hiermit möchte ich es auch schon belassen. Wie man vielleicht feststellen kann, ist in meiner Zusammenfassung keine Rede vom Attentat auf Franz Ferdinand und Sophie Chotek. Damit hat man die Leser des Klappentextes einfach mal an der Nase rumgeführt. Diese Angabe sollte wohl lediglich als Zeitmesser dienen. Schade, denn genau das war der Grund, weshalb ich das Buch lesen wollte. Da hab ich wohl den Klappentext falsch interpretiert. (Dieses bezieht sich auf die vorangegangene Ausgabe)

    Erwähnen möchte ich auch, dass mich der Prolog etwas stutzig gemacht hat, da ich ihn als schwer lesbar bzw. schwer verständlich empfunden habe. Das mag wohl an der Sprache, den Ausdrücken und Formulierungen gelten haben. Jedoch im Laufe des Plots wurden die Tagebucheinträge des Offiziers immer klarer und eindeutiger.

    Zu dem/den Protagonisten möchte ich auch noch kurz meine Meinung schildern. Ich finde den Kommissar etwas schmucklos, farblos oder anders gesagt uninteressant dargestellt. Hier konnte man die Frage stellen: was macht ihn eindeutig? Nichts! Man weiß es nicht. Dafür finde ich Rattler sehr gut und deutlich dargestellt. Um im Vergleich zu bleiben: Reitmeyer ist farblos, dann ist Rattler bunt und glänzend. Hier hat die Autorin viel mehr Wert auf die Beschreibung gelegt.

    Das es sich bei dem vorliegenden Buch um einen Mehrteiler handeln soll, wollte die Autorin sich die Charakterisierung des Kommissars vielleicht für Band 2 aufspüren.

    Ein Spannungsbogen war für mich leider auch nicht erkennbar, so dass ich dieses Buch nicht als Kriminalroman, sondern eher als Roman mit kleinen Ermittlungen beschreiben würde.

    Schade, ich hatte mir wirklich mehr davon versprochen.