Alessandro Baricco - Seide / Seta

  • Aus der Amazon.de-Redaktion
    Hervé Joncour arbeitet nur für wenige Wochen im Jahr. In diesen Wochen kauft er die Larven von Seidenraupen ein -- den Rest des Jahres verbringt er genügsam mit seiner Frau zu Hause. Doch seit einiger Zeit ist eine Epidemie unter den Seidenraupen aufgetaucht, die auch durch den Nachkauf von Larven aus Afrika nicht mehr einzudämmen ist. Nur in Japan sind die Raupen noch völlig gesund; niemand konnte sie hier eingeschleppt haben, denn Japan ist für Ausländer nicht geöffnet. Doch Hervé wagt es, reist um die halbe Welt, um die Larven zu kaufen. Am Hofe Hara Keis trifft er eine Frau mit dem Gesicht eines sehr jungen Mädchens, deren Augen nicht orientalisch geschnitten sind. Er wechselt kein Wort mit ihr, blickt sie kaum an.


    Im nächsten Jahr bricht er wieder auf nach Japan, um Larven von Seidenraupen zu kaufen. Wieder trifft er die geheimnisvolle Fremde am Hof Hara Keis -- und diesmal gibt sie ihm einen Brief mit. Lange Zeit unternimmt Hervé nichts, doch dann lässt er den Brief übersetzen. Vor seiner nächsten Reise nach Japan bricht dort Krieg aus. Ein gefährliches Unterfangen, jetzt nochmals hinzufahren, zumal man glaubt, die Ursache der Epidemie entdeckt zu haben, und aus Italien Nachschub verfügbar ist. Doch Hervé wagt es trotzdem. In Japan trifft er nicht mehr auf den Hof Hara Keis; dort ist nur noch Schutt und Asche vorzufinden. Und ein kleiner Junge, der ihn ins Lager führt -- ein letzter Blick auf jene geheimnisvolle Frau, und die Gewissheit, nie wiederkommen zu dürfen. Die Larven, die er kauft, bringt er nicht bis nach Hause. Zu lange dauert die Reise diesmal, zu warm ist es, und schon viel zu früh brechen die Larven auf. Hervé hat sich verändert seit dieser Rückkehr; er ist noch viel ruhiger und melancholischer geworden. Auch seine Frau bemerkt es, wenn er ihr auch die Ursache verschweigt. Eines Tages erreicht ihn wieder ein Brief mit diesen vogelfußähnlichen Schriftzeichen.



    Ein schönes Buch in wirklich schöner Sprache, mit überraschendem Ende. Seide kann man in zwei Stunden durchlesen und danach noch ein bißchen davon träumen.

  • ich bin zwar nocht nicht am höhepunkt der parabel angekommen, aber sie ist so schön geschrieben, dass das lesen von anfang an eine freude ist :cheers: !
    der seidenhändler Hervé Joncour bricht nach frankreich auf um seidenraupen zu kaufen und trifft dort auf eine "rätselhafte schönheit", die seine leidenschaft entfacht...


    da das buch recht wenig seiten hat, ist es in einem rutsch gut zu lesen!

    "Gern lesen heisst, die einem im Leben zugeteilten Stunden der Langeweile gegen solche des Entzückens eintauschen."

  • So, nachdem das mit dem Elbeteam gut geklappt hat :thumright: ,
    habe ich das Buch nun letzte Woche gelesen. Es hat irgendwie eine unbestimmbare Faszination auf mich ausgeübt. Einerseits ist es in einem sehr nüchternen und lakonischen Stil geschrieben und an anderen Stellen spürt man die Leidenschaft dieses Mannes für diese Frau. Ich hätte es wahrscheinlich nicht auf Grund des Klappentextes gelesen, aber so waren es zwei oder drei kurzweilige Stunden die mir viel Spass gemacht haben. :D

  • ich persönlich habe auch eine lehre aus der lektüre gezogen: baricco hält einem vor augen, dass man das was man hat zu schätzen wissen sollte, anstatt nach unerreichbarem zu greifen und ewig einem traum hinterher zu rennen und so sein eigentliches leben zu verpassen...


    ich habe mich nach der lektüre noch lange damit beschäftigt und bin immernoch begeistert von diesem "roman" :cheers:

    "Gern lesen heisst, die einem im Leben zugeteilten Stunden der Langeweile gegen solche des Entzückens eintauschen."

  • Ich kann mich meinen Vorrezensenten nur anschließen. Dieses kleine Buch ist sehr kurzweilig und regt zum Nachdenken an.
    Die Geschichte eines Mannes, der etwas sucht, was er schon längst gefunden hat.
    Lesenswert!

    Liebe Grüße,
    Rita


    ~Ich wäre lieber ein armer Mann in einer Dachkammer voller Bücher als ein König, der nicht lesen mag.~
    Thomas Babington

  • ICh habe das Buch auch gerade "gefressen" und bin dabei, es zu verdauen. :mrgreen:
    Es hat mir wirklich sehr gut gefallen - noch besser als Novecento. Der Sprachstil gefiel mir sehr gut wegen der kurzen, emotionsgeladenen Sätze. Das Buch macht wirklich sehr nachdenklich! Das Buch ist ein kleines Kunstwerk, obwohl Baricco in einem Interview betont hat, dass seine Werke Konsumprodukte wären und keine Kunstwerke (für die, die es interessiert die Quelle dazu: D. Audiono/G. Avellino, "L'opera? È un 'prodotto' moltiplicato per sei. Intervista a Alessandro Baricco", in: Script 7/8 (1995) ).


    Mir gefällt jedenfalls die gelungene Mischung aus Spannung, Handlung, Poesie und sogar Erotik - und das ganze dann noch kompakt quasi für zwischendurch.

  • Mir gefällt "Seide" bisher ausgesprochen gut. Weil es so kurz ist, lasse ich mir Zeit beim Lesen. Ein paar von den sehr kurzen Kapiteln, dann erstmal wieder weglegen, etwas nachdenken ... denn dazu regt es an ... und dann weiterlesen. Wundervoll die Geschichte, die in einer Zeit spielt, wo solche Reisen ja nicht mal eben so gemacht werden konnten, sondern man drei Monate von Frankreich bis Japan brauchte.


    Bin gespannt, wie die Geschichte ausgeht, da ja weiter oben steht, dass es überraschend sein soll. Werde meine abschließende Meinung dann wieder hier posten.


    Wir hatten das Buch zuerst auf italienisch, doch das war mir zu schwer, so dass ich es dann noch auf deutsch gekauft habe :wink:

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

  • ja, das Ende war dann wirklich überraschend und ich musste die Erzählung erstmal sacken lassen ... dabei blieben ein paar Fragen offen:


    - warum hat das Mädchen in Japan "keine asiatischen Gesichtszüge" und spricht doch nur japanisch ... ist das wirklich wichtig für die Geschichte?
    - ist das Mädchen eine Metapher für seine Frau in Frankreich, die er sehr vermisst?
    - warum schreibt seine Frau ihm am Ende diesen Brief und lässt ihn ins japanische übersetzen? Hätte sie nicht einfach mit ihm reden können?


    Ich grüble tatsächlich immer noch ... aber eins kann ich sagen, eine wunderschöne Erzählung in brillianter Sprache :thumleft:

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

  • ein Buch in " Spielfilmlänge " Nach eineinhalb Stunden ist schon alles vorbei.


    Eine angenehme ruhige Geschichte.
    Eigenartig, die ständigen Wiederholungen zu seiner Reise bzw. der Rückreise. :roll:
    Das Ende, etwas rührend nach dem Motto: "Besser den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach."
    Ein paar Zeilen zum Nachdenken.


    Ich mochte diese Geschichte :wink: und die Art zu schreiben(sehr, sehr flüssig geschrieben, daher die hohe Lesegeschwindigkeit).
    Werde auf der Suche nach weiteren "Baricco`s" sein und wenn ihr mir einen empfehlen könnt, dann danke dafür.

    Seien Sie vorsichtig mit Gesundheitsbüchern - Sie könnten an einem Druckfehler sterben. #-o


    Mark Twain

  • Mir hat die Geschichte gut gefallen. Wobei nicht unbedingt der Handlung oder der Charakteren wegen, sonder wegen der Sprache.
    Die Erzählung ist so ruhig, fließend, unaufdringlich schön. Ich fand das Buch poetisch und nachdenklich
    stimmend. Sprachlich gesehen, ein kleines Wunderwerk. Wie gesagt, ich habe es genossen, die "Seide" zu lesen. :)

    2024: Bücher: 99/Seiten: 43 438

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Macdonald, Helen/Blaché, Sin - Prophet

  • Gut, dass die Vorstellung dieses schönen kleinen Buches nochmal aus der Versenkung geholt wurde. Ich habe es auch mit Freude gelesen; dass man auf 125 Seiten keine großen Charakterstudien betreiben kann, ist klar, doch Stimmungen und Atmosphäre fängt es wunderbar ein. Und ein paar Kenntnisse über Seidenraupenzucht bekommt man auch noch dazu.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Es war immer davon die Rede, dass Hervé nur wenige Wochen im Jahr arbeitet, aber wenn man mal genau nachrechnet, dann ist er von Oktober bis April unterwegs, also 7 Monate. Und der Weg, den er zurücklegt, war ja zu dieser Zeit nicht gerade ein Pappenstiel, dass macht wohl auch die immer wiederkehrende Reisebeschreibung von Baricco deutlich. Dass er mit dem Transport der Seidenraupen eine große Verantwortung für seinen Seiden-Produktions-Standort trägt, wird bei seiner letzten Reise klar, bei der er noch alles versucht, nicht mit leeren Händen zurückzukommen.


    Eine interessante, exotische Geschichte, ich werde wohl noch ein bisschen mehr Baricco probieren.

    "Was immer geschieht: Nie dürft Ihr so tief sinken,
    von dem Kakao, durch den man Euch zieht, auch noch zu trinken!"
    (Erich Kästner)

  • Ich habe das Büchlein gerade ausgelesen. Leider habe ich keinen wirklichen Zugang zur Geschichte gefunden. Dauernd hatte ich das Gefühl, meilenweit vom Geschehen entfernt zu sein und das Wichtige nicht greifen zu können.
    Die z.T. sehr rasch aufeinanderfolgenden Zeilenumbrüche, das Wiederholen ganzer Sätze und die minimalistische Sprache sollen wahrscheinlich einen poetischen Eindruck vermitteln, bei mir kam das aber eher recht gekünstelt an.
    Nichtsdestotrotz schafft es der Autor, eine sehr sinnlich-melancholische Stimmung zu erzeugen, die nachdenklich macht und ein positives (nicht im Sinne von freudig) Gefühl hinterlässt.


    Inhaltlich würde man wahrscheinlich noch recht viel entdecken, wenn das Buch in einer Leserunde gelesen würde... :)


    ja, das Ende war dann wirklich überraschend und ich musste die Erzählung erstmal sacken lassen ... dabei blieben ein paar Fragen offen:


    - warum hat das Mädchen in Japan "keine asiatischen Gesichtszüge" und spricht doch nur japanisch ... ist das wirklich wichtig für die Geschichte?
    - ist das Mädchen eine Metapher für seine Frau in Frankreich, die er sehr vermisst?
    - warum schreibt seine Frau ihm am Ende diesen Brief und lässt ihn ins japanische übersetzen? Hätte sie nicht einfach mit ihm reden können?


    Ich grüble tatsächlich immer noch ... aber eins kann ich sagen, eine wunderschöne Erzählung in brillianter Sprache :thumleft:


    Die zweite Frage würde ich mit nein beantworten. Die beiden anderen Fragen sind mir ebenso ein Rätsel.


    Ich glaube allerdings schon, dass sich bei genauerem Hinsehen viele Metaphern finden würden.

  • Ich war schon in der Schule schlecht die symbolische Bedeutung aus Texten heraus zu erkennen. Deshalb versuche ich mich bei dieser schönen Parabel auch gar nicht daran.


    Mir haben die kurzen, einfachen Sätze und Kapitel sehr gut gefallen. Sie waren voller Emotion, Sehnsucht und Liebe. Auch wenn die Figuren nicht genauer beschrieben wurden fand ich sie sehr plastisch. Der Autor hat einfach eine phantastische Erzählweise.


    Das Ende hat auch mich sehr überrascht und ist mir nahe gegangen. Ich bin davon überzeugt, dass ich dieses Buch nochmal lesen werde. Mit dem Wissen über das Ende wirkt es bestimmt ganz anders.


    Und stimme Athiloris zu, dass dies bestimmt ein gutes Buch für eine Leserunde ist :thumleft:

    Das Missliche an neuen Büchern ist, dass sie uns hindern, die alten zu lesen.
    J.Joubert

  • Ich hole gerne mal diesen Thread hoch und verweise erneut auf dieses wunderbare kleine Büchlein. Ich muss mich wohl bei Alessandro Baricco entschuldigen, dass ich jahrelang seinen Namen mit irgendwelchen nichtssagenden Geschichtchen verbunden habe. Durch "Ohne Blut" vor Kurzem, und gestern und heute dann eben "Seide" (Original "Seta", Italienisch 1996) wurde ich auf angenehmste Weise eines Besseren belehrt. Ich fand diese Parabel - wie es auf dem Klappentext heißt - sehr fein und wunderbar erzählt. Natürlich könnte man die "Moral von der Geschicht" in einem Schlüsselsatz zusammenfassen, wie es einige getan haben. Aber das Schöne liegt hier sicherlich in der Erzählweise. Nun, anstatt an Parabel, erinnerte mich manches auch an "Märchen": das Wiederkehrende z.B. der Reiseschilderung, des Kommens, Bleibens, Zurückkehrens etc. erinnert durchaus an einige Märchen mit ihren Grundmotiven. Die Sprache ist einfach, in kurzen Sätzen. Japan ist nicht nur verbunden mit den Seidenraupen, sondern auch quasi dem magisch Verborgenem, Geheimnisvollen. Dorthin zieht es einen, wie auch so manchem Auszügler: die fremde Frau ist Inbegriff der Schönheit, der Anziehung. Doch was vergessen wir darüber?


    Aber das wurde hier ja schon angesprochen... Eine schöne kleine Perle - prima!

  • In knapp 2 Stunden habe ich heute morgen das kleine Büchlein regelrecht verschlungen. Eine wunderbare, leicht erzählte, ganz feine Geschichte über die Sehnsucht und Faszination nach der Ferne und dem Exotischen, nach dem was man nicht haben darf und kann. Gerade das Ende hat mich ganz besonders berührt, weil es zeigt, dass man das was man hat, nicht immer zu schätzen weiß, bis man es unwiderbringlich verloren hat.
    Ein wunderbares Buch! :thumleft:

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • 1861, Hervé Joncour, verheiratet mit Helène, reist zum ersten Mal nach Japan um dort Seidenraupeneier zu kaufen. Dort verfällt er regelrecht der Gefährtin seines Geschäftspartners Hara Kei, einer jungen ätherischen Erscheinung, ohne jedoch ein Wort mit ihr zu wechseln. Bei seiner zweiten Reise wird er am letzten Abend von ihr gewaschen, doch ohne dass er sie zu Gesicht bekommt und ein Wort gewechselt wird. Auf einem Stück Papier das sie ihm zusteckt, steht: 'Kommen Sie zurück oder ich sterbe'. Als er ein drittes Mal nach Japan aufbricht, lässt sie ihm eine Geliebte zukommen als wäre diese eine Art Ersatz. Statt, wie man meinen könnte, dass all diese Erlebnisse ihn von seiner Frau entfernen, tritt das Gegenteil ein: Ihre Stimme macht ihn glücklich, er macht zum ersten Mal gemeinsam mit ihr eine Reise, gesteht ihr seine Liebe.
    Man könnte es nur als eine schlichte, jedoch wunderschöne und poetische Liebesgeschichte lesen. Doch zuviel im Text weist daraufhin, dass hier auch beschrieben wird, wie zum einen eines der größten Hindernisse in der buddhistischen Lehre überwunden wird: das Verlangen, Begehren. Und wie zum andern die fortgesetzte, vollständige und bewusste Wahrnehmung des gegenwärtigen Moments erreicht wird, eines der Ziele im Zen-Buddhismus.
    - Beispielsweise die immerwiederkehrenden fast wortwörtlichen Wiederholungen seiner An- und Abreise, das sich Anblicken der Beiden - Wiederholungen sind eine Übungsweise der Zen-Meditation um den Kopf freizubekommen. Den Kopf, der stets denkt und ein neues Ziel im Blick hat, dass es zu erlangen gilt und dabei das Wesentliche übersieht.
    - Auch der Kauf der 30 Morgen Land und die anschließende Umwandlung in einen Park ist ein Weg des Zen: Zengarten, die Kunst der Gartengestaltung.
    - Als Hervé seiner Frau Helène erklärt, was eine Volière ist - Vögel hineinzusetzen um sie anschließend fliegen zu lassen: das Aufgeben des Begehrens.
    - Die Langsamkeit, die Aufmerksamkeit, die Stille, von denen seine Aufenthalte in Japan stets geprägt sind. All dies sind Merkmale der Zen-Praxis.
    Ein kleines Buch, das neben einer wunderschönen Liebesgeschichte noch einiges mehr zu bieten hat.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling