Friederike Schmöe - Ein Toter, der nicht sterben darf

  • Kurzbeschreibung auf der Verlagsseite
    Was ist das Ich? Alexa bekommt ein Herz transplantiert. Nun geschehen seltsame Dinge – lebt der Mann, der sterben musste, um sie leben zu lassen, in ihr weiter? Alexa forscht mit Ghostwriterin Kea Laverde nach und findet heraus, wer der Spender ist. Doch der ist an einem zweifelhaften Unfall gestorben ... Ein nachdenklicher, psychologisch ausgeklügelter Krimi über die Suche nach dem Ich und die Frage, ob man ein anderer werden kann.


    Autorin (Information auf der Verlagsseite)
    Geboren und aufgewachsen in Coburg, wurde Friederike Schmöe früh zur Büchernärrin - eine Leidenschaft, der die Universitätsdozentin heute beruflich frönt. In ihrer Schreibwerkstatt in der Weltkulturerbestadt Bamberg verfasst sie seit 2000 Kriminalromane und Kurzgeschichten; sie gibt Kreativitätskurse für Kinder und Erwachsene und veranstaltet Literaturevents, auf denen sie in Begleitung von Musikern aus ihren Werken liest. Ihr literarisches Universum umfasst u.a. die Krimireihe um die Bamberger Privatdetektivin Katinka Palfy und eine Krimiserie mit der Münchner Ghostwriterin Kea Laverde als Hauptfigur. Der 2009 erschienene erste Band wurde von Brigitte unter den „besten Taschenbüchern für den Urlaub“ empfohlen. www.friederikeschmoee.de


    Allgemeines
    Siebter Band aus der Serie um Kea Laverde
    Erscheinungstermin: 2.Juli 2014 im Gmeiner Verlag, Taschenbuch, 248 Seiten
    Prolog, 37 Kapitel, Epilog, umfangreiche Bibliographie zum Thema Organspende
    Abwechselnd Ich-Erzählung aus der Sicht von Kea Laverde und Erzählung in der dritten Person aus unterschiedlichen Perspektiven
    Die Handlung spielt im Sommer 2013 in München und in Portugal.


    Zum Inhalt
    Die aus sechs vorherigen Kriminalromanen bekannte Ghostwriterin Kea Laverde erhält im Sommer 2013 einen ungewöhnlichen Auftrag von einer jungen Frau namens Alexa Senger. Die an schwerer Herzinsuffizienz leidende Alexa hat wenige Wochen zuvor das Herz eines bei einem Verkehrsunfalls ums Leben gekommenen Mannes transplantiert bekommen. Durch Zufall hat sie in Erfahrung gebracht, dass es sich bei dem Spender um einen etwa gleichaltrigen Portugiesen handelt, der als Programmierer bei der Münchner Software Firma XCom Munich gearbeitet hat. Sie fühlt sich dem Unbekannten, dessen Herz nun in ihr schlägt, auf seltsame Weise verbunden und möchte mehr über ihn erfahren, bzw. sich in ihn "hineinversetzen". Kea Laverde soll gemeinsam mit ihr recherchieren und ein Buch über das Leben des Spenders und über Alexas Leben schreiben.
    Die Nachforschungen der beiden Frauen ergeben, dass Rui Peres Oliveira möglicherweise nicht einem normalen Verkehrsunfall zum Opfer gefallen sein könnte, zumal es sowohl in seinem beruflichen als auch in seinem privaten Umfeld Konflikte gab...


    Beurteilung
    Der vorliegende Kriminalroman ist der siebte einer Reihe um die Ghostwriterin Kea Laverde, der Leser findet sich aber auch ohne Kenntnis der vorausgehenden Bände schnell im Umfeld der Protagonistin zurecht. Vordergründig handelt es sich um einen Krimi, nachdem die Untersuchung des Unfallwagens Hinweise auf Manipulation an den Bremsschläuchen ergeben hat, versuchen die Münchner Polizeibeamten ebenso wie Kea und Alexa, die Hintergründe des tödlichen Verkehrsunfalls zu klären.
    Das eigentliche Thema des Romans ist jedoch die Organspende mit all den ethischen Fragen, die durch das "Ausweiden" eines Hirntoten aufgeworfen werden. Wer bestimmt, ob und wann ein Hirntoter wirklich tot ist? Ist es vertretbar, ihn als menschliches Ersatzteillager künstlich am "Leben" zu erhalten, bis seine Organe für Schwerkranke explantiert werden können? Wer darf die Entscheidung über die Freigabe zur Organentnahme treffen, wenn der "fast Verstorbene" keinen Organspendeausweis besitzt? Gibt es ein Zellgedächtnis, das für eine mysteriöse Verbundenheit zwischen Empfänger und Spender sorgt? Oder ist es pure Einbildung, wenn ein Empfänger plötzlich glaubt, bestimmte Vorlieben mit dem Spender zu teilen? Ist es nicht genau aus diesem Grund unabdingbar, dass der Spender anonym bleiben sollte?
    Diese interessanten Fragen werden aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet: Kea Laverde beschäftigt sich damit als unbeteiligte Beobachterin, Alexa Senger als Betroffene schwankt zwischen Euphorie wegen ihres neuen Lebens und schlechtem Gewissen, weil sie dieses dem Tod eines anderen Menschen verdankt. Besonders faszinierend ist jedoch die dritte Perspektive, in diesen eingestreuten Kapiteln lernt der Leser Dr.Schmidt, einen Transplantationsmediziner, kennen, der unter der Last der ethischen Problematik zusammenzubrechen droht.
    Die Charakterisierung der Romanfiguren ist gelungen, es handelt sich um normale Menschen, mit denen sich der Leser gut identifizieren kann. Der flüssige und anschauliche Erzählstil verleitet zum schnellen Weiterlesen, gelegentlich muss man den schwerverdaulichen Inhalt allerdings ein wenig sacken lassen.
    Leser, die einen rasanten Krimi erwarten, werden ihre Erwartungen weniger erfüllt sehen. Wer einen anspruchsvollen Roman zu einer hochaktuellen und brisanten Thematik schätzt, kommt hier voll auf seine Kosten. Das dem Roman angeschlossene Quellenverzeichnis (Buch und Internetquellen) lädt zu weiterer Beschäftigung mit dem Thema Organspende ein.


    Fazit
    Ein inhaltlich anspruchsvolles Buch - eher Erzählung als Krimi - zu einer brandaktuellen medizinischen Thematik, sehr empfehlenswert!
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ach Enigma, das ist wieder so ein Titel, auf den wäre man alleine nicht gekommen. Du vergrößerst ständig meine WuLi^^
    Wie schlimm wäre das denn, wenn man die Vorgänger nicht gelesen hat? Du schreibst zwar man findet sich zurecht, aber manchmal haben die Protagonisten ja auch irgendwelche Vorgeschichten, die dann nur kurz angeschnitten werden. Finde sowas dann immer etwas blöd, wenn dann doch irgendwo bei einem das Fragezeichen aufploppt.
    So klingt das nämlich mal tatsächlich nach dem etwas anderen Krimi ;)

  • Wie schlimm wäre das denn, wenn man die Vorgänger nicht gelesen hat?


    Für mich war es das erste Buch dieser Autorin und ich hatte schon nach wenigen Seiten das Gefühl, alles Wesentliche zu verstehen. :wink:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Tolle Rezension :thumleft: , das Buch wird gleich auf der Wunschliste landen. Vom Titel her passt es gar nicht zu den anderen 6.

    Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten. (Albert Einstein)

  • Hallo €nigma und alle anderen


    Danke für die ausführliche und interessante Rezi. Zu diesem Buch würde ich sonst wohl nicht greifen, aber nach dem, was du auch gerade zum Thema Organspende und ethische Fragen schreibst, bin ich neugierig.


    Du vergrößerst ständig meine WuLi^^


    Genauso geht´s mir auch, habe gleich geklickt.


    Ach ja, und wo kann man noch ein paar Wände für Bücherregale und mehr Zeit bestellen?



    Liebe Grüße


    Sylvia, Brownie, Pearly und Gimli
    :study::study::study:

    :study:Jack McDevitt: Hexenkessel





  • Für mich war es das erste Buch dieser Autorin und ich hatte schon nach wenigen Seiten das Gefühl, alles Wesentliche zu verstehen. :wink:

    das ist gut zu wissen, dann setze ich das Buch jetzt auch mal auf meine Wunschliste, denn die Thematik finde ich extrem spannend :)

  • Habe es ebenfalls sofort auf meine Wunschliste gesetzt!
    Falls jemand auch noch Erfahrung mit den übrigen Büchern hat, wäre es super zu erfahren, ob diese ebenfalls so gut geschrieben sind.

    :study: Audre Lorde: Sister Outsider (eBook)

    :study: Joseph Roth: Hiob (eBook) - MLR

    :study: Thomas Chatterton Williams: Selbstportrait in Schwarz und Weiss - Unlearning Race



    „An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert.“

    Erich Kästner

    "Das fliegende Klassenzimmer"


    Warnhinweis:
    Lesen gefährdet die Dummheit

    :study:

  • @terry Ich habe bisher fast alle Bücher der Autorin gelesen. Es gibt zwei Reihen, die Reihe um Privatdetektivin Katinka Palfy und die Reihe um Ghostwriterin Kea Laverde. Ich meine, ich habe auch ein oder zwei Meinungen oder Rezensionen zu den Büchern verfasst. Bei beiden Reihen fand ich die ersten Bücher relativ gut, dann wurden sie jedoch in meinen Augen immer schlechter. Bisher habe ich die Hoffnung jedoch noch nicht aufgegeben und lese noch jeden neuen Band der einzelnen Reihen. Bei diesem hier ist ja schon der Titel nicht nach dem üblichen Schema gestrickt und nach €nigmas Rezension scheint er wieder deutlich besser zu sein als die Vorgänger.

  • scheint er wieder deutlich besser zu sein als die Vorgänger.


    Dazu kann ich leider nichts sagen. Ich habe vorher nie ein Buch von Friederike Schmöe gelesen, weil ich ihre Bücher für "Regionalkrimis" gehalten habe, was nicht mein Genre ist. Dieses Buch bekam ich geschenkt und war sehr positiv überrascht. Aber ich sehe es, wie oben geschrieben, eigentlich eher als Belletrisitk, die Krimihandlung steht nach meinem Empfinden eher im Hintergrund.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
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