Freihandelsabkommen (TTIP) und die Auswirkungen auf den Buchmarkt

  • Nachdem in der letzten Zeit immer wieder über die Auswirkungen des Freihandelsabkommens auf den heimischen Buchmarkt diskutiert wird, wollte ich euch auch hier im BT nach euerer Meinung befragen.


    3sat - Beitrag
    NDR - Beitrag
    Beitrag vom Deutschlandfunk


    Mir persönlich war die Diskussion über dieses Freihandelsabkommen vor allem im Themenbereich der Lebensmittel geläufig, auf die Auswirkungen auf den Buchhandel kam ich vorerst nicht. Erst durch diverse Beiträge in heimischen Zeitungen (in Österreich) habe ich angefangen, mich diesbezüglich ein wenig zu beschäftigen.


    Wie seht ihr die Auswirkungen im Kulturbereich, und hier vor allem im literarischen Bereich (der uns hier ja am intensivsten berührt in diesem Forum)?


    Seid ihr generell für dieses Abkommen inkl. dem Kulturbereich?
    Dafür aber mit Einschränkungen im Kulturbereich?
    Dafür aber mit Einschränken im ....... - Bereich (... =selbst gewählter Bereich)?
    Generell gegen das Abkommen?


    Das WARUM zu den Fragen würde mich vor allem interessieren. War man z.B. immer schon gegen die Buchpreisbindung oder befürwortet man diese. Sieht man diese durch das Abkommen gefährdet? etc.


    Etwas irritierend war es für mich auch, immer wieder unterschiedliche Meldungen zu lesen, so stand bereits 2013, dass der Kulturbereich ausgenommen werden würde, jetzt wird aber wieder darüber diskutiert? Was stimmt nun? Wer weiß näheres?

    :study: Audre Lorde: Sister Outsider (eBook)

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    „An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert.“

    Erich Kästner

    "Das fliegende Klassenzimmer"


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    Lesen gefährdet die Dummheit

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  • Hallo Terry
    Habe mir erstmal die links zu Gemüte geführt. Ich muß gleich gestehen, daß ich von Wirtschaft und Politik keine Ahnung habe, kann daher allgemein zu so einem Abkommen nichts sagen. Ich befürchte aber, daß der Schuß auch in vielerlei Hinsicht nach hinten losgehen kann, ähnlich wie mit anderen Aktionen, siehe Teuro. Ich glaube kaum, daß man die Folgen eines solchen Abkommens wirklich langfristig bedenken kann.


    Was den Kulturbereich angeht, sollte der auf jeden Fall ausgenommen werden, denn sonst hätten Nischen- Schriftsteller, kleinere Buchhandlungen, kleinere Filmstudios, Theater usw. keine Chance mehr. Theaterstücke, Filme, Bücher usw., die nicht die große Masse ansprechen, würden nicht mehr aufgeführt bzw. gedruckt, oder eben so hohen Preisen. Ist meine Meinung bzw. Befürchtung.


    Es gab mal ein kleines Buch - ich glaube, aus dem Eichbornverlag - mit dem Titel "Warum ich preisgebunden bin". Ist sehr lesenswert. Ich kann mich erinnern, daß ich bei meiner Buchhändlerprüfung einen Aufsatz schreiben mußte; den habe ich auch dem Thema Preisbindung gewidmet. War und ist ja immer mal wieder im Gespräch.


    Bin mal gespannt, was die anderen meinen.



    Liebe Grüße


    Sylvia, Brownie, Pearly und Gimli
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  • Was den Kulturbereich angeht, sollte der auf jeden Fall ausgenommen werden, denn sonst hätten Nischen- Schriftsteller, kleinere Buchhandlungen, kleinere Filmstudios, Theater usw. keine Chance mehr. Theaterstücke, Filme, Bücher usw., die nicht die große Masse ansprechen, würden nicht mehr aufgeführt bzw. gedruckt, oder eben so hohen Preisen. Ist meine Meinung bzw. Befürchtung.


    Das kann so aber auch nicht hinhauen. Schließlich gibt es auch in den USA Nischenfilme und Programmkinos. So lange es einen Markt für etwas gibt bzw. interessierte Leser und Zuschauer, wird es auch Kinos und Verlage geben, die diese Interessen bedienen. Ich habe in den letzten Jahren Filme wie "Extrem laut und unglaublich nah" (USA) oder "Monsieur Lazhar" (Kanada) gesehen, die ganz bestimmt kein Massenpublikum angezogen haben. Sowohl hüben als auch drüben. Und zwischen Kanada und den USA existiert ja schon so ein Abkommen.


    Es könnte aber ein ziemlich einseitiger Austausch werden. Kann mich nicht erinnern, dass die Amerikaner auf europäische Produkte scharf wären. Hatte mal eine Diskussion mit einen damaligen Austauschstudenten aus Amerika. O-Ton: "Nur amerikanische Filme sind gut, europäische schau ich gar nicht erst." Na, prima. Meine Reaktion könnt ihr euch vorstellen.


    So wird es auch auf den Buchmarkt laufen, denke ich. Wir werden viel amerikanische Literatur bekommen. Vielleicht sogar günstiger als ohnehin schon. Die Amerikaner werden aber unsere verschmähen, weil dafür nicht automatisch mehr Konsumenten da sind.


    Buchpreisbindung sehe ich positiv und sollte erhalten bleiben. So können kleine Buchhandlungen (inzwischen ja auch Nische) und Autoren überleben.


    Das Freihandelsabkommen sehe ich in Sachen Gen-Essen, Verbraucherschutz am kritischsten. Da sollte man sehr genau hinschauen und sich nicht übertölpeln lassen.

  • Es könnte aber ein ziemlich einseitiger Austausch werden. Kann mich nicht erinnern, dass die Amerikaner auf europäische Produkte scharf wären. Hatte mal eine Diskussion mit einen damaligen Austauschstudenten aus Amerika. O-Ton: "Nur amerikanische Filme sind gut, europäische schau ich gar nicht erst." Na, prima. Meine Reaktion könnt ihr euch vorstellen..


    Nun, dies ist ein Spieß, den man durchaus umdrehen kann, denn auch in Europa und im BT (aber nicht nur hier) gibt es Leser (und in anderen Bereichen andere Nutzer), die nur auf die englisch-, oder gar amerikanische Literatur schwören. Ich stieß hier - natürlich finde ich das nun nicht wieder - auf User, die vielleicht noch nie anderssprachige Literatur gelesen haben, gar keine Ahnung haben, was ihnen da entgeht. Natürlich kann man vom Einfluß der Politik und der Wirtschaft reden (eher eben die Ausrichtung zur amerikanischen Welt?), doch viele ziehen da ja kritiklos mit. Also kann man sich auch an den eigenen Kragen packen?

  • Hier sind zwei Artikel, die sich explizit mit den Auswirkungen des TTIP auf den Kulturbereich beschäftigen. http://www.zeit.de/2014/24/tti…andelsabkommen-demokratie wettert massiv dagegen, während http://www.zeit.de/2014/25/ttip-kultur-karel-de-gucht das Ganze stark abmildert.
    Doch auch nach diesen beiden Artikeln bleibt mir ein fader Nachgeschmack: Ist die Wirtschaft eigentlich für den Staat da (und der Staat für die Menschen) - oder hat sich das mittlerweile nicht völlig umgekehrt? Was dieses Abkommen meiner Meinung nach noch untermauert.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Also die Wirtschaft ist garantiert NICHT für den Staat da. Die Wirtschaft bzw. die einzelnen Global-Player sind für sich selbst da und ihre Eigentümer, und werden lediglich durch den verschiedenen Staaten mit ihren Gesetzen ein wenig in Schach gehalten, was aber immer unmöglicher wird. (Lobby)
    Den einzigen Einfluss, den das Staatsvolk nehmen kann, ist, sich verantwortungsvolle Politiker auszusuchen, und diese durch Wahlen an die Spitze eines Staates zu katapultieren.
    Da beginnt aber bereits das Problem der Demokratie: Hier entscheidet die Masse und nicht die Qualität. Was ich damit sagen will: Die breite Masse bekommt via Medien ein Bild vorgezeichnet, beschäftigt sich nicht näher damit (Motto: "was kann ich schon ändern, ist eh alles egal") und trifft meist die Entscheidungen nicht aufgrund einer reiflichen Überlegung sondern aufgrund medialer Kampagnen.


    Nicht dass jemand meint, ich hielte die breite Masse für dumm, nein das nicht, aber für größtenteils desinteressiert bzw. ohne großes Interesse an der Übernahme von Verantwortung ("die werden schon wissen was sie tun, ich meckere halt nachher wenn es nicht funktioniert).


    Ich habe den Satz eines Bekannten von mir mal ganz amüsant/traurig gefunden:
    "Diesen Sonntag wählend wieder zig tausende Menschen jemanden, der ihnen dann auf die Pizzaverpackung schreiben muss, dass die Verpackungsfolie zu entfernen ist, bevor man die Pizza ins Backrohr gibt."

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    „An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert.“

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  • Das ist ja interessant, dass das Abkommen auch für den Kulturbereich gelten soll, mir war das bisher auch nur im Bereich Umwelt, Lebensmittel, Finanzsektor geläufig. Z. B. beinhaltet das Abkommen ja auch Fracking, was in den USA erlaubt ist, in der EU hingegen nicht (jetzt habe ich sogar neulich gehört, dass stellenweise in Deutschland schon darüber diskutiert wird).


    Ich bin strikt gegen dieses Abkommen, vor allem wegen dieser Intransparenz. Es ist eine Ungeheuerlichkeit, dass solch wichtigen Themen von der Lobby hinter verschlossenen Türen verhandelt werden. Wenn nicht einmal die Bundesregierung über die Inhalte im vollen Umfang Bescheid weiß.... Möglicherweise geht es vor allem den ohnehin schon riesigen Unternehmen darum, noch mehr Einfluss zu gewinnen (siehe Monsanto, denen ist die europäische Abneigung gegen Gen-Gemüse schon lange ein Dorn im Auge). Was man so alles hört, beunruhigt mich.


    Das größte Problem ist denke ich mal diese ganze Geheimnistuerei. (Warum denn eigentlich, wenn es doch alles so toll werden soll?) Dadurch entstehen Gerüchte, weil niemand etwas konkretes weiß / wissen kann, weil alle im Dunkeln gelassen werden und das schürt natürlich die Ablehnung (zu recht!).


    Die kulturellen Randbereiche werden sicherlich nicht komplett "aussterben", aber möglicherweise ausdünnen. Die Buchpreisbindung sehe ich auch eher positiv, da man sich da mal ausnahmsweise keine Preise vergleichen muss. :wink: Aber so richtig kann ich die Auswirkungen auf den Kulturbereich noch gar nicht so richtig abschätzen.



    Es könnte aber ein ziemlich einseitiger Austausch werden. Kann mich nicht erinnern, dass die Amerikaner auf europäische Produkte scharf wären.

    Das glaube ich auch. So wie es im Moment erscheint, sind die amerikanischen Groß-Unternehmer die größten Gewinner von diesem Abkommen.


    Also die Wirtschaft ist garantiert NICHT für den Staat da.

    Nein, eher läuft es andersrum.


    Da beginnt aber bereits das Problem der Demokratie: Hier entscheidet die Masse und nicht die Qualität. Was ich damit sagen will: Die breite Masse bekommt via Medien ein Bild vorgezeichnet, beschäftigt sich nicht näher damit (Motto: "was kann ich schon ändern, ist eh alles egal") und trifft meist die Entscheidungen nicht aufgrund einer reiflichen Überlegung sondern aufgrund medialer Kampagnen.

    Das macht mich acuh manchmal sprachlos. Vor der letzten oder vorletzten Wahl hat ein Fernsehsender (weiß nicht mehr welcher) auf der Straße mal eine Umfrage gemacht (so á la Wahl-O-Mat). Bei nicht wenigen kam eine ganz andere Partei raus, als sie wirklich wählen würden und dass das Parteiprogramm ihrer "Stammpartei" eigentlich total gegenläufig zu ihren eigenen Ansichten ist (O-Ton bei den "Probanten": "Naja, aber ich wähle schon immer diese Partei und werde es auch wieder tun." :roll: )
    Es ist halt wirklich so, dass sich viele gar nicht damit auseinandersetzen und das ist schade.

    Viele Grüße
    Aventurin


    :study:Rebecca Gablé - Hiobs Brüder


    SuB: 92 / Gelesen 2016: 7

  • Hallo an alle
    Also ich kann ja nicht wirklich mitreden, weil ich viel zuwenig Ahnung von Politik und Wirtschaft habe. Generell sollte man aber solche Abkommen sehr kritisch sehen und immer genau gucken, wer die eigentlichen Nutznießer sind - das sind normalerweise nie die Verbraucher, und ich fürchte, mittlerweile auch nicht mehr die Regierung/der Staat.


    Es ist eine Ungeheuerlichkeit, dass solch wichtigen Themen von der Lobby hinter verschlossenen Türen verhandelt werden. Wenn nicht einmal die Bundesregierung über die Inhalte im vollen Umfang Bescheid weiß...


    Genau, das liegt meiner Meinung nach daran, weil der Staat wirtschaftlich nichts mehr zu melden hat, die Wirtschaft hat eher den Staat in der Hand und bestimmt, wo es langgeht.


    @Xirxe
    Die links werde ich mir mal abspeichern und in Ruhe durchlesen, vielen Dank.


    Wie gesagt, ich kann nicht wirklich mitreden. Aber wenn das Abkommen auch für den Kulturbereich gelten soll, halte ich davon nichts. Ich finde im Übrigen, wir orientieren uns schon viel zu sehr am American way of life.



    Viele Grüße


    Sylvia, Brownie, Pearly und Gimli
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