Stefan aus dem Siepen - Der Riese

  • Inhalt (lt. amazon.de):

    Tilman, ein junger Dachdecker, wächst und wächst. Mit siebzehn Jahren überragt er alle im Städtchen, bald misst er 2,39 Meter und ist der größte Mann Deutschlands. Die Ärzte können seinem Wachstum nicht Einhalt gebieten. Er verliert seine Freundin und seinen Beruf, wird von der Presse zu „Tilman dem Riesen“ ausgerufen. Dennoch vermag er auch innerlich an Größe zu gewinnen: Er steigert sich zu einem kultivierten Menschen. Schließlich droht das Wachstum, seine Kräfte zu überfordern... Berührend und mit feinem Humor erzählt Stefan aus dem Siepen von dem erstaunlichen Lebensweg eines zeitgenössischen Riesen.



    Zum Autor (ebenfalls lt. amazon.de):
    Stefan aus dem Siepen wurde 1964 in Essen geboren, studierte Jura in München und trat in den Diplomatischen Dienst ein. Über Stationen in Bonn, Luxemburg, Shanghai und Moskau führte ihn sein Weg nach Berlin, wo er seit 2009 im Auswärtigen Amt arbeitet. Nach ›Luftschiff‹ (2006) und ›Die Entzifferung der Schmetterlinge‹ (2008) veröffentlichte er 2012 ›Das Seil‹ und zuletzt ›Der Riese‹. Stefan aus dem Siepen lebt mit seiner Familie in Potsdam.



    Meine Meinung:
    Tilman Wölzinger, Sohn eines Dachdeckers, ist schon in seiner Jugend ein ziemlich hochgewachsener Bursche. Doch im Gegensatz zu anderen jungen Menschen macht sein Wachstum nie halt, er wächst so lange weiter, bis er schließlich der größte Mensch der Welt wird. Auf der einen Seite hindert ihn seine stetig zunehmende Körpergröße, sein Leben „normal“ zu gestalten und den allgemeinen familiären und gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen, auf der anderen Seite erfährt er dadurch den Wunsch, auch innerlich über seine mentalen und kulturellen Schranken „hinauszuwachsen.“Tilmans Vater hegt bestimmte Erwartungen an seinen Sohn und grollt ihm dafür, dass er aufgrund seines exzessiven Körperwuchses diesen Erwartungen nicht entsprechen kann. Als er jedoch als einer der allergrößten Menschen weltweit mediales Interesse erregt, und durch entsprechende Gagen und Honorare die Familie aus einer finanziellen Bredouille befreit, steigt Tilman wieder im Ansehen des Vaters.
    Tilman leidet unter dem familiären Einfluss und dem morbiden Interesse der Öffentlichkeit, er wird praktisch überall ausgenutzt. Innerlich jedoch schafft er es, durch Musik und Literatur über sich hinauszuwachsen, und dies in einer Weise und in einem Maße, das auf mich viel zu edelmütig wirkte. Eine schwarz-weiß-Darstellung, wie man sie nur in Romanen der schlechteren Sorte findet: proletenhafte, nur am Materiellen interessierte Menschen wollen über den ach so sensiblen Riesenjungen bestimmen und zeigen keinerlei Verständnis, weder für seine inneren Werte, noch für die Behinderungen, die Tilmans Riesenwuchs ihm im täglichen Leben aufzwingt.


    Es geht also um die schlimme Erkenntnis, anders als die anderen zu sein. Tragisch, tragisch. Ich würde die Erzählung als gnadenlos rührselig abtun, wäre da nicht die fast altmodisch anmutende und merkwürdig distanzierte Sprache – nur: das ist wieder genau die gleiche Sprache, mit der der Autor schon in seinem Buch Das Seil daherkam. Die Frage drängt sich mir auf: Kann Stefan aus dem Siepen nicht anders? Während mir sein Sprachstil in Das Seil einigermaßen passend erschien, wirkte er auf mich in Der Riese unerträglich dünkelhaft. Der riesenwüchsige Protagonist blieb für mich distanziert und flach, das gesamte Buch besaß für mich keinerlei spürbare Atmosphäre. Das genaue Gegenteil von John Williams' Stoner, obwohl der Protagonist Tilman Wölzinger im Grunde genommen der interessantere der beiden Protagonisten sein könnte.


    Fazit: Eine Erzählung mit großspurigen Ambitionen, die durchgehend banal bleibt und sprachlich zu chloroformiert wirkt. Eine Lektüre, die man sich meiner Meinung nach schenken kann.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Danke, dann kann ich das ja von meiner Amazon Wunschliste streichen.

    Vielleicht willst Du ja nochmal nach anderen Bewertungen schauen? Ich bin ja doch einigen Lesern oftmals zu nörglerisch ... :uups:

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Der Aufhänger und was daraus gemacht wird, hört sich ganz ehrlich an wie aus einem Creative Writing Kurs an der Volkshochschule. Wahrscheinlich gibts noch eine Nebenbehandlung, die das Thema (innere/äußere) Größe spiegelt. Man könnte es bestimmt gut verfernsehfilmen, über die ARD Degeto oder als Sat.1 Movie der Woche... Wer spielt den knackigen Dachdeckerbuam?!

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (126/223)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 55 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Martinson "Schwärmer und Schnaken" (15.04.)

  • Vielleicht willst Du ja nochmal nach anderen Bewertungen schauen? Ich bin ja doch einigen Lesern oftmals zu nörglerisch ... :uups:

    mir nicht :wink: ich verlasse mich gerne auf Dein Urteil und bin auch noch nicht auf die Nase gefallen damit.

  • Ich habe schon lange "Das Seil" auf meiner Wunschliste. Sollte mir das gefallen, sehe ich weiter, ob dieses Buch für mich in Frage käme.
    "Der Riese" ist aber fiktiv? Ich dachte, der einzige Mann mit dieser Größe sei ein Pakistani? Ich wüsste nicht, dass es in Deutschland einen so extrem großen Menschen gibt. :-k

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Der Aufhänger und was daraus gemacht wird, hört sich ganz ehrlich an wie aus einem Creative Writing Kurs an der Volkshochschule. Wahrscheinlich gibts noch eine Nebenbehandlung, die das Thema (innere/äußere) Größe spiegelt. Man könnte es bestimmt gut verfernsehfilmen, über die ARD Degeto oder als Sat.1 Movie der Woche... Wer spielt den knackigen Dachdeckerbuam?!

    Ich habe keine Ahnung, ob Herr Siepen seine Bücher anhand irgendwelcher wie auch immer gearteten Schreibtutorials ausarbeitet, würde mich aber hüten, ihm so etwas wie eine VHS zu unterstellen - irgendwie klingt seine Sprache zu sehr gebildet (wenn auch für das Sujet des "Riesen" unpassend), um einen Schreiberling dahinter zu vermuten, der sich an einer solchen Institution seine Ausbildung zum Autor eingeholt haben würde. Da es eigentlich keine Nebenhandlungen im Buch gibt, findet die Gegenüberstellung der inneren und äußeren Größe direkt in der Haupthandlung statt, doch es gibt in der zweiten Hälfte des Buchs dann eine platonisch-innige Beziehung zu einer wunderbaren Frau, einer geistig und moralisch unkompromittierbaren Intellektuellen, in der Tilmans geistige Größe so reflektiert wird wie Lichtstrahlen an einem gläsernen Kronleuchter, bis sie geradezu gleißend wirkt. (Sorry, aber das übertriebene Getue im Buch ging mir wirklich auf den Senkel ... :puker: ).
    Und ja, Du hast Recht: ich habe selbst immer wieder daran gedacht, wie viele Menschen eine solch herzergreifende Geschichte auf dem Bildschirm ansprechen würde - der einsame Freak rührt doch seit dem "Glöckner" und "Beauty an the Beast" immer wieder die sensiblen Zuschauerseelchen. Allerdings bezweifle ich, dass sich solchen Produktionsfirmen in Hobbitfilm-ähnliche Produktionskosten stürzen würden für ein "Filmchen der Woche", die für die Darstellung der enormen Größenunterschiede nötig wären.


    Ich habe schon lange "Das Seil" auf meiner Wunschliste. Sollte mir das gefallen, sehe ich weiter, ob dieses Buch für mich in Frage käme.
    "Der Riese" ist aber fiktiv? Ich dachte, der einzige Mann mit dieser Größe sei ein Pakistani? Ich wüsste nicht, dass es in Deutschland einen so extrem großen Menschen gibt. :-k

    €nigma, ich konnte Das Seil nie richtig beurteilen, weil nach dem Lesen der Rezension eines "5000-Sterne-Rezensenten" nichts mehr am Buch dran gewesen war, was ich nicht schon aus der viel zu ausführlichen Inhaltsangabe erwähnter Rezension erfahren hätte. (Da war ich einfach nur wütend.) Ich denke trotzdem, dass Das Seil ein viel besseres Buch ist, weil es nicht so entsetzlich durchschaubar wie Der Riese geschrieben ist. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dem Autor nochmal eine Chance geben sollte - in unserer Stadtbibliothek liegen noch zwei weitere Bücher von ihm auf, soviel ich weiß - mal sehen ... (aber meine Tendenz liegt bei "wohl eher nicht").
    Tilman Wölzinger ist eine fiktive Persönlichkeit, wie Du bereits vermutet hast, der größte lebende Mensch müsste laut dieser Wikipedia-Liste ein Ukrainer mit Namen Leonid Stadnyk bei einer Körpergröße von 2,59 m sein.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Ich denke trotzdem, dass Das Seil ein viel besseres Buch ist,


    Leider hat keine meiner beiden Bibliotheken "Das Seil" und ich kaufe ungern Bücher von mir unbekannten Autoren. Der Klappentext klingt jedenfalls vielversprechend. Bei amazon habe ich mir gar keine Rezis dazu angesehen, sondern nur hier und in einem anderern Bücherforum.
    Im Moment eilt es ohnehin nicht, da ich gerade wieder an akutem Bücherstau "leide".

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    (Francis Bacon)
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  • Vielleicht willst Du ja nochmal nach anderen Bewertungen schauen? Ich bin ja doch einigen Lesern oftmals zu nörglerisch ... :uups:


    Ich habe von ihm schon das Seil gelesen und das war nicht so mein Fall :scratch::wink: , deshalb hat mich das mehr oder weniger bestätigt in dem was ich vermutet habe.

    Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten. (Albert Einstein)