Jack Kerouac - Unterwegs

  • Ich lese gerade "Unterwegs" von Jack Kerouac. Darauf gestossen bin ich durch mein vorheriges Buch "In der Kreide" von Philippe Djian, in dem er Kerouacs Roman als eines der wichtigsten Bücher seines Lebens aufführte: Philippe Djian - In der Kreide / Ardoise
    Überraschenderweise lag das gute Stück schon eine zeitlang auf meinem SUB und ohne Djians Hinweis hätte es da noch eine sehr lange Zeit gelegen. (Aber das ist ja das Schöne an einem grossen SUB: man ist sehr flexibel, was man als nächstes liest. Bei mir kommt es sehr auf den Eindruck an, den das vorherige Buch hinterlassen hat)


    Jedenfalls bin ich jetzt zur Hälfte durch und schwer begeistert. Zwischenzeitlich habe ich auch mal den bereits bestehenden Rezi-Thread gelesen und war von der verhaltenen Bewertung dort ziemlich überrascht. Mehrere durchschnittliche Bewertungen und diverse Büchertreffler, die den Roman abgebrochen haben... Ich hätte das Buch wahrscheinlich nicht begonnen (trotz Djians Begeisterung), wenn ich nicht schon die ersten 100 Seiten VERSCHLUNGEN hätte.


    Der Roman hält ein, was der Titel verspricht: man ist unterwegs - und zwar ständig. Und wie bei einem guten Roadmovie ist auch hier der Weg das Ziel. Es passiert nicht viel, wenn man einen Mord erwartet, oder erhofft, dass Geheimnisse aufgedeckt werden, keine politischen Verschwörungstheorien und auch keine Liebesgeschichte.
    Was den Roman auszeichnet ist die Atmosphäre der Freiheit und Ungebundenheit: Der Protagonist Sal Paradise macht sich auf den Weg nach Denver, erstmal ziemlich planlos, dann aber per Anhalter in die richtige Richtung. Dabei trifft er diverse Leute, die ebenso schnell wieder verschwinden. Kurzweilige Bekanntschaften mit denen man auf der Pritsche eines Lieferwagens Whiskey trinkt, um wenige Stunden später wieder alleine und verlassen an einer Raststätte auf die nächste Gelegenheit zur Weiterfahrt zu warten. - TOLL (ohne jegliche Ironie!). Ich kann gut verstehen, weshalb das Werk mit seiner positiven Lebenseinstellung und lässigen Sprache einen solchen Erfolg hatte in den späten 50er / Anfang 60er-Jahre hatte.


    Ein wenig ärgere ich mich lediglich, dass ich den Roman auf Deutsch lese und nicht im englischen Original. (Selten lese ich Romane in englischer Sprache, aber der hier wäre es sicherlich wert gelesen)

  • Zwischenzeitlich habe ich auch mal den bereits bestehenden Rezi-Thread gelesen und war von der verhaltenen Bewertung dort ziemlich überrascht. Mehrere durchschnittliche Bewertungen und diverse Büchertreffler, die den Roman abgebrochen haben...

    Das wundert mich jetzt aber auch, wie kann man nicht augenblicklick in das Buch verliebt sein!? :wink: Wie Du schon sagst: Bei all dieser positiven Lebenseinstellung - Leben im Augenblick, rausgehen, wenns einem passt! (Außerdem weiß ich seither, was wahre Hipster auszeichnet [nicht diese Luschen, mit großen Brillen, Vollbart und Schlabberpulli]: Ein Hipster kann in einer ihm fremden Stadt innerhalb einer Stunde gute Drogen auftreiben! 8) )

    Ein wenig ärgere ich mich lediglich, dass ich den Roman auf Deutsch lese und nicht im englischen Original. (Selten lese ich Romane in englischer
    Sprache, aber der hier wäre es sicherlich wert gelesen)

    Da es, wie ich finde, ein Buch ist, das man gut einige Jahre später noch einmal lesen kann, kann das englische Original noch zu seinem Recht kommen!


    Ich nutze mal den Platz, darauf hinzuweisen, dass 1998 für den Bayerischen Rundfunk eine ganz großartige Hörspielfassung angefertigt wurde, die - wie ich gerade erst sehe - leider nicht mehr vertrieben werden darf, weil die Kerouac-Rechteinhaber ihr Einverständnis zu weiteren Ausstrahlungen verweigert haben (wegen der Hollywood-Verfilmung [-( ; Quelle: ein in der Hörspieldatenbank HörDat zitierter BR-Newsletter von 2007). Der "Freidenker" Kerouac und seine Werke werden quasi im Grabe noch ein Opfer des Kommerz. Sendeverbot! Ich bin empört! :wuetend: (Siehe auch in der Quelle, was der Hörspiel-Redaktionsleiter des BR in dem Newsletter schrieb). Wie auch immer: Die Hörspielbearbeitung (Michael Farin) und die Regie (Robert Forster und Barbara Schäfer) fahren alle Register moderner Radio-Hörkunst auf: wechselnde Erzähler, mehrere narrative Ebenen, auch englische Passagen (von Kerouac selber gelesen, glaube ich), viel Musik, Klangschnipsel. Zwar schon EIN Hörspiel insgesamt, doch geteilt in stilistisch und musikalisch jeweils eigenständig gestaltete Kapitel oder Einzelhörspiele (Musik von Gary Thomas, Susanne Brokesch, Hans Platzgumer, Studio 1 alias Mike Ink, Console und Erdem Tunakan/Patrick Pulsinger)! Die Sprecher kommen auch alle aus dem Musikbereich: Schorsch Kamerun (von den Goldenen Zitronen), Christiane Rösinger (Ex-Lassie Singer), Kristof Schreuf (Ex-Kolossale Jugend), Rebecca Giese (Mobylettes) und Smudo. Lief bei mir damals, auf Kassette aufgenommen, rauf und runter! :pray: Muss ich wohl demnächst mal schnellstens digitalisieren, die olle Kassette! :montag:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (82/151)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 57 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Das wundert mich jetzt aber auch, wie kann man nicht augenblicklick in das Buch verliebt sein!?


    Das war auch mein erster Gedanke, als ich die Rezis hier gelesen habe. Aber es liegt wohl auch an der Erwartungshaltung hier einen durchgängigen
    Roman mit dem üblichen Ablauf vor sich zu haben. Kerouac erfüllt diese Erwartungen nicht, er schöpft aus kurzen Augenblicken, dem Treffen anderer
    Reisender die den Weg eine Zeit begleiten um dann wieder zu verschwinden und ihre eigenen Wege zu verfolgen. Wichtig und für mich einmalig ist
    die dichte Atmoshäre der Geschichte um Sal Paradise, die Bilder die sich festsetzen und uns vom wilden und freien Leben dieser Leute erzählen.
    Diese Leute waren auf der Suche nach einem Amerika das sich in den konservativen 50er und frühen 60er Jahren nicht gerade freundlich präsentierte.
    Sie waren die Misfits, die nicht-gesellschaftsfähigen, aber sie waren auch die, die später als die Beat Generation bezeichnet wurden. Eine Gruppe von
    Leuten, die das Fundament für die später aufkommenden Hippie Bewegung erst geschaffen haben.
    Ein wunderbares Buch und gleichzeitig ein Zeitzeugnis das seinesgleichen sucht.


    lg taliesin

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

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