Floortje Zwigtman - Ich, Adrian Mayfield/Schijnbewegingen

  • Klappentext
    Alles, was ich wollte, war ein großartiges Leben. Ein phantastisches Leben. Ein Märchenleben...War das denn zu viel verlangt?


    London, 1894. Als Adrian Mayfield seine Anstellung als Lehrjunge verliert, sitzt er erstmal völlig mittellos auf der Straße. Bei einem Kunstmaler findet er Unterschlupf und beginnt, Modell zu sitzen. Zu Adrians Erstaunen bleibt es dabei nicht. Außerdem erhält er Zutritt zu den erlesensten Künstlerkreisen Londons, an deren Spitze Oskar Wilde im Café Royal thront. Doch so fasziniert Adrian von dieser dekadenten Gesellschaft ist, weder ein Zuhause noch wahre Freunde findet er hier. Aber darf einer wie Adrian überhaupt auf die ganz große Liebe und so etwas wie Glück hoffen?


    Meinung bisher
    Ja, ich habe erst siebzig der insgesamt 5o8 Seiten gelesen und habe im besten Fall einen kleinen Überblick über Adrians Welt bekommen.
    Aber ich kann schon jetzt sagen, dass mir das Buch, für einen historischen Roman, der zu allem Überfluss auch noch im victorianischen England spielt (eine Zeit, die ich so zwar ganz interessant finde, aber die mich in Büchern immer geradezu fauchen lässt), außergewöhnlich gut gefällt. Die Autorin schafft es, die doch im Moment sehr ernste Lebenslage ihres Protagonisten in ein recht selbstverständliches Licht zu rücken, wenn man es so ausdrücken will. Dadurch wirkt die Handlung nicht übermäßig verdramatisiert.


    Aktuell bin ich etwa an der Stelle, als Adrian zu dem - vermutlich im Klappentext gemeinten - Kunstmaler geht, da er sonst weder Unterschlupf noch Arbeit hat, da ihn sein Stolz und ein bisschen auch das schlechte Gewissen von seiner Mutter fernhält und sein alkoholsüchtiger Vater ihn mangels Geld vor die Tür setzen musste. Man stelle sich also einen sechzehnjährigen Jungen vor, über dem seine - mehr oder weniger - heile Welt in sich zusammenfällt. Augustus Trops ist also seine einzige Rettung. Doch, als wäre das nicht genug, hat Adrian in der letzten Zeit öfter merkwürdige Träume, in denen ein gewisser italienischer Kellner eine nicht ganz so kleine Rolle spielt.
    Diesermaßen auch verwirrt über sein Inneres und seine Gefühle, wird es, denke ich in nächster Zeit nicht so einfach für den jungen Adrian.


    Bisher muss ich wirklich sagen, dass mir der Schreibstil der Autorin gut gefällt, obwohl mir Adrian in seiner aktuellen Lage zum Teil ein bisschen zu unbeschwert rüberkommt. Klar, er ist erst 16 und es ist schön, wenn er trotz seiner Probleme relativ unbeschwert wirkt, aber bei dem, was er schon so alles erlebt hat, sollte man eigentlich davon ausgehen, dass da zumindest mal ein paar trübe Gedanken mit dazugehören.
    Vielleicht entwickelt er sich ja noch ein bisschen weiter.


    Ich bin auf jeden Fall schon sehr gespannt, wie es weitergeht. Das, was ich bisher gelesen habe, wirkte ja sowieso eher wie so eine Art Vorgeschichte.
    Bisher würde ich das Buch mit :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Sternen bewerten. Mal sehen, ob das so bleibt, oder ob mich das Buch im weiteren Lesen noch vom Hocker haut.

    Unter dem Fell einer Katze

    lebt eine der freiesten Seelen der Welt.

    (Claudine Delville)

  • So, inzwischen bin ich etwa 90 Seiten weiter, als bei meinem ersten Post, mit anderen Worten auf Seite 150. Und leider muss ich sagen, dass die anfängliche Euphorie inzwischen extrem stark nachgelassen hat und ich am Überlegen bin, ob es sich tatsächlich noch lohnt, das Buch zu Ende zu lesen.


    Inzwischen wurde Adrian in die Welt von Augustus Trops und seine mehr oder minder eigenartigen Bekanntschaften eingeführt und fühlt sich dort nicht wirklich wohl. Man merkt das aber irgendwie nur an irgendwelchen gedanklich abfälligen Bemerkungen des Jungen gegenüber diesen Personen. Leider hat sich Adrian in der Zwischenzeit auch noch nicht wirklich weiterentwickelt, auch wenn er sich seiner Neigungen inzwischen bewusster ist, bzw. sie sich inzwischen eingestanden hat und bemerkt hat, dass es keinen Sinn hat, sich dagegen zu wehren.


    Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass 150 Seiten für mich eine stattliche Anzahl an Seiten ist, die ich an einem Tag schaffen kann, oder ob der Schreibstil der Autorin wirklich mit jedem Absatz abgehackter und nüchterner wird. Irgendwie quäle ich mich im Moment von einem Gespräch über Kunst und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft zum nächsten und muss mir nebenbei anhören, was es über die Londoner Bevölkerung zu tratschen gibt. Mir wurde, mit anderen Worten, letztendlich doch wieder vor Augen geführt, warum ich diese historischen Romane - und vor allem die, die im victorianischen England spielen - nicht so besonders mag. Gespräche solcher Art, die ich nebenbei bemerkt eigentlich nur extrem ermüdend finde, habe ich auch schon in anderen Romanen dieser Art gefunden.


    Und um nochmal auf den Schreibstil zurück zu kommen: Wie gesagt, ich finde ihn inzwischen recht abgehackt und die Absätze sind viel zu kurz gehalten. Man hat sich gerade in eine Situation reingefunden und entschlüsselt, wer mit wem redet und vor allem worüber, da wird man auch schon wieder durch einen Absatz gestört und muss sich wieder vollkommen neu orientieren. Inzwischen musste ich auch schon teilweise nochmal zurückblättern, weil ich immer wieder das Gefühl hatte, dass mir ein Teil des Gesprächs oder überhaupt ein Teil der Handlung entgangen ist.


    Also im Moment ist das Buch für mich nur anstrengend und ich komme nur noch schwer in die Handlung rein, zumal Adrian mehr und mehr zum stillen Beobachter wird und nur noch wenig Eigeninitiative zeigt, was ich echt schade finde.
    Von der Bewertung her, muss ich leider sagen, dass ich aktuell zwischen :bewertung1von5::bewertung1von5: und :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Sternen schwanke. Schade eigentlich... :-?

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  • Schade, dass dir das Buch bisher nicht so besonders zusagt.
    Ich denke, ein bisschen Begeisterung für die Zeit und für den historischen Hintergrund muss man vielleicht mitbringen, um das Buch wirklich zu mögen. Mit hat es ja ausgesprochen gut gefallen - aber ich interessiere mich auch für das viktorianische England und wäre eigentlich zu gern dabei gewesen; da trifft das natürlich einen Nerv :wink:

  • @xxmarie91xx


    Danke, dass du so ausführlich beschreibst, was dir an dem Buch nicht gefallen hatte. Ich stelle gerade fest, dass das Punkte an dem Buch wären, die mir gefallen könnten. Es ist auf jeden Fall auf meiner Wunschliste ein Stück höher gerückt. :)


    Irgendwie quäle ich mich im Moment von einem Gespräch über Kunst und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft zum nächsten und muss mir nebenbei anhören, was es über die Londoner Bevölkerung zu tratschen gibt. Mir wurde, mit anderen Worten, letztendlich doch wieder vor Augen geführt, warum ich diese historischen Romane - und vor allem die, die im victorianischen England spielen - nicht so besonders mag. Gespräche solcher Art, die ich nebenbei bemerkt eigentlich nur extrem ermüdend finde, habe ich auch schon in anderen Romanen dieser Art gefunden.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Schade, dass dir das Buch bisher nicht so besonders zusagt.
    Ich denke, ein bisschen Begeisterung für die Zeit und für den historischen Hintergrund muss man vielleicht mitbringen, um das Buch wirklich zu mögen. Mit hat es ja ausgesprochen gut gefallen - aber ich interessiere mich auch für das viktorianische England und wäre eigentlich zu gern dabei gewesen; da trifft das natürlich einen Nerv


    Der Anfang war ja recht vielversprechend und ich fand das Buch ausgesprochen gut. Aber wie gesagt, seit Adrian mit Augustus Trops durch die Kunstgesellschaft von London flaniert, komm ich damit irgendwie nicht mehr klar. Und seit ich einen Anime gesehen habe, der in dieser Zeit spielt, habe ich auch angenommen, dass ich damit auch besser zurecht komme.
    Aber dieses ständige Getratsche über Leute, die man gar nicht kennt, oder die bis dato nur kurz erwähnt wurden und die man eigentlich für unwichtig erachtet, macht mich fertig, weil mich das nicht interessiert.


    Außerdem fand ich es, wie gesagt, schade, dass Adrian, trotz dem das Buch aus seiner Sicht und auch noch in der Ich-Form geschrieben ist, so dermaßen in den Hintergrund gerückt ist. Er ist meiner Meinung nach zu inaktiv und hat sich auch irgendwie ziemlich schnell zum 'Experten' dieser Welt entwickelt, obwohl er erst drei Tage oder so mit Trops unterwegs ist...


    Und an sich finde ich diese Zeit auch irgendwie interessant und spannend.


    Danke, dass du so ausführlich beschreibst, was dir an dem Buch nicht gefallen hatte. Ich stelle gerade fest, dass das Punkte an dem Buch wären, die mir gefallen könnten. Es ist auf jeden Fall auf meiner Wunschliste ein Stück höher gerückt.


    Schön, dass ich dich trotz meiner eher schlechten Kritik für das Buch begeistern kann :loool:

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  • Adrian Mayfield ist noch keine zwanzig, als er seine Anstellung bei einem Maßschneider verliert und kurz darauf auch noch seine Bleibe los ist. Der aus einfachen Verhältnissen stammende junge Mann hat schon mehr Krisen in seinem Leben gemeistert und bereits als Jugendlicher erstaunlich lange die Kneipe des versoffenen Vaters vor dem Untergang gerettet - doch diesmal scheint guter Rat wirklich teuer zu sein.


    Schließlich nimmt er doch das Angebot des Lebemannes Augustus Trops an, ihm für seine Malerei Modell zu stehen, und gelangt so in eine ihm völlig neue Welt, die von schillernden Figuren aus der Welt der Künste bevölkert ist und Adrian immer deutlicher vor Augen führt, was er nie wahrhaben wollte: dass er Männer liebt, die Art von Liebe, die Ende des 19. Jahrhunderts in London nicht öffentlich gezeigt oder auch nur angesprochen werden darf, weil sie vor dem Gesetz strafbar ist. Doch gegen seine Gefühle kommt Adrian letztendlich nicht an und erlebt zwischen tiefem Elend und eleganten Ballsälen eine rasante Achterbahnfahrt der Gefühle.


    Ein wundervolles Gesellschaftsporträt und eine großartige Coming-of-Age-Geschichte mit besonderem Fokus auf die Homosexualität der Hauptfigur, in der zahlreiche historisch belegte Persönlichkeiten (Oscar Wilde ist nur einer davon) ihre Auftritte haben.


    Die kongeniale Übersetzung von Rolf Erdorf darf hier nicht unerwähnt bleiben, denn in vielen Fällen so herrlich altmodischen wie treffenden deutschen Formulierungen tragen sehr viel zum Lesevergnügen bei. Nur "Herr" und "Frau" hätte er gerne im Sinne der Authentizität durch "Mr." und "Mrs." ersetzen dürfen.


    Aber davon abgesehen war es mir eine Freude, Adrian Mayfield auf seinem wechselvollen Weg zu begleiten.

  • Magdalena Eine schöne Rezension, aber die wolltest du doch bestimmt im Rezensionsteil posten. :friends: Hachja, ich habe mehrere Versuche mit dem Buch gestartet und kam leider nicht in die Geschichte rein. Vielleicht kommt irgendwann noch einmal ein Versuch, mal sehen .

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  • Farast: ähm, ja, da habe ich beim Suchen wohl nicht so richtig aufgepasst ... ich packe sie noch mal in den Rezensions-Teil. Danke für den Tip. War wohl zu lange weg :D

  • Nee, geschäftlich sehr eingespannt - aber jetzt beim Überstundenabbau und ab morgen wieder mit mehr Freizeit zurück am Arbeitsplatz :)

  • xxmarie91xx Hast Du das Buch eigentlich mal zu Ende gelesen oder abgebrochen?

    Nein, ich hab es irgendwann abgebrochen, aus den genannten Gründen. :-k


    Tatsächlich habe ich in letzter Zeit ab und an an dieses Buch denken müssen und überlegt, ihm doch nochmal eine Chance zu geben. Bin ja auch älter geworden und habe inzwischen vielleicht ein anderes Verständnis für diese Geschichte. :lol:

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    (Claudine Delville)