Eine Familienrecherche.
Ich kann nicht sagen, dass mir das Buch gut gefallen hätte. Ferner kann ich auch nicht sagen, ob mir die Geschichte gut gefallen hätte, denn zu einem ist es ja keine Erzählung im engeren Sinne – es sind Bruchstücke, Bruchstücke aus Erinnerungen, Erzählungen von Menschen die Petrowskaja auf ihrer Reise kennen gelernt hat, alte Fotos und Familienanekdoten. Die Autorin schreibt einfach alles chronologisch nieder, ohne große Zusammenhänge, was sie auf ihrer Recherche durch Europa über ihre Familie zusammen getragen hat.
Das Besondere dabei ist, dass sie es in deutsche Worte fasst, obwohl sie erst seit 1999 in Deutschland lebt und eben Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. (Ich habe Petrowskaja bei >lesenswert< gesehen und aufgrund dessen erahnen können, welcher Akt es für sie gewesen sein muss. “Aber in Russisch hätte sie ihre Geschichte nicht fassen können, das ging nur über diesen Umweg.”)
Was an diesem Buch fesselnd ist, ist die Dramatik, die Tragik – eigentlich aller Familienmitglieder, wie zum Beispiel Judas Stern – den “Meschuggen”. Er schoss 1932 auf einen deutschen Botschafter “und löste damit den II. Weltkrieg aus”. Ganz schrecklich zu lesen war das 5. Kapitel >Babij Jar<. Eine Schlucht in Kiew in der man 100.000 oder 200.000 Menschen hinein warf und erschoss, die genaue Zahl weiß man nicht – spielt es eine Rolle? Am 29. September 1941 um 8 Uhr sollten alle Juden sich dort einfinden – Befehl der Deutschen, nur Babuschka kam mit ihren schweren Beinen nicht …
Ich finde es erstaunlich, dass die Autorin diese Recherche überhaupt zu Papier gebracht hat, auch wenn man das Fassungslose aus jeder Zeile heraus liest. Diese Tragik reicht für ihr ganzes Leben, sie kann daraus zahlreiche Romane entwerfen und ich denke, “Vielleicht Esther” ist erst der Anfang. Neugierig bin ich auch, in welcher Sprache es jetzt weiter geht.