Zitat„Vielleicht überwindet der Mensch seine Angst, wenn er erst seine Träume begraben hat.“ (S 131)
Lange, viel zu lange hat dieses Buch ungelesen in meinem Regal gestanden. Jetzt fiel es mir wieder in die Hände und eigentlich wollte ich nur kurz reinlesen. Daraus wurde dann ein Lesenachmittag, an dem ich die Welt um mich herum vergaß.
Wie der Titel es schon kurz und prägnant aussagt, geht es um den Krieg. Dafür hat Jochen Rausch zwei Ebenen geschaffen. Im Mittelpunkt eines Erzählstranges steht Chris, der junge Mann, der sich als Soldat verpflichtet und nach Afghanistan geht. Findet er das Ganze zunächst noch cool, wird er schnell von der harten Realität eingeholt.
Zitat„Röttger ist vorgestern auf eine Scheißmine getreten. Wäre er einen halben Meter weiter links gegangen, wäre ihm das nicht passiert. Da stand ich. Röttgers linkes Bein ist unterm Knie abgerissen. Habe gekotzt, als ich das sah. Scheiße. Was mit dem anderen Bein wird, wissen sie noch nicht.“ (S. 43)
Röttger nimmt sich das Leben und Chris “opferte sein Leben für unser aller Vaterland.” (S. 170)
Zu Hause haben sein Vater Arnold, seine Mutter Karen und seine Freundin Sandra die Nachrichten verfolgt, auf Mails gewartet und gemeinsam mit Chris die Tage gezählt, die sein Kriegseinsatz noch dauern sollte. Rund um Arnold baut der Autor die zweite Erzählebene oder besser gesagt, den zweiten Kriegsschauplatz auf. Arnold hat alles verloren. Neben dem Tod seines Sohnes muss er mit der Trennung von Karen fertig werden. Er hat sich mit dem Hund von der Welt in eine einsame Berghütte zurückgezogen. Aber auch dort findet er keine Ruhe. Es beginnt auch für ihn ein Überlebenskampf. Er führt seinen Krieg mit den Dämonen der Vergangenheit und einem Unbekannten, der in seine Hütte einbrach und das Wenige, das er noch besaß, zerstörte und den Hund schwer verletzte.
Dieser 220 Seiten lange, in 66 Kapitel und sieben Teile gegliederte Roman hat mich sehr berührt. Der stakkatoartige, gehetzte Stil passte sehr gut zur Handlung, er verdeutlichte die Gemütsverfassungen und Ängste von Chris und Arnold. Stellenweise spürte ich die Anspannung der beiden fast körperlich. Die Stimmung war bedrückend und bedrohlich. Immer wieder gab es beeindruckende Beschreibungen des Wetters, welches die Dunkelheit in Arnolds Gefühlswelt untermauerte.
Jochen Rauschs Roman ist durchweg gesellschaftskritisch. Mit seiner Meinung zum Krieg versteckt er sich nicht. Viel zu lange wurde in Deutschland nicht gewagt, von einem KRIEG zu sprechen..
Zitat„Die Wahrheit. Im Krieg gibt es keine Wahrheit. Ein Krieg ist voller Lügen. Kriege werden mit Lügen begonnen, sie werden mit Lügen geführt und mit Lügen beendet. Das ist die Wahrheit.“ (S. 94)
Mir hat dieser mit Worten geizende, tiefe, bedrückende und intensive Roman sehr gut gefallen. Ich schätze ihn als sehr bedeutend und wichtig ein, weil er auf einzigartige Weise Einblick in das Seelenleben des Soldaten und der daheim gebliebenen Eltern gibt.
Zitat„Sicher wird es irgendwann wieder Krieg geben. Vielleicht wird dieser Krieg furchtbarer sein als alle Kriege zuvor.“ (S. 220)
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Über den Autor (Quelle: amazon.de)
Jochen Rausch ist Journalist, Autor und Musiker. Seit 2000 ist er Programmchef von Radio 1LIVE (WDR), Köln. 2008 erschien der Roman »Restlicht«, 2011 sein Erzählungsband »Trieb« und 2013 sein Roman »Krieg« im Berlin Verlag. Rausch lebt in Wuppertal.
Mehr über den Autor auf http://www.jochenrausch.com/