Sophie Fontanel - Das Verlangen/L'envie

  • Original : L'envie (Französisch, 2011)


    Übersetzung : Svenja Geithner, 2012


    INHALT :
    Während einer langen Periode nach einer sexuell aktiven Jugend lebt eine junge, attraktive Frau, ohne körperliche Intimität mit einem Mann zu kennen. Dies ist weniger eine bewußt gefällte Entscheidung als eine Tatsache, eine Gegebenheit, die Folge einer gewissen Abwesenheit von Lust und Verlangen. Doch so etwas darf ja nicht sein und ist zum Teil unzumutbar, nicht erzählbar. Sophie Fontanel tut es. Und entdeckt nicht etwa ein nur schwer zu ertragenes Schicksal, sondern auch gewisse überraschende Freudenquellen : eine Schärfung der (Körper-)Sinne, ein gewisses Wohlbefinden, eine Öffnung der Seele...
    Doch manche « Freunde » und Bekannte bleiben ratlos : ihr Zustand bestürzt und weckt etwas zwischen Mitleid und Empörung, läßt sie alles tun, um sie zu « therapieren ». Andere trauen sich ihr an. Und Fontanel versteht eines : wieviele ihrer Zeitgenossen einen Mythos um ihre ach so freie und befreiende Sexualität aufgebaut haben.


    BEMERKUNGEN :
    Sophie Fontanel widmet ihr Buch allen, die aus diesem oder jenem Grunde eine Zeit, auch lange Zeit, ohne Partnerschaft leben. Entgegen dem Mythos, dass ja « jeder sowieso nur das eine kennt und tut » ist es nun mal eben so, dass verschiedene Menschen aus verschiedenen Gründen Zeiten ohne Sex erleben (es fällt der Autorin - und auch mir - schwer, dafür das richtige Wort zu finden: es geht weder um Keuschheit oder gewählte Abstinenz...). Davon zu sprechen erfordert viel Mut, und man merkt es schon am Buch selber, bzw an der Aufmachung und teils den begleitenden Texten. Ich zitiere aus der Produktbeschreibung bei amazon, wo die Autorin « sich für ein Leben ohne Sex entscheidet » oder sich dadurch für sie « ungekannte Wege der Sinnlichkeit erschließen, bis sie wieder weiß, was sie wirklich braucht ». So wird eine Gegebenheit zu einer gewollten « Lustoptimierung » und diese Beschreibung schließt mit der Feststellung der « Notwendigkeit, hin und wieder allein zu schlafen, um sich selbst neu zu spüren. » Hin und wieder... Hier handelt es sich um Jahre und nicht einen Fastentag. Selbst der französische Verleger spricht hier von einem Roman, wo es doch ziemlich klar ist, dass es um einen autobiographischen, meinetwegen auch halb fiktiv angehauchten (wahrscheinlich hat sie doch die Namen ihrer Bekannten geändert?) Bericht geht.


    Ob sich manche Verleger schämen, was ihre Autoren verkünden, und es billig verkaufen wollen ? Dabei hat dieses Buch in Frankreich eine Welle ausgelöst, siehe zB hier:
    http://www.histoiresordinaires…ontanel-L-Envie_a362.html . Wie viele Menschen, insbesondere Frauen, fanden sich wieder in den Beschreibungen Fontanels und drückten ihre Dankbarkeit aus, dass sie ein Tabuthema thematisierte: Wir befinden uns in einer hypersexualisierten Gesellschaft und müssen auch in diesem Bereich dauernd zur Höchstform auflaufen. Teils amüsiert, teils entlarvend deckt Fontanel die Lügen auf, die das Thema begleiten : die Phantasien einiger Freunde, die für « Leistung und illusionierter Kreativität » in diesem Bereich sprechen, die Erwartung jener an die Ich-Erzählerin, nun aber aktiv einen Partner zu suchen, wobei man allzu oft nur traurig feststellt, wie unglücklich ihre eigenen Beziehungen doch sind etc.


    Natürlich kann der skeptische oder auch psychologisierende Leser noch versuchen, Fontanels Liebesleben auseinanderzunehmen oder herunterzuziehen : sie spricht ja offen über die frühe Erfahrung, « Einweihung » durch einen älteren Mexikaner, der dabei anscheinend nicht rücksichtsvoll war etc. Aber sicherlich entspricht ihr « mir reicht's » oder « ich will nicht mehr SO » vielen Menschen. Als ob die Einheit zwischen Körper und den anderen Instanzen im Durcheinander wechselnder Partner verlorengegangen ist.


    Ein mutiges und gut geschriebenes Buch, das ein Tabu bricht und einige interessieren könnte.


    AUTOR :
    Sophie Fontanel wurde 1962 in Paris geboren und lebt als Journalistin und Romanautorin in Paris. Sie arbeitet vor allem für große Frauenmagazine, so auch den Cosmopolitan. Bekannt wurde sie durch ihre populäre Lifestyle-Kolumne »Fonelle« in der ELLE. Sie schrieb mehrere erfolgreiche Romane. 1995 erschien ihr erster Roman. Bei Kailash erschien von ihr »Reifezeit«.
    (siehe auch : http://www.letemps.ch/rw/Le_Te…hie_fontanel--469x239.jpg )


    Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
    Verlag: Kailash (27. August 2012)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3424630578
    ISBN-13: 978-3424630572

  • Und noch die Verlinkung zum französischen Original:


    L'envie
    Verlag: Robert Laffont (18. August 2011)
    Sprache: Französisch
    ISBN-10: 2221126955
    ISBN-13: 978-2221126950