Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)
England 1867. Die junge Eliza Caine fährt in die englische Grafschaft Norfolk, um eine Stellung als Gouvernante anzutreten. Als sie an einem nebeligen Novemberabend müde und durchgefroren die Empfangshalle von Gaudlin Hall betritt, wird sie von ihren beiden Schützlingen Isabella und Eustace freudig begrüßt. Zu ihrer Überraschung stellt sie fest, dass außer den beiden Kindern niemand in dem alten viktorianischen Anwesen lebt – bis sie erkennen muss, dass sie dennoch nicht alleine sind. Etwas verfolgt sie und trachtet ihnen nach dem Leben. Eliza muss längst begrabene, tödliche Geheimnisse enträtseln, wenn sie nicht selbst den düsteren Mauern von Gaudlin Hall zum Opfer fallen will.
Autor (Quelle: amazon)
John Boyne wurde 1971 in Dublin, Irland, geboren, wo er auch heute lebt. Er studierte Englische Literatur und Kreatives Schreiben und bekam bereits als Student erste Auszeichnungen. Nach zahlreichen Kurzgeschichten hat er inzwischen sieben Romane geschrieben, von denen bisher drei auf Deutsch veröffentlicht wurden. Sein 2006 erschienener und bereit kurz darauf erfolgreich verfilmter Roman >Der Junge im gestreiften Pyjama< wurde in über 40 Sprachen übersetzt, mit zahlreichen nationalen wie internationalen Auszeichnungen und Preisen geehrt und hat weltweit über fünf Millionen Leser gefunden.
Allgemeines
Originaltitel: This house is haunted (2013)
Deutsche Ausgabe: ET 6.Oktober 2014, Piper Paperback, 336 Seiten
übersetzt von Sonja Finck
Ich-Erzählung der Protagonistin Eliza Caine in 26 Kapiteln
Handlungsorte/-zeit: London und Norfolk im Jahr 1867/1868
Zum Inhalt
Nachdem die junge Lehrerin Eliza Caine ihren Vater verloren hat, gibt sie ihre Stellung an einer Londoner Mädchenschule auf und tritt auf Gaudlin Hall (Norfolk) die Stelle einer Gouvernante für die Kinder des Hauses an. Zu ihrer großen Verwunderung wird sie von ihren zukünftigen Schützlingen, der zwölfjährigen Isabella und dem achtjährigen Eustace, empfangen, die Eltern der Kinder treten nicht in Erscheinung. Der einzige anwesende Erwachsene, das griesgrämige Faktotum Heckling, verweist Eliza an den im nahegelegenen Dorf ansässigen Anwalt Mr Raisin, der die finanziellen Angelegenheiten von Gaudlin Hall regelt. Eliza geschehen merkwürdige Missgeschicke, manchmal fühlt sie sich geradezu von einer namenlosen "Präsenz" bedroht. Im Dorf begegnet man ihr reserviert, nur durch ihre extreme Hartnäckigkeit gelingt es ihr, in Erfahrung zu bringen, dass es im Laufe des letzten Jahres insgesamt sechs Gouvernanten gab, vier davon kamen unter tragischen Umständen zu Tode, ihre direkte Vorgängerin hat ihren Posten Hals über Kopf verlassen.
Eliza, die inzwischen zu den Kindern, besonders dem kleinen Eustace, eine große Zuneigung gefasst hat, will trotz aller widrigen Umstände nicht aufgeben und den Kindern Wärme und Stabilität geben. Wie sie bei ihren Recherchen feststellt, besteht die größte Herausforderung zunächst einmal darin, überhaupt am Leben zu bleiben, denn sie hat es mit einem wahrlich übermenschlichen Gegner zu tun...
Beurteilung
Übersinnliches im Allgemeinen und Geistererscheinungen im Besonderen fallen normalerweise überhaupt nicht in mein Beuteschema, aber wenn sie von John Boyne geschrieben wurden, mache ich eine Ausnahme...
Die Handlung von "This house is haunted" beginnt relativ gemächlich, der Leser lernt die 21-jährige Eliza Caine kennen, die mit ihrem verwitweten Vater, einem Entomologen am British Museum, einträchtig zusammenlebt. Die beiden führen ein ruhiges Leben, in dem der gelegentliche Besuch von Lesungen ein besonderes Vergnügen darstellt. Als Mr Caine infolge einer Lungenentzündung - er geriet auf dem Weg zu einer Lesung von Charles Dickens in ein Unwetter - stirbt, möchte die trauernde Eliza an einem anderen Ort ein neues Leben beginnen.
Von ihrer Ankunft in Norfolk bis zum fulminanten Finale steigt die Spannung stetig an. Eliza ist ein interessanter Charakter, dem sich der Leser schnell verbunden fühlt. Nach ihrer eigenen Einschätzung hat sie kaum Aussicht auf eine Heirat, da sie weder hübsch noch wohlhabend ist, der Grund könnte aber auch in ihrer direkten, manchmal sehr zeituntypisch respektlosen Art liegen. Sie ist ein mitfühlender und warmer Mensch, verfolgt aber sehr forsch und entschlossen ihre Ziele und eckt dabei in der viktorianischen Gesellschaft an.
Der Erzählstil fängt wunderbar die Sprache und Atmosphäre des Viktorianischen Zeitalters ein und erinnert stark an die Literatur des 19.Jahrhunderts, der Kontrast zwischen dieser gepflegten Sprache und dem manchmal damit kontrastierenden burschikosen Auftreten der Protagonistin ist amüsant.
Der Brückenschlag zur Literatur des 19.Jahrhunderts findet sich auch in der Darstellung der Lesung von Charles Dickens, bei der dieser aus seinen Geistergeschichten liest und damit einige sensiblere Zuhörer, nicht aber die robuste Eliza, verschreckt.
Die Handlung dieses Romans ist natürlich nicht "glaubwürdig", wie man es von anderen Büchern des Autors kennt. Wer sich aber auf die hier geschilderte Geisterwelt einlassen kann, hat eine spannende Lektüre vor sich, die auch von der sprachlichen Seite betrachtet ein Genuss ist.
Fazit
Ich vergebe eine uneingeschränkte Leseempfehlung für Freunde englischer Literatur des 19.Jahrhunderts sowie für Leser, die John Boyne schätzen - sogar dann, wenn sie kein besonderes Faible für Geistergeschichten haben.