Roman Rausch - Die letzte Jüdin von Würzburg

  • 1349 lebt die junge Jüdin Jaelle behütet von ihrem streng gläubigen Vater in Straßburg und wird von ihm traditionell erzogen. An ihrem 17. Geburtstag jedoch wird die jüdische Gemeinde vom Mob überfallen, denn ihnen wird der Ausbruch der Pest zur Last gelegt. Viele Juden werden getötet, auch ihren Vater hat es böse erwischt, aber Jaelle kann entkommen und flüchtet auf ihres Vaters Rat hin nach Würzburg, wo die Juden unter dem persönlichen Schutz des Bischofs stehen und auch noch Verwandtschaft ihrer Familie leben soll. Um sich das Leben zu erleichtern, verkleidet sich Jaelle als junger Mann, sucht sich den Namen Johann aus und gibt sich als Christ aus. Der Rabbi bedient sich ihrer als Spion, doch Jaelle kommt in eine Zwickmühle, da auch der bischöfliche Berater Michael de Leone, den sie auf ihrer Flucht kennengelernt hat und für
    den sie als Schreiber arbeitet, sie zu diesem Zweck im Judenviertel einsetzen will. Doch auch Würzburg ist plötzlich vor der Judenverfolgung nicht mehr sicher, und schon bald wird es für Jaelle und viele andere sehr gefährlich.


    Roman Rausch hat mit seinem Buch „Die letzte Jüdin von Würzburg“ einen wunderbaren historischen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist schön flüssig und einfühlsam, der Leser wird bereits von der ersten Seite an eingefangen und die Handlung katapultiert. Der Spannungsbogen zieht sich gleichmäßig durch die Geschichte und hält bis zum Ende an. Die Hintergrundinformationen zur Judenverfolgung der damaligen Zeit wurden vom Autor hervorragend recherchiert und in seine Geschichte eingewebt, wodurch die fiktive Handlung des Romans sehr authentisch wirkt. Die Protagonisten sind sehr detailliert und schön gezeichnet. Vor allem Jaelle schleicht sich von Beginn an in das Herz des Lesers, ist sie doch von jetzt auf gleich auf sich allein gestellt und stellt sich mutig allem Neuen entgegen. Gleichzeitig ist sie clever und geschickt, was ihr so manches Mal zugute kommt. Als Leser verfolgt man sie auf Schritt und Tritt und hofft, bangt und freut sich mit ihr. Die Judenverfolgung in der damaligen Zeit wird realistisch dargestellt und zeigt die damaligen Verhältnisse sehr gut auf. Es geht um Intrigen, Liebe, Heimat und Zugehörigkeit, aber auch Grausamkeit und Tod haben ihren Platz.


    Roman Rausch erzählt nicht nur eine Geschichte mit realem Hintergrund, sondern gibt dem Leser immer wieder mit kurzen Einschüben historisches Wissen an die Hand, um dem weiteren Verlauf gut folgen zu können und mehr Geschichtliches zu erfahren.


    Für alle historisch interessierten Leser, die auch einer spannenden Geschichte nicht abgeneigt sind, ist dieses Buch ein absolutes MUSS!! Ein hervorragender Roman, der zu fesseln und zu begeistern weiß. Absolute Leseempfehlung!


    Verdiente :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: !!!

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Handlung


    Dieser historische Roman erzählt die Geschichte der fiktiven Jaelle, Tochter des Jitzak aus Straßburg. Er setzt ein im Jahr 1349 in der Nacht des Progroms, als die Juden aus Straßburg vertrieben und umgebracht wurden. Jaelle gelingt die Flucht. Ihr Vater hat ihr aufgetragen, sich nach Würzburg zu begeben, weil dort Verwandte von Jaelle leben. Da das Reisen für eine junge jüdische Frau zu gefährlich ist, verkleidet sich Jaelle als Mann, nennt sich Johan und gibt vor, Christ zu sein. Auf der Reise begegnet sie dem Michael de Leone aus Würzburg, der als zweiter Mann des Bischofs eine sehr wichtige Machtposition innehat. Er kümmert sich nebenbei noch um die Bearbeitung und Abschrift literarischer Texte und sucht dringend nach einem Schreiber. Da Jaelle/Johan des Schreibens mächtig ist, biete er ihm eine Stelle in seiner Schreibstube am Neumünster an.


    Jaelle begibt sich ins Judenviertel, um nach ihren Verwandten zu suchen. Sie findet Unterschlupf bei Rabbi Moshe, der beunruhigt ist, weil sich auch in Würzburg Unmut gegen Juden breitmacht. In Würzburg herrscht die besondere Situation, dass die jüdische Gemeinde unter dem Schutz des Bischofs steht und Moshe sieht die Möglichkeit, Jaelle als Schreiber Johan bei Michael de Leone als Spion einzuschleusen.


    Die Pest steht als Bedrohung im Land, so wird Juden zur Last gelegt, sie würden Brunnen vergiften. Ebenfalls für Frost, der die Ernte zu vernichten droht, werden sie zur Rechenschaft gezogen. Die Lage spitzt sich zu und Jaelle gerät zwischen die Fronten.



    Meine Meinung


    Dieser Roman zeigt auf sehr anschauliche Art, wie die politische und gesellschaftliche Situation der jüdischen Gemeinden zunehmend schwieriger wird. Leider kennen wir das Ergebnis aus der Geschichte, was diesem Buch eine gewisse düstere Stimmung auferlegt.


    Ich konnte dem aufregenden Leben von Jaelle, das sie als Spionin führte, gut folgen. Leider habe ich so meine Probleme mit Frauen-in-Hosen Romanen. So fand ich es noch schlüssig, dass Jaelle sich für die Reise als Mann verkleidet hat. Dass Rabbi Moshe die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen konnte, sie als Spion ins Machtzentrum Würzburgs einzuschleusen, ist ein interessanter Schachzug. Dennoch fand ich es etwas unwahrscheinlich, dass Johan, als Auswärtiger, gleich jedermanns Vertrauen gewann.


    Michael de Leone ist eine sehr interessante historisch verbürgte Person, er hat so was wie die Tätigkeit eines Literaturförderers oder Verlegers ausgeübt und hatte eine sehr widersprüchliche Haltung in seinem Verhältnis zu den Juden. Im Buch wird das sehr gut herausgearbeitet, weshalb das so war, würde jetzt aber zuviel verraten.


    Leider ist mir die Hauptfigur Jaelle/Johan nicht so wirklich vor meinem inneren Auge zum Leben erwacht. Ich hätte mir etwas mehr Beschreibungen ihres Aussehens und ihrer Gefühle und Stimmungen gewünscht da ich mich gefühlsmäßig nicht wirklich in sie hinein versetzen konnte.


    Sehr gut gefallen hat mir, dass es zwar durchaus einmal zwischen zwei Menschen knistert, es aber doch nicht zu einer ausgewachsenen Liebesgeschichte kommt. Im Mittelpunkt stehen die Wochen, die zum Judenprogrom in Würzburg führten.



    Mein Fazit


    Ein sehr guter historischer Roman, der nicht übermäßig auf die Tränendrüsen drückt und die traurigen Entwicklungen, die zum Mord an den Würzburger Juden führten, sachlich und gut nachvollziehbar, darstellt.
    Von mir eine Leseempfehlung mit :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Ich schlief und träumte, das Leben sei Freude. Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht. Ich handelte und siehe, die Pflicht ist Freude!
    Rabindranath Tagore (1861-1941)


    Lha gyal lo - Free Tibet!

    Wir sind grüüüüüün!!!!

  • Leider habe ich so meine Probleme mit Frauen-in-Hosen Romanen.


    Dieses Problem habe ich auch und ich mache seit einigen Jahren einen Bogen um solche Bücher, es sei denn, die Frau in Hosen ist historisch verbürgt wie der Fall Ilsabe Bunk in "Schandweib".

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    (Francis Bacon)
    :study:
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  • Danke für die Rezensionen. Mich interessiert dieses Thema sehr, und ich setzet diese Buch sehr gerne auf meine Wunschliste.

  • Von der Thematik hat mich dieser historische Roman sofort interessiert. Der Autor, Roman Rausch, wurde mir schon von verschiedenen Seiten wegen seiner gut recherchierten Romane wärmstens ans Herz gelegt. Um so mehr freute ich mich, als ich seinen neuen Roman endlich vor mir liegen hatte. Zwar geht es auch in diesem um eine Frau, die aus der Not heraus in Männerkleidung schlüpfen muss, trotzdem ist „Die letzte Jüdin von Würzburg“ keiner der Romane, in denen die Historie lediglich als Kulisse für moderne Gedanken dient. Roman Rauschs Roman verdient zu Recht die Bezeichnung historisch. Das gilt sowohl für die Handlung als auch für die Handelnden. Er hält, analog den Gemälden der alten Meister, historisches Geschehen im geschriebenen Wort fest und lässt es vor dem Auge des Lesers wieder aufleben. Dabei geht es dem Autor nicht nur um Schilderung der Ereignisse selbst, er geht auch auf die Ursachen der Judenpogrome um 1349 ein. Beim Lesen hatte ich oft das Gefühl, Roman Rausch beschreibt Personen, deren Lebensumstände und Erlebnisse, als hätte er sie über eine lange Zeit beobachtet und würde sie persönlich kennen. Er hat die verbürgten Geschehnisse mit Leben erfüllt und authentisch an den Leser weitergegeben. Einen besseren Beweis seiner mit Akribie durchgeführten Recherche kann ein Autor wohl nicht liefern.


    Auch von der sprachlichen Gestaltung hat mir „Die letzte Jüdin von Würzburg“ gut gefallen. Das Buch ließ sich flüssig lesen, hatte einen gut konstruierten Spannungsbogen, war sehr interessant und informativ und hat mich darüber hinaus sehr gut unterhalten. Roman Rausch hat es geschafft, mir ein Stück Geschichte nahe zu bringen und mich diese auch begreifen lassen. Vielleicht auch weil er beiden Seiten, den Juden und den Christen, eine Stimme gab, ihre Ängste beschrieb und als Erzähler neutral blieb.


    „Die letzte Jüdin von Würzburg“ führte mir Ereignisse vor Augen, die mir bislang nicht in dem Maße bekannt waren. Roman Rausch öffnete mir mit seinem Roman auf sehr unterhaltsame Weise ein Fenster in die Geschichte. Und wäre da nicht die Geschichte mit der Frau in Männerkleidung, die bei mir immer ein wenig einen faden Beigeschmack hat, würde ich diesen Roman als totales Highlight feiern und bejubeln. Den an der Geschichte interessierten Lesern empfehle ich ihn trotz meiner ganz persönlichen Animosität gern weiter.