Aurélien Molas - Die elfte Geisel/ La onzieme plaie

  • Autor:
    Aurélien Molas ist Franzose, geboren in Madrid und lebt aktuell in Paris. Er fing als Drehbuchautor an und hat inzwischen schon 2 Romane veröffentlicht. „Die Elfte Geisel“ ist dabei sein Debutroman. Seine Bücher spielen in oder um Frankreich und haben immer auch Gesellschaftskritische Punkte und Beschreibungen, wobei er nichts beschönigt. Beide Bücher zählen zum Thriller-Genre.



    Inhalt:
    3 Polizisten, 2 Verbrechen, 1 Fall. In LeHavre findet der französische Zoll eine Ladung Kinderpornos, der aus Paris angereiste Beamte Alain Broissard beginnt mit den Ermittlungen. In Paris beginnt sein junger Kollege Leo Apolinne, ein Spezialist für Online-Kriminalität, die gefundenen Videos zu analysieren und sucht im Netz nach hinweisen. Die junge Beamtin der Mordkommission Blandine Pothin untersucht derweil den vermeintlichen Selbstmord von 2 jungen Mädchen in der Metro. Sie scheinen sich vor den Zug geworfen zu haben doch Blandine fallen Ungereimtheiten auf und beginnt, gegen den Befehl ihres Vorgesetzt, Kommissar Rilk mit geheimen Ermittlungen.


    Pothin stößt bei Ihren Ermittlungen auf erste Ungereimtheiten und Spuren, scheinbar wurde das ältere Opfer, die junge Studentin Amandine Clerc Opfer von Gewaltverbrechen in ihrer Kindheit. Bei weiteren Nachforschungen entdeckt sie zudem die Leiche der Mutter von Amandine, die sich scheinbar nach dem Tod der Tochter das Leben nahm, und erste Hinweise dass die Familie vor einem Unbekannten Angst hatte. Ihre weiteren Ermittlungen führt sie zu einem Zeitungsartikel über die als Kind mißbrauchte Alice Deloges, ein Artikel der Amandines Mutter offenbar sehr wichtig war.


    Alain Broissard steht derweil vor dem Scherbenhaufen seiner Karriere, der letzte Fall ging in die Hosen und man wirft Ihm und seinem Vorgesetzten Kolbe Manipulation von Beweisen vor, die Dienstaufsicht beginnt mit den Ermittlungen. Broissard taucht unter, will aber vorher noch eine letzte Sache zu Ende bringen, den aktuellen Fall. Zusammen mit einem jungen Polizisten der ihm in LeHavre geholfen hat, geht er der Spur der Schmuggler nach welche die Kinderpornos ins Land gebracht haben. Bald muss er erkennen dass er einem großen Schmugglerring auf der Spur ist, der weite Kreise zieht. Zudem beginnt er einige Aktionen seines Vorgesetzten und Freundes Kolbe langsam mit anderen Augen zu sehen. Und er muss erkennen dass der Fall der ihn droht ins Gefängnis zu bringen auf verzwickte Weise direkt mit diesem Fall zu tun hat.


    Leo entdeckt inzwischen mit der Hilfe der jungen Polizistin Zoe Hamon weitere Details, eine erste Razzia bringt aber keinen Erfolg. Der angebliche Tatort wo die Filme gedreht wurden, wurde scheinbar nachgestellt, zudem gelingt es ihm fast alle Kinder aus den Filmen zu identifizieren. Dabei entdeckt er Spuren die zu einem Fall zurückreichen aus seiner Anfangszeit. Dass die einzelnen Fälle zusammenhängen wird Ihm klar als ihn Blandine Pothin aufsucht, sie hat bei ihren Ermittlungen Schriftstücke gefunden die identisch sind mit denen die bei der Razzia entdeckt wurden. Als sie ihre Ermittlungsergebnisse vergleichen wird beiden Polizisten schnell klar das Alles zusammenhängt, der Tod von Amandine und dem Mädchen, der frühere Fall von Alice Deloges, die neuen Kinderpornos, bald müssen sie zudem erkennen das alles viel weitere Kreise zieht als sie angenommen haben, und es auch persönlich für Sie gefährlich wird.


    Die Frage die sich Leo, Blandine und Broissard, ganz individuell stellen müssen, lautet: Wem kann ich noch trauen?



    Meinung:
    Das Buch greift ein verstörendes Thema auf, Kinderpornografie, diesmal aber nicht durch Filme aus Drittländern sondern Opfer wie Täter befinden sich direkt vor der Haustür. Und zwar keine Einzeltäter sondern ein richtiges Netzwerk. Durchgehend durch das Buch gelingt es Molas ein düsteres Bild zu zeichnen, dass einem als Leser die Beklemmung teilweise körperlich erfüllt. Sowohl was den Fall angeht, die Tragödie der Opfer und der Angehörigen, die Machtlosigkeit der Beamten und ihr verzweifelter Kampf, wie aber auch was die gesamte Stimmung in Frankreich angeht. Molas bindet die dort immer öfter auftauchenden gesellschaftlichen Spannungen, offene Straßenkämpfe, Massenstreiks und Ausschreitungen als Hintergrund mit ein und zeichnet ein sehr realistisches und düsteres Bild Frankreichs, dass durch den vorliegenden Fall noch schwärzer wird.


    Passend das seine Hauptpersonen alle auch nicht die strahlenden Ritter sind wie man sie aus anderen Romanen kennt. Broissard ist ein älterer Polizist der vor langer Zeit Frau und Kind verlassen hat und nur für die Arbeit lebt, dabei vertraut er seinem Freund Kolbe blind und muss erkennen dass er scheinbar nicht immer so sauber gearbeitet hat wie er dachte. Anstatt sich zu stellen taucht er unter und ermittelt auf eigene Faust weiter. Blandine Pothin ist eine junge taffe Polizistin mit einem guten Riecher, die aber auch in einer On/Off Beziehung mit ihrem Partner und Kollegen lebt und erst merkt was sie empfindet als dieser auf tragische Weise schwer verwundet wird und in Lebensgefahr schwebt. Zudem legt sie sich mit ihrem Vorgesetzten an um in einem eigentlich abgeschlossenen Fall zu ermitteln. Leo hingegen ist ein Eigenbrötler der eigentlich zu krank für den Dienst ist, vom Gerichtsmediziner heimlich schwere Medikamente bekommt und nur durch gefälschte medizinische Unterlagen Polizist geworden ist. Zudem muss er sich, nachdem eine Kollegen Broissard und Kolbe suspendiert sind, sich in ein konkurrierendes Team integrieren und Teamarbeit lernen.


    Der Leser ahnt natürlich früh dass die einzelnen Fälle zusammenhängen und ist so den Ermittlern etwas voraus, wobei es bei weitem nicht so ist das der Leser die Lösung des Falles erraten kann. Der Autor bringt spannende Entwicklungen und Wendungen rein so dass man gespannt das nächste Kapitel liest um zu wissen wie es weiter geht. Da man von Beginn an sofort im Geschehen ist, die Verbrechen schon passiert sind, gibt es durchgehend eine spannungsgeladene Atmosphäre. Zum Finale hin spitzt sich dies natürlich extrem zu, als es auch für die Ermittler mehr als nur lebensbedrohlich wird und man immer mehr erfährt und erkennt dass die Kreise dieses Netzwerkes weiter und größer sind als man dachte, selbst bei der Polizei scheint man kaum noch Jemandem trauen zu können und ob die Titelhelden diese bittere Geschichte überleben bleibt lange mehr als zweifelhaft.


    Das Ende ist daher dann auch wieder etwas Spezielles, sicherlich kein klassisches Happy End aber realistisch was die Entwicklung der Charaktere angeht. Zudem werden alle Fragen die im Buch aufgeworfen werden für den Leser zufriedenstellend beantwortet.


    Für Leser von spannenden Thrillern bestens zu empfehlen, allerdings sollte man sich auf tiefe Abgründe einstellen in die man geführt wird, also sicherlich Nichts für Jemanden der schwache Nerven besitzt.