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Heinrich Theodor Fontane (geboren am 30. Dezember 1819 in Neuruppin; gestorben am 20. September 1898 in Berlin) war ein deutscher Schriftsteller und gilt (gemäss Wikipedia) als bedeutendster deutscher Vertreter des poetischen Realismus.
Bekannte Werke von ihm sind u.a. Irrungen Wirrungen und Effi Briest, die man häufig noch in der Schule liest - jedenfalls war das zu meiner Zeit so (vor 20 Jahren) und in den entsprechenden Rezis hier auch von den Usern erwähnt wird. Erwähnenswert ist wohl auch das mehrbändige Werk "Wanderungen durch die Mark Brandenburg", was ich mir schon vor Jahren vorgenommen hatte zu lesen, aber mich bislang doch nicht durchringen konnte. Vielleicht taucht hier im Forum ja mal eine positive Rezension auf, die mich motiviert diesen Klassiker doch noch aufzugreifen.
Die Novelle "Unterm Birnbaum" spielt um 1830 in einem Dorf in Brandenburg und handelt vom Ehepaar Abel und Ursel Hradschek, das hier einen Kramwarenladen und Schenke betreibt. Ursel, ursprünglich von besserer Herkunft, möchte sich gesellschaftlich deutlich von der übrigen Dorfgemeinschaft hervorheben und gibt gerne Geld für teure Kleidung und Möbel aus; Abel ist ein geselliger Wirt, der häufig erfolglos spielt und insgesamt mehr Geld ausgibt als er einnimmt. Die finanzielle Krise wird schlimmer, als der grösste Schuldner auf Bezahlung besteht und einen Mitarbeiter ankündigt, der die ausstehenden Zahlungen kassieren soll. Um nicht Bankrott anzumelden, in die Armut abzurutschen und in dem kleinen Dorf zum Gespött zu werden, fasst das Ehepaar einen Plan: man schafft es, ausreichend Geld aufzutreiben, um den Geldeintreiber (vor Zeugen) zu bezahlen und ermordet ihn in der darauffolgenden Nacht, bevor er damit wieder abreisen kann. Die Leiche wird mehr oder weniger spurlos entsorgt und das plötzliche Verschwinden mit einem Unfall erklärt.
Das kann ich hier ohne Spoiler verraten, weil es sich bei der Erzählung um keinen typischen "Wer-war-es Krimi" handelt, sondern der Leser (ähnlich wie bei den Inspektor Columbo-Filmen) von Beginn an über die Mörder Bescheid weiß und die Geschichte aus deren Sicht erzählt wird. Überhaupt handelt es sich bei der Novelle nur zum Teil um einen Kriminalfall; ebenso wichtig sind die Beschreibungen über die Dorfgemeinschaft, über Glaube und Aberglauben, und den Beziehungen der einzelnen Protagonisten untereinander. Gerade daraus erhält die Geschichte ihren Reiz und ich konnte an vielen Stellen über die neugierige Nachbarin oder den Ladenjungen schmunzeln. Der Mordfall ist eher der Handlungsfaden, um das Dorfleben, deren Bewohner und ihre Motivationen näher zu analysieren.
Die zweite Hälfte der Geschichte handelt dem entsprechend vordergründig von der Aufklärung des Mordfalls, zeigt aber auch das intrigante und abergläubische Miteinander im dörflichen Beziehungsgeflecht. Das Ende ist zudem kaum vorhersehbar und hätte mich als Auflösung des Mordfalls enttäuscht, aber in Anbetracht der vorangegangenen abergläubischen Andeutungen der Nachbarin und der Angestellten, lässt es einen Restzweifel, ob diese Protagonisten nicht doch recht hatten.
Im Ganzen hat mir die Geschichte sehr gut gefallen und sowohl der Mordfall ist schlüssig geplant und durchgeführt, als auch die analytischen Beschreibungen der unterschiedlichen Charaktere sind sehr unterhaltsam beschrieben. Allerdings hatte ich ziemliche Mühe einige Dialoge zu verstehen: Fontane hat konsequent seine Dorfbewohner sich untereinander in Plattdeutsch unterhalten lassen. Das mag ja authentisch sein und kann auch besseren Wortwitz beinhalten, aber leider hat meine Reclamausgabe mit den Übersetzungen ins Hochdeutsche sehr gespart. Manchmal wurden einzelne Wörter am Seitenende übersetzt, aber ich hatte meistens Probleme bei anderen Vokabeln oder gar bei ganzen Sätzen. Daher empfehle ich für Leser, denen es wie mir schwer fällt Plattdeutsch zu verstehen, eine Ausgabe, die einen Anhang mit Übersetzungen oder zusätzlichen Hinweisen enthält (vielleicht kann jemand in diesem Forum eine solche Ausgabe nennen?).
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Verlag: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH
