Roland Düringer, Clemes A. Arvay: Leb wohl, Schlaraffenland

  • Inhaltsangabe:

    Was kostet mich ein Schritt zurück und was bekomme ich dafür? Ist mein verklärter Blick auf das einfache Leben meiner Kindheit nur ein Trugbild, oder ist der Schritt zurück der erste nach vorn, um Anlauf zu nehmen und den großen Graben der verheißungen zu überspringen? Roland Düringer erzählt von seinem Selbstversuch, ein Leben wie früher zu führen und dabei die Zukunft zu gewinnen.


    "Wir hatten kein Auto und waren trotzdem mobil. Wir hatten keinen Fernseher, und trotzdem war mir nicht langweilig. Wir hatten keinen Supermark in unserer Straße und trotzdem hatten wir gut und ausreichend zu essen. Wir machten keine Schulden. Wir kauften nur, was wir brauchen und nicht was wir wollten. Wir hatten nur ein Vierteltelefon. Daheim waren wir erreichbar, sonst nicht. Die Gespräche waren kurz und zweckmäßig. Geplaudert haben wir von Angesicht zu Angesicht"


    Über den Autor und weiteren Mitwirkenden:
    Roland Düringer wurde für den Film Hinterholz 8 mit dem österreichischen Filmpreis Goldene Romy als bester österreichischer Schauspieler ausgezeichnet. Seine weiteren Erfolge waren die Filme Muttertag und Poppitz. Neben seinen Auftritten als Kabarettist führt Düringer seit Januar 2013 ein Videotagebuch, in dem er seinen Ausstieg aus den Systemen und die dadurch verursachten Veränderungen dokumentiert.


    Clemens G. Arvay studierte Biologie und Angewandte Pflanzenwissenschaften in Wien und Graz. Als Agrarbiologe und freischaffender Sachbuchautor beschäftigt er sich mit nachhaltigen und sozial verträglichen Formen des Landbaus und der Lebensmittelproduktion. Er unterrichtet ökologische Landwirtschaft an der Fachhochschule Joanneum in Graz. Bisher erschienen von ihm unter anderem die Sachbücher Der große Bio-Schmäh und Friss oder stirb.



    Meine Rezension dazu:


    Es ist ein schwieriges aber auch interessantes Thema, mit dem sich das Buch befasst. Roland Düringer, den wir alle (zumindest die Österreicher sehr gut) als Kabarettisten kennen, berichtet von seinem Ausstieg aus der "modernen Welt" - ein Leben ohne Bankomatkarte, ohne Auto, ohne Handy und Internet bzw. e-mailadresse.


    Ich habe die Videotagebücher nicht verfolgt bzw. noch nicht gesehen, denn ich möchte dies - wenn möglich - nachholen. Vieles hat nämlich das Buch für mich persönlich offen gelassen und manches nur angerissen, wobei ich mir vorstellen kann, dass Düringer da in seinem Videotagebuch mehr darauf eingeht.


    Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich mir etwas mehr Humor erwartet hätte. Das Buch ist wirklich SEHR philosophisch angehaucht, wirkt leider auch oft etwas trocken auf mich. Natürlich ist das Thema kein Leichtes, trotzdem könnte man doch einfach etwas "Schmäh" einfließen lassen. Grundsätzlich war ich aber sehr angetan und sehr viele Zeilen haben mich nachdenklich gemacht. Brauchen wir wirklich alles was wir haben? Und zu welchem Preis? Ist die Schnelligkeit in unserem Leben wirklich so nötig? Was mir auch irgendwie gefehlt hat, war ein Bericht, wie es seiner Familie mit dem Ausstieg gegangen ist? Seiner Frau? Seiner 12jährigen Tochter (hat sie ein Handy? verzichtet sie darauf?)


    Dieses Buch wäre wie geschaffen für eine große Diskussionrunde.


    Weil es mir schwerfällt mehr über das Buch zu schreiben, lasse ich es selbst zu Wort kommen und zitiere einige Ausschnitte, die mich persönlich oft sehr berührt haben:



    "Wer von uns hätte denn ohne Fremdversorgung noch Überlebenschancen? In den früh industrialisierten Ländern sind es sicher sehr wenige."


    "Ich hatte im Laufe meines Lebens so viele Autos, dass ich heute gar nicht mehr weiß, welche das waren. Das ist verrückt, oder? Jedenfalls hatte ich immer EIN Alltagsauto und dieses diente dann, wie bei vielen andern auch, meiner Mobilität. Man steigt ins Auto ein und ist plötzlich mobil. Und dabei verwandelt man sich auch selbst, denn wenn man im Auto sitzt, ist man automatisch ein Autofahrer. Im Auto ist man gewissermaßen kein Mensch mehr, sondern funktioniert ganz anders: Kein Fußgänger würde zum Beispiel einem anderen auf dem Gehweg am Hintern kleben und sagen "Mach weiter, geh schneller." Auf der Autobahn passiert das."


    Zum Thema Handy: "Der kritische Punkt ist, zu erkennen, bis zu welchem Punkt das Gerät uns noch dienst und ab wann wir dem Gerät dienen, das uns zu bestimmten Verhaltensweisen zwingt. Wenn es erst so weit ist, dass du aus dem Haus gehst und auf dem Weg zum Auto merkt "Verdammt, ich habe das Handy vergessen" und dann zurückläufst, um es zu holen, dann weißt du, dass das Handy gewonnen hat. Die meisten Menschen haben ihr Mobiltelefon einfach immer dabei und werden nervös, wenn sie es vergessen haben. Dabei haben wir früher sehr gut ohne dieses Ding gelebt, haben aber im Nachhinein das Gefühl, als würde ohne solche technische Errungenschaften nichts mehr gehen"


    und


    "Es kommt außerdem kaum mehr vor, dass jemand verspätet auftaucht, wenn wir einen Zeit- und Treffpunkt vereinbart haben. Wenn man sich mit jemanden trifft, der mobil nicht erreichbar ist, muss man sich an die Vereinbarungen halten. Man kann nicht eine Viertelstunde davor anrufen "Ich bin gerade noch hier oder dort, ich erledige noch schnell dieses oder jenes". Heutzutage fallen durch das Mobiltelefon auch die Verbindlichkeiten weg. Man weiß ja, dass man jederzeit von unterwegs anrufen kann, wenn man sich verspätet. Es gibt kaum mehr die Notwendigkeit, punktlich zu sein."



    "Weil ich keine e-mai-Adresse mehr besitze, und das auch alle wissen, erhalte ich wieder mehr Briefe. Diese sind teilweise handgeschrieben. Es kommt immer wieder vor, dass sich die Verfasser für ihre Handschrift vorausschauend entschuldigen. .... Wenn du einen handgeschriebenen Brief erhältst, dann siehst du schon, wenn du den Brief vor dir liegen hast, welche Persönlichkeit ihn geschrieben haben könnte."



    "Vielleicht liege ich ganz falsch, aber ich glaube, dass wir in unserer Klimazone - wenn das Schlaraffenland vorbei ist - Tiere essen werden müssen, um zu üerleben. Nur muss man auch den Mut haben, Tiere zu töten. Ich denke, dass der Mensch ein Recht hat, Tiere zu töten, um zu überleben. Aber wir haben kein Recht auf Massentierhaltung oder gar für Tierversuche. Vegan zu leben ist wohl auch eine Form von Luxus. Alle, die heute vegan leben, sind fremdversorgt und sind darauf angewiesen, dass sie im Winter von irgendwoher Lebensmittel bekommen".



    Abschließend würde ich :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: Sterne geben