Arno Surminski – Polninken oder Eine deutsche Liebe

  • Original : Deutsch, 2002


    INHALT :
    Der Autor schildert die Geschichte einer Liebe zwischen zwei jungen Menschen aus "Ost" (DDR) und "West" (BRD), die sich im Jahre 1980 in einem ostpreußischen/polnischen Dorf (in der Heimat Surminskis) begegnen... Eingebunden in die vergangene Geschichte Ostpreußens, der bei Handlungslauf bestehenden Grenzen zwischen Ost- und Westeuropa, DDR und BRD erleben wir auf dem Hintergrund einer tollen Landschaft eine deutsche Liebesgeschichte...


    BEMERKUNGEN :
    Ingo, Baujahr 1952, Beamter, hat noch ein paar freie Tage in diesem warmen Sommer 1980 bevor es mit seiner etwas verwöhnten und sonnenlustigen Freundin Monika zu einem Badeurlaub nach Spanien gehen soll. Er denkt an die Schilderungen seines Freundes von einem in Masuren/Ostpreußen (heutiges Polen) verbrachten Urlaub : ja, da gebe es noch unverfälschte Natur ! Und Seen, aus denen man trinken könne ! Er läßt sich drauf ein und fährt alleine in seinem Käfer aus seiner Heimatstadt Lübeck über die nie reflektierte nahe Grenze in und durch die DDR und bis hin zu diesem Naturparadies, das Masuren war und ist. Dabei dachte er gar nicht groß an die Tatsache, dass seine Eltern als Flüchtlinge aus dieser Ecke stammen : Alter Schnee ! Nicht die Sache seiner Generation. Er hält auf einem Campingplatz bei Angerburg/Wegerzewo. Auf dem Weg und einfach in dieser örtlichen Witterungsaufnahme kommt er gar nicht daran vorbei, sich damit dann doch auseinanderzusetzen : Ja, die Eltern stammen von hier in der Nähe (Polninken liegt circa 25 km entfernt). Was ist wohl der eigene Platz in diesen Verwurzelungen der eigenen Eltern, in ihrer Zugehörigkeit ? Plötzlich erinnert er doch Gesprächsfetzen und Erzählungen und erkennt hier nun einiges wieder, sucht den Zusammenhang.


    So fährt er also doch in das Heimatdorf seiner Eltern, Polninken, wo diese sich noch in den Kriegsjahren getraut hatten. Und stößt auf den deutsch sprechenden Polen Kasimir, der sich zum Führer der kommenden Tage durch das Dorf entwickelt und von der deutschen, russischen und polnischen Zeit erzählen kann. Gleichzeitig entwickelt sich hier nun der weitere Schwerpunkt des Romans : Irene aus Jena, geboren am Tage vor dem Juniaufstand 53, ist mit ihrem Trabi zu Studien im Ort. Sie schriebe eine Arbeit über die « Ausbeutung der Bauern durch die ehemaligen Großherren ». Oder hatte auch sie noch etwas anderes hierhergebracht ? Und es bahnt sich eine ganz zarte Liebesgeschichte an. Ob sie wohl, im Kontext der Teilung Deutschlands, des Kommens aus verschiedenen Welten, eine Zukunft hat ?


    Vielleicht doch nicht so zufällig die Wahl des Jahres 1980 : Olympische Spiele in Moskau, der gerade zurückliegende Papstbesuch in Polen und die beginnenden Streiks in Danzig (letztlich Auslöser der Welle, die Osteuropa umwälzen wird).


    All das wird uns von einem hervorragenden Erzähler geschildert, der sich in Dialogen, wie auch in Naturschilderungen, einer wachsenden Liebe als auch den Schrecken des Krieges und den Nachkriegsfolgen auszeichnet durch eine nie protzige, aber leise, klare Stimme. Dabei benützt er eine moderne Sprache und heutige, nicht einfach altmodische, Sichtweisen auf diese schmerzhaften Realitäten. Eventuell einseitige, zu patriotische Handlungsmuster und Stimmen oder abwertige Urteile legt er eher unsympathischeren oder unbewußt auftretenden Figuren in den Mund.


    Die Auseinandersetzung mit der alten Heimat der Eltern, dem « verlorenen » Masuren übersteigt bei Weitem einen auf- und abrechnenden, kleinlichen Geist, der hier nur nostalgisch das Gute, die Guten sieht, und dort nur das Schlechte, die Üblen. Die Gabe Surminskis besteht sicherlich auch darin, dass er über diesen Dingen steht, und einfach menschliche, humane Fragen und Sachverhalte, Konsequenzen und Leiden aufzeigt. Dies gilt ebenso für die Frage der Teilung Deutschlands. Ein zunächst einfach zutiefst menschliches Drama.


    Aus eigener Erfahrung und gehörten Schilderungen, eingebunden in eine Familie, die sowohl aus Ostpreußen stammt, wie auch unter der deutsch-deutschen Trennung gelitten hat, kann und konnte ich immer wieder nur nicken, wie genau es dem Autor gelingt, hier das Herz der Dinge aufzuzeigen und stimme bei : Ja, so war das ! So wurde das erlebt !


    Aber dieses Buch ist für Leser mit unterschiedlichsten Vorlieben gemacht, es könnte eingeordnet werden als weitausholende Erzählung, Roman, Liebesgeschichte, Romance, historisches Zeitzeugnis, Dokument, historischer Roman. Und mehr.


    Eine beeindruckende Entdeckung, die ich Euch ans Herz lege.


    AUTOR :
    Arno Surminski, geboren am 20. August 1934 in Jäglack bei Drengfurth im Kreis Rastenburg/Ostpreußen als Sohn eines Stellmachers und Chausseekratzers, ist ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Seine Kindheit verbrachte er in Ostpreußen. Nach Kriegsende 1945 und der Deportation seiner Eltern durch die Sowjets blieb er allein in Ostpreußen zurück. Nach Aufenthalten in Lagern wurde er 1947 nach Deutschland ausgewiesen und von einer Familie aus Ostpreußen, die schon 6 Kinder hatte und in Trittau, Schleswig-Holstein gelandet war, aufgenommen.Nach der Volksschule machte er von 1950 bis 1953 eine Lehre in einem Anwaltsbüro. 1957 bis 1960 lebte er als Holzfäller in Kanada, zog dann aber wieder zurück nach Deutschland. 1962 bis 1972 arbeitete er als Angestellter in der Rechtsabteilung einer Hamburger Versicherungsgesellschaft. Seit 1982 ist er neben der schriftstellerischen Arbeit als freier Wirtschafts- und Versicherungsfachjournalist tätig.

    Bekannt wurde Surminski mit zahlreichen Erzählungen und Romanen, die meist von seiner ostpreußischen Heimat und dem Schicksal der Vertriebenen und Flüchtlinge handeln. Er erhielt dafür zahlreiche Literatur preise. Es geht Surminski dabei nicht um Rache, sondern darum, die Erinnerung an jenes Land seiner glücklichen Kindertage zu erhalten. „Es war mir ein besonderes Anliegen, die beiden Generationen zu versöhnen, sie dahin zu bringen, dass sie sich besser verstehen“, so Surminski zum Ostpreußenblatt (30. Oktober 1999).

    Arno Surminski ist Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg.

    Von 2001 bis 2007 war Surminski Ombudsmann des Verbandes der Privaten Krankenversicherungen. Er lebt in Hamburg und hat drei erwachsene Kinder.
    (Quelle : wikipedia.de und http://www.ostpreussen.net/ostpreussen/orte.php?bericht=305 )


    Taschenbuch: 479 Seiten
    Verlag: Ullstein Taschenbuch (1. Oktober 2002)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3548255043
    ISBN-13: 978-3548255040

  • Tom, ich verrate lieber nicht, in welches Genre ich diesen Titel so für mich einordnete - ohne groß darüber nachzudenken. "Die Vogelwelt von Auschwitz" war ja ein großartiger Roman, an den ich mich sehr gern erinnere. Nun kommt auch dieser auf meine Wunschliste. Danke für deine Empfehlung.

  • Auch für mich ein absolutes Muß für die Wunschliste! Danke Tom.

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Nun, Karthause, ich habe da so meine Vermutungen, womit Du den Roman verbindest..., und wie dem auch sei, das gilt auch für Wirbelwind und alle, hier findet eigentlich jeder was Sinnvolles, Informatives, Packendes, Rührendes - je nach Bedarf.


    Ich muss gestehen, dass ich vordem Surminski aus unerfindlichen Gründen in eine Ecke abgestempelt hatte. Nur einer ausdrücklichen Buchempfehlung meines Vaters (dem Ostpreußen...) folgend habe ich den Roman angefangen und war von der ersten Seite an voll überzeugt!

  • Was für ein Buch! Ich habe das Ende noch und noch hinausgezögert, da ich die Personen, die Liebesgeschichte, aber auch diesen Autor nicht verlassen wollte. Zum ersten Male dachte ich: Ha, hier gibt es doch einen würdigen Nachfolger des anderen großen ostpreußischen Schriftstellers, Ernst Wiechert (einige mögen ihn kennen? Es wurde wohl ein Buch hier vorgestellt.). Es herrscht eine Atmosphäre, die man in diesem Gleichgewicht zwischen Erinnerung und Loslassen selten findet. Dazu wollte ich noch ein oder zwei Beispiele posten (ich könnte seitenweise aus diesem Buch zitieren):


    Konfrontation mit der Vergangenheit (S.129):
    ...hier war es anders, hier erschien die Vergangenheit nicht in den Klischees monotoner Reden, hier war sie praktisch da. Er war angekommen, um zu baden und frische Luft zu atmen, aber überall stolperte er über Wegweiser in die Vergangenheit, sprachen die Bäume, antworteten die Pflastersteine, und die verschimmelten Mauern in Großvaters Haus hinderten ihn am Einschlafen.


    Aufforderung des alten Kasimirs an die jungen Leute (S.302-303):
    "...um ein dickes Buch zu schreiben. Einer muß es doch festhalten, wie die Menschen gelebt haben vor fünfzig Jahren oder vor hundert Jahren. Sonst denkt man später, es gab nur große Heldenstücke in jener Zeit, einen alten Kaiser, der hier einmal vorbeigefahren ist in seiner Kutsche, und einen gewissen Hindenburg, der in dieser Gegend eine große Schlacht geschlagen hat, auch jenen Hitler nicht zu vergessen, der ein paar Dörfer weiter gehaust hat in seinem Bunker. Es steht zu wenig in den Büchern über die kleinen Leute, wie sie Schweiß vergossen haben und Blut, wie sie gelebt haben und geliebt, auch wohl geweint und gelacht. (...) Nicht schreiben, wie es sich schön anhört und wie es die Herren genr haben möchten, sondern schreiben, wie die Wahrheit war."


    Aus einem Liebesbrief von Irene an Ingo (S.415):
    Über den Trümmern der Welt wollen wir uns nicht wiederfinden, sondern im Paradies in Masuren. Und überhaupt, warum Trümmer? Wir wollen einfach nur Menschen sein, keine Westdeutschen, keine Ostdeutschen, keine Polen, keine Russen, einfach nur Menschen. Wir wollen auch keine Kommunisten sein, keine Kapitalisten, keine Sozialisten oder Nationalisten, nur einfache Menschen...

Neue Aktionen

Leserunde: Was kostet ein Traum?

Nimm an der Leserunde teil und gewinne eins von sieben Büchern!

Jetzt mitmachen

Endet in 2 Tagen