Brief an den Vater

  • Das ist mir auch aufgefallen:


    Franz Kafka berichtet von den drei Welten :idea:


    1 Welt, in der er als Sklave lebt. und wo es Gesetze gibt, die nur für ihn gelten


    2 Welt, in der der Vater lebt, und unerreichbar ist für ihn


    3 Welt, ganz fern ab vom Vater, wo man das Glück finden kann



    Auch liest man ständig das Wort dein Urteil und deine Verurteilung


    Hier noch ein Zitat:

    Zitat

    So spricht mein Vater über meinen Freund (den er gar nicht kennt) nur deshalb, weil er mein Freund ist.



    Also ich bin der Meinung, dass die Verwandlung nur mit Hilfe des Briefes zu verstehen ist. Denn beides ergänzen sich total. Das eine ist der Brief an den Vater gerichtet, und das andere ist die Erzählung an seine Leser gerichtet, und beide haben den gleichen Inhalt.

  • Hallo!


    Ich bin zutiefst erschüttert darüber, in welchem Klima Kafka aufgewachsen ist. Das Verhalten des Vaters ist für ein robustes Kind schon eine Zumutung, welche Auswirkungen es auf ein labiles Kind hat, ist gar nicht auszudenken.


    Wie Kafka beschreibt, was der Vater von ihm alles verlangt und wie er sich selber benimmt (bei Tisch, gegenüber anderen) wie er Franz und auch die Geschwister in allen Belangen demotiviert und schlecht macht, das ist widerlich!!


    Herzliche Grüße!!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ja, Rosalita, du sagst es :(


    Ich wusste, dass die Beziehung zwischen Franz Kafka und seinem Vater (Hermann hieß er ?) sehr schwierig war. Wir haben da damals (Schule) drüber gesprochen, aber das ... Das verschlägt mir die Sprache!


    Außerdem: Ich habe eigentlich noch nie Briefe gelesen; und sie offenbaren so was Intimes, das erschüttert mich auch sehr. (Momentan frage ich mich, während ich hier vor meinem PC sitze, ob das gut ist, wenn die Nachwelt solche Zeilen lesen kann :-k Geht das nicht zu weit?)


    Nachdenkliche Grüße

  • Zitat

    Original von Heidi Hof


    Momentan frage ich mich, während ich hier vor meinem PC sitze, ob das gut ist, wenn die Nachwelt solche Zeilen lesen kann :-k Geht das nicht zu weit?)



    Ja, das stimmt, das denk ich mir auch. Vielleicht war das auch der Grund, warum Kafka seine Werke eigentlich nicht veröffentlicht haben wollte und auch diesen Brief nie abgeschickt hat. Ich glaube, Schreiben war für ihn eine Therapie. Reden konnte er nicht bzw. hatte er wohl keinen adäquaten Ansprechpartner, er selber sagt ja auch, sobald er nur in der Nähe des Vaters ist bzw. ihn irgendetwas an den Vater erinnert, verschlägt es ihm die Sprache, fehlen ihm die Worte.


    Wenn der Vater nur halb so viel über sich und die Situation reflektiert hätte wie sein Sohn, hätte die Angelegenheit wohl einen ganz anderen Ausgang genommen. :-k


    Ich bin mir jetzt gar nicht so klar darüber, wie ich diesen "Brief an den Vater" einschätzen soll. Einerseits ist es eine eindeutige Schuldzuweisung, d.h. der Vater ist schuld, dass Franz so geworden ist, wie er ist. Andererseits versucht Franz doch bei jeder Gelegenheit, den Vater zu entlasten ("du hättest gar nicht anders können", "kein Wunder, dass du so reagiert hast, waren doch wir Kinder...."), dh. er versucht, die Schuld auch auf sich zu nehmen. :-k


    Objektiv und mit den Erkenntnissen der Jetztzeit gesehen, ist eindeutig der Vater mit seinen Erziehungsmethoden und seiner Vorbildwirkung schuld an dem Drama, keine Frage und ich komme immer mehr zu dem Schluss, dass der Vater die "kranke" Person war, und nicht Franz Kafka. :idea:


    Außerdem möchte ich noch erwähnen, wie beeindruckend Kafkas Sprache, Stil und Formulierungen für mich sind. Er ist wirklich ein Meister der Sprache!! :thumleft:


    Ebenso von mir recht nachdenkliche Grüße!!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


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  • Rosalita schreibt:

    Zitat

    Objektiv und mit den Erkenntnissen der Jetztzeit gesehen, ist eindeutig der Vater mit seinen Erziehungsmethoden und seiner Vorbildwirkung schuld an dem Drama, keine Frage und ich komme immer mehr zu dem Schluss, dass der Vater die "kranke" Person war, und nicht Franz Kafka


    Ohne weitergehende Literatur ist eine solche Einschätzung sehr schwer zu machen; deshalb möchte ich auf folgende Seite hinweisen welche den Biref an den Vater ausleuchtet:


    http://www.germanistik.uni-fre…seminare/kafka/lilien.htm


    :wink: Okay korrigiert, sollte nun funktionieren.
    Gruss
    Serjena

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Danke für den Link, serjena, diesmal hats geklappt :D


    Das ist eine sehr schöne und aufschlussreiche Erläuterung (wenn auch furchtbar schwierig zu lesen - ich mag Bildschirmlesen von so langen Texten gar nicht recht :cry: , ich hoffe, ich habe alles so halbwegs mitbekommen).


    Es stimmt, der Brief beleuchtet natürlich nur eine Seite, es wäre sehr interessant, was der Vater zu sagen hätte.


    Klar, dass wohl Franz nicht der Sohn ist, den sich der Vater vorgestellt hat (der "sein" Geschäft übernimmt, eine Familie gründet, der tüchtig, stark, usw. ist) und verständlich wohl auch die Enttäuschung des Vaters darüber.


    Es stimmt natürlich auch, dass der Brief rhetorisch lupenrein ist, "advokatisch", wie Ralph Lilienthal in der Abhandlung schreibt. Man ergreift sofort Partei für Franz Kafka. Das macht wohl auch die
    Erzählkunst Kafkas aus.


    Interessant auch, dass Kafka sich selber als miserablen Schüler bezeichnet, Mitschüler und Lehrer ihn aber als "Musterschüler" bezeichnen. Und immerhin hat er ja auch ein Jus-Studium absolviert.


    Sei's wie's sei, ein Problem hatten die beiden wohl, ob's eine Lösung gegeben hätte? - Keiner weiß. :roll::roll:


    Ich freue mich jetzt schon auf die "Strafkolonie", habe viel über Kafka gelernt und entdeckt und werde mich anschließend wieder "erfreulicheren" Dingen zuwenden. :lol:


    Liebe Grüße!!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
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  • Danke serjena, diese Arbeit war sehr aufschlussreich :idea:


    Bei meinem Exemplar "Brief an den Vater" existiert noch ein Nachwort von Max Brod. Habt Ihr das auch?
    Ansonsten könnte ich einige Stellen hier hinein kopieren.


    Ja, nach der Lektüre von diesem Brief, steht der Leser augenscheinlich ganz auf der Seite von Franz. Allerdings würde auch mich eine Stellungsnahme von Hermann interessieren.
    Für mich bleibt aber auch die Stimmung bestehen, dass Franz Kafka ein Kranker-Schreiber war, krank im Sinne von Leiden/Qual und Kummer. Er hat mich damals zu tode getrübt, und schafft es immer noch :(


    (Zum Glück lese ich Bronte nebenbei, sie erhellt das Düster :loool: )

  • Ich habe zwar auch ein Nachwort in meiner Ausgabe (Reclam), alledings nicht von Max Brod. Es steht kein Name dabei, möglicherweie von einem Michael Müller, der Herausgeber des Büchleins ist).


    In diesem Nachwort steht, zusammengefasst, ungefähr das, was schon in "Serjenas Link" zu lesen war. Es wird ebenfalls davor gewarnt, den "Brief an den Vater" 1:1 auf Kafkas Werke zu übertragen bzw. wird auch darauf hingewiesen, dass es ein Brief mit "allen advokatischen Kniffen" ist, sehr "konstruiert" ist. Hier wird vor allem Kafkas "Lebensangst" angeführt, um das Scheitern in jeglicher Beziehung zu erklären.


    Liebe Grüße!!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
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