Jan-Philipp Sendker - Das Flüstern der Schatten

  • Über den Autor:
    Der Journalist Jan-Philipp Sendker, geboren 1960 in Hamburg, war von 1990- 1995 Amerika- und von 1995 - 1999 Asienkorrespondent der Zeitschrift Stern, für die er heute als freier Autor arbeitet. Mit seinem Roman "Herzehören" gelang ihm ein grosser Publikumserfolg. Im Heyne Verlag ist auch die Fortsetzung von "Das Flüstern der Schatten" - "Drachenspiele" erschienen. Sendker lebt mit seiner Familie in Potsdam


    Klappentext:
    Eine Insel vor Hongkong. Hier versucht der Journalist Paul, über den Tod seines mit acht Jahren verstorbenen Sohnes hinwegzukommen. Als sein einziger Freund, Kommissar Zhang, einen offiziell für gelöst erklärten Mordfall aufrollt, lässt sich Paul widerstrebend in den ungleichen Kampf gegen die chinesische Obrigkeit hineinziehen. Im Angesicht extremer Gefahr öffnet sich ihm ein Pfad zurück ins Leben


    Meine Meinung:
    Das Buch bietet eine gute Mischung aus Spannung, Romantik und Geschichte. Es beginnt damit, dass das einsame Leben von Paul Leibowitz sowie Rückblicke über seine Vergangenheit erzählt werden. Man erfährt wie sein Sohn gestorben ist, wie es zur Trennung mit seiner Exfrau gekommen ist und wie Paul momentan lebt. Durch seine Freundschaft zu einem Mordkommissar wird Paul mehr und mehr in einen Kriminalfall hineingezogen. Der Leser erlebt wie Paul am Anfang viele Kämpfe mit sich selbst ausfechten muss, wie er sich immer und immer wieder überwinden muss und wie er schlussendlich wieder richtig zu leben anfängt.


    Die einzelnen Kapitel sind immer aus der Sicht eines anderen Protagonisten geschrieben, das macht es für den Leser noch interessanter, zumal man so die verschiedenen Ereignisse aus verschiedenen Blickwinkel betrachten kann. Dies wurde vom Autor aber so geschickt gehandhabt, dass man trotzdem keine langweiligen Wiederholungen lesen muss. Es bleibt für den Leser interessant und man erfährt so nebenbei immer auch etwas über die einzelnen Hauptfiguren und über deren Vergangenheit. Dies macht die einzelnen Charaktere auch so authentisch und glaubwürdig und es glingt einem gut, sich in die einzelnen Protagonisten hineinzuversetzen.


    Das Buch wird gegen Ende immer spannender und entwickelt sich schon fast zu einem Krimi. Auch wenn dem Leser schon bald klar ist, wer der wahre Mörder ist, bleibt die Geschichte spannend, denn es scheint fast unmöglich, den richtigen Täter zu belangen.


    Nebst der spannenden Geschichte rund um die Ermittlungen zu dem Mord erfährt man nebenbei auch viel über China und Hongkong, über die Traditionen und die Geschichte dieser Länder. Dies hat mich besonders fasziniert, da mir beide Länder und vor allem auch deren Kulturen fremd sind und ich nur wenig darüber weiss.


    Das Buch handelt von Vertrauen, Freundschaft und Liebe aber auch von Korruption, Mord, Verrat und Revolution. Es hat mir grosses Vergnügen bereitet, die Geschichte zu lesen und ich verteile dem Buch :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    :study:: Clara und die Granny-Nannys - Tania Krätschmar

    :musik:: Mr. Loverman - Bernadine Evaristo


  • Paul kommt nicht über den Tod seines 8-jährigen Sohnes hinweg.
    Unfähig, sich auf andere Menschen einzulassen, boykottiert er selbst eine gerade beginnende Liebesgeschichte.
    Was heißt es, einem anderen Menschen zu vertrauen? Ist absolutes Vertrauen überhaupt möglich, und ist es zu reparieren, wenn es enttäuscht wird?
    Ein junger Amerikaner, der angefangen hat, mit chinesischen Partnern Handelsbeziehungen einzugehen, wird ermordet aufgefunden.
    Ein Täter scheint schnell gefasst; ebenso schnell hat man sein Geständnis, und sein Prozess mit dem Todesurteil am Ende ist nur eine Frage von Tagen.
    Die chinesische Grenzregion zu Hongkong wächst rasend, zum Nachteil der Lebensqualität ihrer Bewohner.
    Wanderarbeiter schuften von morgens bis abends ohne Rechte, ohne Absicherung bei Unfällen, ohne angemessene Bezahlung, ohne Renten, ohne Freizeit, leben zu mehreren in winzigen Zimmern und schicken ihren Lohn in ihre Heimatdörfer.
    Eine wenige Chinesen werden sehr schnell sehr sehr reich.
    Die Kulturrevolution hat ihre Kinder traumatisiert.
    Die oberen Etagen von Polizei, Verwaltung und Management sind korrupt und handeln gewissenlos.


    Diese Themen (und vielleicht noch weitere) reißt der Autor in seinem Buch an. Und wie es in solchen Fällen beinah die Regel ist: Er verzettelt sich. Der Krimiermittlung fehlen Stringenz und Spannung, die Liebesgeschichte wird passagenweise erotisch-flach abgehandelt, der Alltag der Arbeiter und Prostituierten bleibt auf der Informationsebene stecken.


    Schade, denn Sendker kann schreiben: Atmosphäre schaffen, Charaktere kreieren, Handlungen entwerfen. Aber: Zu viel kann auch ein Zuviel sein. Auch wenn viel Gutes dabei ist.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)