Anne Ursu: Herz aus Eis/Breadcrumbs

  • Die Autorin:
    Anne Ursu unterrichtet Kreatives Schreiben für Kinder- und Jugendliteratur an der Hameline Universität in Minneapolis. Nebenbei arbeitet sie als Journalistin und hat die erfolgreiche Cronus Chronicles Trilogie geschrieben und zwei Bücher für Erwachsene veröffentlicht. (amazon.de)


    Klappentext:
    Hazel und Jack sind die besten Freunde. Bis Jack eines Tages nicht mehr mit Hazel spricht und mit einer mysteriösen Frau in weiß in den Wald verschwindet. Aber Hazel lässt ihren besten Freund nicht fallen, sondern folgt ihm in das geheimnisvolle Land. Inspiriert von Hans Christian Andersens "Die Schneekönigin" erzählt Anne Ursu von einer Freundschaft, für die es sich zu kämpfen lohnt. Und sie verschweigt nicht, dass man auf dem Weg einiges zurücklassen muss.


    Inhalt:
    Jack und Hazel sind schon immer beste Freunde. Auch wenn sie jetzt in der fünften Klasse sind und es scheinbar nicht mehr geht, dass Mädchen und Jungen miteinander befreundet sind, halten die beiden immer zusammen und habe ihre ganz eigene Welt, zu der nicht jeder Zutritt hat. Hazel und Jack sind beide sehr fantasievoll, und sie stellen sich gern Dinge vor. Beide Kinder haben es nicht ganz leicht zu Hause – Hazels Vater hat die Familie vor einem Jahr verlassen und Jacks Mutter ist depressiv; die Kinder geben einander so viel Halt, wie sie sie nur können.
    Aber das ist gar nicht so einfach, denn Hazels Mutter wünscht sich, dass ihre Tochter mehr mit anderen Mädchen zusammen wäre, und Jacks Schulfreunde können Hazel nicht besonders gut leiden. So kommt eines Tages eins zum Andern: Hazel und Jack streiten sich, was schon ungewöhnlich genug wäre, aber dann bekommt Jack unbemerkt von allen einen winzigen Splitter eines verzauberten Spiegels ins Auge.
    Von jetzt an ist alles anders: Jack fühlt sich plötzlich ganz anders, ihm sind andere Dinge wichtig als zuvor und er weiß nicht, was das alles zu bedeuten hat. Hazel ist nur noch eine unwichtige Person, ein komisches Mädchen, das ihn nicht weiter interessiert. Und als die weiße Hexe auftaucht, die ihm große Versprechungen macht, da scheint es nur logisch, dass er mit ihr mitgeht. Hazel jedoch gibt ihren Freund nicht so schnell auf. Sie weiß, dass es ihre Aufgabe ist, Jack, der von einer Minute zur anderen erst ganz anders ist und dann plötzlich verschwindet, zu suchen und zurückzuholen. Schließlich ist Jack ihr bester Freund. Und wenn ihn jemand aus den Fängen einer Hexe holen kann, dann sie – oder?


    Meine Meinung:
    "Herz aus Eis” ist eine ganz großartige neue Fassung des Märchens “Die Schneekönigin”. Der erste Teil des Romans spielt mit sehr wenigen Ausnahmen in unserer Welt; wir begleiten Hazel und Jack zur Schule, erleben mit ihnen, wie schwierig ihr Alltag ist und wie sehr sie einander brauchen. Nur manchmal bricht die Magie in ihre Welt ein; wenn zum Beispiel ein unheimliches Wesen aus Versehen einen Zauberspiegel zerbricht, der dann wenig später dafür sorgt, dass Jack einen Splitter ins Auge bekommt. Der zweite Teil des Romans spielt in einer Märchenwelt, in der wir unzähligen Figuren begegnen, die wir aus Märchen kennen. Als Hazel auf das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern trifft, fand ich das am schönsten. Aber es gibt auch Bezüge zum “Herrn der Ringe”, “Harry Potter”, “Der goldene Kompass”, den Narnia-Büchern und vielem mehr. Diese Bezüge sind unaufdringlich, sodass sich ein Leser, der alle diese Geschichten nicht kennt, womöglich nicht viel fragen würde, was das soll, aber wenn man auch alle diese anderen tollen Geschichten kennt, macht das Lesen vermutlich noch mehr Spaß.
    Was mir besonders gut gefallen hat, ist, dass Hazel über sich hinauswächst, ohne dass sie es selbst merkt. Was ich auch mochte, war die Tatsache, dass Jack und Hazel kein Liebespaar sind, sondern dass sie einfach die allerbesten Freunde sind. Das macht einen ganz besonderen Zauber der Geschichte aus.
    Sprachlich ist das Buch wirklich schön. Gerade die magische Welt kann man sich wirklich sehr gut vorstellen, und interessanterweise ändert sich hier dann auch der Erzählstil von dem eines Jugendromans zu dem von Märchen. Das hat mir sehr gut gefallen und es spricht für das Konzept dieses Romans, der in sich absolut stimmig ist.
    “Herz aus Eis” ist schön und traurig zugleich. Für mich ist es eine wunderschöne Geschichte über Freundschaft, die mit dem Original absolut mithalten kann und von zwei Kindern erzählt, die nichts auseinanderbringt. Ein Roman, der eine eigene Märchenwelt inmitten uns bekannter fantastischer und realer Welten schafft. Lesenswert.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Danke für die tolle Rezi, Strandläuferin. Das Buch landet sofort auf meiner Wunschliste. Ich liebe Andersens Märchen und diese neue Fassung klingt wunderbar. :applause:

    Vielen Dank. :friends: Sie ist wirklich schön. Vor allem hat mir hier wirklich auch gefallen, wie viele andere Märchen und Geschichten hier Erwähnung finden. Es ist irgendwie so, als ob sich aus unzähligen Geschichten diese eine neue ergibt. Richtig schön. Was das angeht, aber wirklich nur in dem Bereich, hat es ein bisschen was von "The Book of Lost Things".

  • „Herz aus Eis“ gliedert sich in zwei Teile, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die erste Hälfte des Buches ist sehr bodenständig. Der Leser lernt hier die beiden Hauptfiguren Hazel und Jack kennen, wird mit ihren Lebensumständen vertraut gemacht und bekommt vor allem zu spüren, was für eine besondere Freundschaft es ist, die die beiden verbindet. Aber man erfährt auch, wie schwer es die beiden haben. Und dass sie sich deshalb oft in Fantasiegeschichten flüchten, in denen sie zum Beispiel Superhelden mit Superkräften sind. Einige Probleme, die das Erwachsenwerden mit sich bringt, werden angesprochen und ganz geschickt in die Handlung integriert. Zum Beispiel das Gefühl, von den Klassenkameraden nicht akzeptiert zu werden. Oder das Gefühl, von den Eltern nicht verstanden zu werden. Und ganz besonders die Angst, alleine zu sein.


    Mich hat dieser erste Teil des Buches total verzaubert. Ich war von der ersten Seite an in dem Buch und der Geschichte gefangen und habe jedes einzelne Wort förmlich aufgesogen. Der Schreibstil von Anne Ursu eignet sich sowohl für jüngere als auch für ältere Leser, denn er ist nicht besonders anspruchsvoll, aber trotzdem einfach nur schön und besonders. Anne Ursu holt ihre Leser ab und nimmt sie mit auf eine ganz besondere Reise. Die Atmosphäre des Buches könnte nicht besser zur aktuellen Jahreszeit passen. Es liegt eine besondere Stimmung über dem Buch, die sich gar nicht richtig in Worte fassen lässt.


    Und ganz besonders fasziniert haben mich die Charaktere in diesem ersten Teil. Jeder von ihnen, selbst die kleinste Nebenfigur, wird so anschaulich mit seinen Macken und Eigenheiten beschrieben, dass man meint, ihn schon ewig zu kennen. Jede Figur bekommt ein Gesicht und es fällt nicht schwer, sich die Handlung aufgrund der Beschreibungen der Autorin bildlich vorzustellen. Während des Lesens lief durchweg ein Film vor meinem geistigen Auge, der das Gelesene in anschauliche Bilder umgesetzt hat.


    So bodenständig der erste Teil des Buches auch ist, umso fantastischer ist dessen zweiter Teil. Mit Betreten des verschneiten Waldes ändert sich die Stimmung total und wird von einer Seite zur anderen mystisch und fantasievoll. Hazel trifft auf ihrer Reise durch den Wald auf allerlei menschliche und tierische Charaktere, die ihr nicht alle etwas Gutes wollen. Einige von ihnen weisen Hazel den rechten Weg, andere wiederum versuchen, sie aufzuhalten. Und allen gemein ist, dass sie Hazel davon abraten, die Weiße Königin zu suchen. Und immer wieder muss sie sich die Frage stellen lassen, ob sie sich den auch ganz sicher ist, dass Jack zurückkommen möchte. Aber da ist sich Hazel ganz sicher, schließlich ist er doch ihr bester Freund.


    Leider hat meine Begeisterung für das Buch mit diesem zweiten Teil etwas nachgelassen. Während die Autorin im ersten Teil so viel Zeit und Liebe in die Handlung und die Charaktere investiert hat, wirkt die Handlung im zweiten Teil viel zu übereilt. Hazel hastet durch den Wald, trifft auf Mensch, trifft auf Tier, trifft auf Mensch, gerät in Gefahr, befreit sich aus ihr, hastet weiter. Es bleibt keine Zeit für Beschreibungen, die neu eingeführten Figuren bleiben alle blass, weil man sie als Leser viel zu schnell wieder verlässt, um sie richtig kennenzulernen. Es scheint, als hätte die Autorin zu viele Ideen für diesen zweiten Teil gehabt, von denen sie keine weglassen wollte, sodass sie alle zu gedrungen umgesetzt wurden. Und darunter leidet auch der Schreibstil, der es in diesem zweiten Teil nicht mehr geschafft hat, mich mit jedem Wort zu begeistern. Das Buch wirkt jetzt zu hektisch, als dass ich noch Freude an den Wörtern und Sätzen empfinden könnte.


    Auch das Ende kommt viel zu plötzlich. Über so viele Seiten baut sich eine Spannung auf und die Frage, ob Hazel ihren besten Freund zurückgewinnen kann, wird immer drängender. Und dann bekommt man als Leser die Antwort auf diese Frage mit so wenigen Sätzen geliefert. Das ist schade.


    Nichtsdestotrotz hat auch der zweite Teil des Buches seine Stärken, und die liegen in den Anspielungen auf andere fantastische Werke und auch andere Märchen. Wer „Harry Potter“, „Narnia“ oder „Der Herr der Ringe“ gelesen hat, wird die Anspielungen ganz bestimmt erkennen, die aber keinesfalls aufdringlich oder konstruiert wirken, sondern sich perfekt in die Handlung eingliedern.



    Mein Fazit


    Eine moderne Version des Märchens von der Schneekönigin, die mit ihrer ganz besonderen Atmosphäre und ihren liebevollen Charakteren überzeugt.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Als Hazel auf das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern trifft, fand ich das am schönsten.


    Ich fand diese Szene im zweiten Teil des Buches auch am schönsten. Die anderen Figuren, auf die Hazel hier trifft, fand ich doch ein bisschen zu absurd. Wobei der zweite Teil auch jede Menge tragische Figuren enthält.


    Was ich auch mochte, war die Tatsache, dass Jack und Hazel kein Liebespaar sind, sondern dass sie einfach die allerbesten Freunde sind. Das macht einen ganz besonderen Zauber der Geschichte aus.

    Ich glaube, das ist im Original von Hans Christian Andersen auch so und ich bin froh, dass die Autorin das nicht geändert hat.

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


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