• Manchmal sind wahre Geschichten spannender als ein Krimi. Dies ist solch eine wahre Geschichte, die einen nicht mehr loslässt. Sensibilisiert durch hypnotherapeutische Erfahrungen in einem veränderten Bewusstseinszustand entwirrt die Autorin mit detektivischer Sorgfalt ein Geflecht von Unstimmigkeiten und schicksalhaften Verstrickungen, von deren Last und Folgen sie sich endlich befreien kann: sie entdeckt ihre wahre jüdische Herkunft.
    Da sie darüberhinaus Familienkonstellationen durchschaut und Nachkriegsgeschichtliches reflektiert, kann ihre Aufarbeitung der persönlichen Vergangenheit Anregung für viele sein.
    Die Sprache der Autorin ist ein Hochgenuss.


    Rezension


    Als ich das Buch „VorLaut“ geschenkt bekam, begann ich es neugierig zu lesen. Und während des Lesens kam mir immer wieder die Frage: „Warum heißt dieses Buch „VorLaut“? bis zu diesem Zeitpunkt war „vorlaut“ für mich eine unangenehme Eigenschaft, die mir, als ich Kind war, mit Nachdruck ausgetrieben wurde: Man drängt sich nicht in den Vordergrund; Kinder sprechen nur, wenn sie gefragt werden.


    Während des Lesens spürte ich aber, dass „VorLaut“ hier auch etwas ganz anderes meinte. Ich begann zu begreifen, dass Kinder schon ganz früh Sprache verstehen lernen und damit ein Gespür entwickeln, Lebenszusammenhänge zu erfassen. Und weil sie noch nicht fähig sind, aktiv zu sprechen, bleibt ihnen das Gefühl, dass etwas nicht stimmt und dass ihnen etwas verborgen gehalten wird, mit dem sie sich oft viele Jahre im Leben, manche sogar lebenslang, herumplagen.


    Ischtar Sabbathon (der Autorenname ist ein Pseudonym), 1945 in Deutschland geboren, wuchs in einer zusammengewürfelten Familie auf, in der es seit Generationen Tradition war, Themen von Missbrauch und Gewalt in einer intimen Tabukiste verschwinden zu lassen.


    Ischtar hat in den Jahren des Heranwachsens in dieser Familie ein Fremdheitsgefühl. Sie spürt, dass ihr etwas fehlt. Ein ganz merkwürdiges Gefühl spricht zu ihr, dass sie in dieser Familie aufwächst, sich aber als dazugehörig empfindet. Sie ahnt, dass ihr die Lebensumstände ihrer eigenen Herkunft und Geburt bislang verschwiegen wurden:
    Faktoren, die zu ihr gehören und ihre eigene Identität ausmachen.


    Sie geht dieser noch nicht in Sprache zu fassenden Ahnung nach und findet auf ihrer biografischen Spurensuche in dem Geflecht von Unstimmigkeiten und schicksalhaften Verstrickungen schließlich im Rahmen einer hypnotherapeutischen Ausbildung zu ihren Wurzeln.


    Dass diese nun auch noch in der deutsch-jüdischen Vergangenheit liegen, macht das vorliegende Buch zusätzlich zu einem sehr feinfühligen Dokument der nationalsozialistischen Zeitgeschichte, obwohl die Autorin nicht die Absicht hatte, ein weiteres Buch über den Holocaust zu schreiben, sondern einzig und allein Spurensuche betrieb auf dem Weg zu sich selbst.


    Diese Spurensuche, dass Erkennen von Zusammenhängen und das Einfügen der gefunden Bausteine in ihr Lebensmosaik beschreibt die Autorin ohne Sentimentalität und wissenschaftliche Überfrachtung. Stattdessen wird der Leser zunehmend fasziniert und in die tiefgreifenden Erfahrungen der Autorin mit hineingezogen, nicht zuletzt durch ihre sehr sensible, klare und deshalb so packende Sprache.


    Astrid Stecker


    Diese Buch erzählt neben leuchtend Visionärem auch vom Dunkel: Vom Dunkel des Grauens in der deutschen Geschichte. Ischtar hat den Holocaust überlebt, weil eine einfache altgewordene Wirtsfrau ihrer Liebe und ihrer jüdischen Dienstherrschaft treu geblieben ist. Mit ihrem Verständnis von Treue und Wahrhaftigkeit hat sie sich über die Schranken gesellschaftlicher, religiöser, sogenannt moralischer, politischer und rassistischer Normen mutig hinweggesetzt.


    1945 in Deutschland geboren, wuchs Ischtar in einer Patchwork-Familie auf, in der es über Generationen hinweg Tradition war, Themen von Missbrauch und Gewalt in einer intimen Tabu-Kiste verschwinden zu lassen.
    Im hochbrisanten Spannungsfeld zwischen besitzergreifender Liebe und vernichtendem Hass gelingt es der Autorin, den ureigenen und unverwechselbaren Weg ihrer Selbstfindung zu entdecken.