Alice Munro: Der Traum meiner Mutter / The Love Of A Good Woman

  • Die Erzählung "Der Traum meiner Mutter" ist eine von vier Erzählungen, neben "Die Kinder bleiben hier", "Stinkreich" und "Vor dem Wandel". Die titelgebende Erzählung spielt bereits im Erzählauftakt mit der Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit:
    "In der Nacht - oder in der Zeit, in der sie geschlafen hatte - war eine dicke Schicht Schnee gefallen." Nach drei Seiten, die den Alptraum Jills, der Mutter der Ich-Erzählerin wiedergeben, ist klar: Die Alpträumende ist verwirrt, erinnert sich schlagartig daran, dass sie ihr Baby im winterlich verschneiten Garten vergessen hat. Doch das Baby liegt dann - Gottlob - doch in der Hochsommerhitze schlafend in der Wiege. Seine zarte Babyhaut wird aber dennoch mit Schneeglöckchen verglichen. Die Wintermetaphorik wird beibehalten, die Hochsommerhitze erst im nächsten Absatz erwähnt.
    Die Erzählung geht weiter in diesem streiflichtartig nachempfundenen Oszillieren zwischen Traum und Wirklichkeit.
    Mehr soll nicht verraten werden. Da auf Amazon nur eine Anhäufung von nichtssagenden positiven Verlagsanpreisungsfloskeln nachzulesen ist, beschränke ich mich darauf, meine eigenen Leseeindrücke nsatzweise azum Erzählstil wiederzugeben. Letztendlich möchte ich hier keine Kurzfassung dieser Erzählung posten, sondern die eigentümlich beklemmend-erlöste Spannung wie bei einem Krimi nicht zerstören.


    Klappentext im Buchinneren:Die hier vorliegenden Erzählungen erschienen im Original 1998 zusammen mit vier weiteren Erzählungen der Autorin in dem Band "The Love of a Good Woman".


    Über die Autorin


    Alice Munro wird am 11. Juli 1931 in Ontario als Tochter des Silberfuchsfarmers geboren, dessen Frau 1941 an einer seltenen Form von Parkinson erkrankt. Mithife eines Stipendiums beginnt sie ein Journalismusstudium, dass sie jedoch aus Geldmangel abbrechen muss. Sie heiratet und wird Mutter von vier Töchtern. (Die älteste Tochter, Sheila wird später - im Jahre 2002 - ihre Kindheitserinnerungen unter dem Titel "Lives of Mothers and Daughters" veröffentlichen.) Nach der Geburt der zweiten Tochter wird Alice Munro jedoch das frische Mutterglück durch den Tod dieses Kindes zerstört. Drei Jahre vor der Geburt des vierten Kindes zieht das Ehepaar Munro an die kanadische Westküste, wo sie eine Buchhandlung eröffnen, die noch heute besteht.
    1976 schließt Alice Munro eine zweite Ehe mit einem Geographen und zieht mit ihm auf eine Farm. Für ihre meisterhaft geschriebenes, umfangreiches Erzählwerk erhält diese kanadische Schriftstellerin im Alter von 82 Jahren den diesjährigen Nobelpreis für Literatur.

  • Verlagstext

    Alice Munro ist die Meisterin der Ambivalenz. Komik und Tragik, scheinbar Alltägliches und Schicksalhaftes mischen sich in ihren Erzählungen und locken den Leser in ein Reich dunkler Ahnungen. Alice Munro ist die Meisterin der Ambivalenz. Komik und Tragik, scheinbar Alltägliches und Schicksalhaftes oszilliert in ihren Geschichten in immer neuer Intensität, die den Leser nie unberührt lässt. Wie alle Geschichten der Autorin haben auch die vier Erzählungen dieses Bandes eine unheimliche Unterströmung; sie spielen mit der Irritation von Zeitverschiebung und Perspektivwechsel, locken den Leser mit Andeutung und Aussparung in das Reich dunkler Ahnungen. In der Geschichte "In der Nacht" inszeniert Alice Munro mit feinem Gespür für die Spannungen den erbitterten Machtkampf zwischen Säugling und Mutter, der um ein Haar in eine häusliche Katastrophe führt. Ein "literarisches Wunder" nannte die New York Times die Erzählungen der kanadischen Autorin - Geschichten, so komplex wie Romane, Kammerspiele des Gefühls, Geschichten, die wie Idyllen beginnen und sich auf den Abgrund zubewegen.


    Inhalt

    Kindheit und Mutterschaft sind Alice Munros Themen in ihren vier Geschichten des Bandes "Der Traum meiner Mutter". Die Titelgeschichte, erste und längste Erzählung des Bandes, hat mich am stärksten beeindruckt. Jill, eine junge Musikerin, deren Mann im Zweiten Weltkrieg gefallen ist, zieht zu den Schwestern und zur dementen Mutter ihres Mannes. In einem verstörenden Alptraum glaubt sie, sie hätte ihr Baby im Schnee draußen zurückgelassen. Doch es ist Sommer und Jill ist von der Betreuung des anstrengenden Kindes und der Familienkonstellation überfordert. George, der Gefallene, altert in der Vorstellung der Frauen nicht, er bleibt ihr Held, während Jill den Lebensunterhalt für alle verdient und die Tanten die Entscheidungen treffen. Erzählt wird von diesem Kind selbst über ein anstrengendes Baby, das nicht gestillt werden will und sich nur von seiner Tante beruhigen lässt. In "Die Kinder bleiben hier" gibt der Schwiegervater seinem Sohn und der jungen Mutter Pauline seine Vorstellungen von Elternschaft vor. Brians und Paulines Urlaube mit den Eltern sind eine Fortsetzung von Brians Kindheit. Kritik am Großvater darf es nicht geben. Konflikte mit dem Sohn werden in dieser Familie nicht direkt und auf Paulines Kosten ausgetragen, Freiräume, die Pauline sich durch ihr Laientheaterspiel zu verschaffen sucht, vom Ehemann unsensibel zerstört. Pauline erlebt Liebe zu etwas und jemand Unvorsehbarem und opfert dafür ihre Kinder. Karin ("Stinkreich") ist noch ein Kind und wirkt wie Strandgut, das die Trennung ihrer Eltern zurückließ. Karins Mutter geht eine sonderbare Beziehung zu einem Schriftsteller ein, der auf peinliche Art die Mutter vor ihrer Tochter bloßstellt. Am Ende genießt Karin das siegreiche Gefühl, auf sich allein gestellt zu sein. Ihre Mutter muss erkennen, dass das Mädchen nicht mit Geld glücklich zu machen ist. In der letzten Erzählung "Vor dem Wandel" besucht eine erwachsene Tochter ihren Vater, der seit dem frühen Tod ihrer Mutter mit nur einer Assistentin seine Arztpraxis betreibt. Der Vater wirkt erschöpft und scheint mitten in einem früheren Leben steckengeblieben zu sein. Vater und Tochter verschließen jeder ein Geheimnis, das den Weg zueinander blockiert. Wie schon die erste Erzählung wirkt besonders diese letzte durch die gelebten Werte, als lägen die Ereignisse sehr viel länger zurück als nur fünfzig Jahre.


    Fazit

    Alice Munros Erzählungen zeichnen sich dadurch aus, dass die kanadische Autorin Alltagsereignisse, die auf den ersten Blick banal wirken könnten, solange ins passende Licht dreht, bis sie wie ein außergewöhnlicher Edelstein wirken.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Weber - Bannmeilen (Paris)

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Alice Munro: Der Traum meiner Mutter/The Love Of A Good Woman“ zu „Alice Munro: Der Traum meiner Mutter / The Love Of A Good Woman“ geändert.