In der Strafkolonie

  • :shock::shock: Was ist das denn :shock::shock:


    Ich habe die Erzählung jetzt gelesen und werde mal meine ersten Gedanken - völlig ungeordnet - hier niederschreiben.


    - besonders aufgefallen ist mir die völlige Anteilnahmslosigkeit des Reisenden an der Folterung. Diese Teilnahmslosigkeit hatten wir auch schon bei den anderen Erzählungen besprochen. Der Mensch wird hier gar nicht gesehen, und über die Maschine wird gesprochen, als sei sie zum Schuheputzen da.
    Der Reisende - der ja einflussreich ist, bzw. "auf den gehört wird" versucht in keinster Art und Weise die Folterung zu verhindern, er zeigt sich in keinster Weise empört oder betroffen über die Vorgehensweise oder die Art der Verurteilung. Er meint bloß nüchtern "ich bin Gegner des Verfahrens".


    - welcher Staat wird hier gezeigt? Autoritär-totalitär ohne Rechtssystem? Alleine der Grund für die Verurteilung, das Fehlen eines Verhörs, nicht einmal das Urteil wird ausgesprochen?


    - der Offizier, der sich voll und ganz mit diesem Folterungsinstrument identifiziert und dessen einzige Sorge es ist, dass sie möglicherweise verschmutzt wird? Wollte er mit seiner Handlung (als er sich unter die Maschine legte) seiner Begeisterung für das INstrument Ausdruck verleihen und war es einfach purer Zufall bzw. Schicksal, dass die Maschine bei ihm einen Defekt hatte?


    :?::?::?::?::?::?::?::?::?::?::?::?::?::?::?::?::?:

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Hallo zusammen,


    der Schock blieb bei mir aus, weil ich die Erzählung (wie die anderem auch) vor Jahren schon gelesen hatte, allerdings hatte ich nur noch die Maschine und ihre ungefähre Funktion (die Sünde auf den Leib zu schreiben) im Kopf, wahrscheinlich gerade weil die Figur des Reisenden so blutleer ist. Dass der Offizier in ihm einen Verbündeten zu sehen meint, ist aus seiner Sicht verständlich, eben weil er alles nur neutral beobachtet. Es fängt ja schon mit der Bezeichnung "Reisender" an: warum besucht er denn diese Kolonie, warum schaut er sich das Folterinstrument an?


    Zitat

    Original von Rosalita


    Wollte er mit seiner Handlung (als er sich unter die Maschine legte) seiner Begeisterung für das INstrument Ausdruck verleihen und war es einfach purer Zufall bzw. Schicksal, dass die Maschine bei ihm einen Defekt hatte?


    Er spricht vorher schon immer davon, dass er die Maschine nicht mehr richtig warten kann, vielleicht ist es da konsequent, dass sie gerade bei seiner selbstgewählten Hinrichtung versagt?!? So erfahren wir auch nicht, was er sich als seine Sünde ausgesucht hat...


    Sehr beunruhigend fand ich auch den Schluß, der andeutet, dass dieses alte, unmenschliche Regime noch Anhänger hat, die vielleicht nur auf die richtig Gelegenheit warten. Überhaupt: warum laufen ihm Soldat und Verurteilter am Ende noch hinterher, was wollen die beiden vom Reisenden?

  • Zitat

    Original von Heidi Hof


    Oh Gott ist das krank! :shock:


    Das dachte ich mir schon beim Hungerkünstler, aber die Strafkolonie ist ja um noch ein paar Grade schlimmer.


    Krank - das war auch das Wort, das mir immer wieder beim Lesen in den Sinn kam.


    Die Schilderung der Foltermethode empfand ich als den schockierendsten Teil, den Tod des Offiziers nahm ich dann schon fast gleichgültig zu Kenntnis. War ich schon abgestumpft?


    Ein sehr verwirrendes Werk Kafkas. Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll.


  • Hi, mir ging es haargenau wie dir :loool:
    Auch den Tod habe ich nur weitläufig mitbekommen, so nach dem Motto: "Aha"


    Wenn ich wollte, könnte ich schon eine Interpretation niederschreiben. Es hat sicherlich wieder mit der Beziehung zum Vater zu tun, z. b. der alte Kommandeur, aber bei mir ist total die Luft raus!
    Ich kann nicht mehr, und deshalb lasse ich es sein :drunken:

  • Diese Parbel zu lesen war sehr schwierig, das Unbehagen beim Lesen stieg von Zeile zu Zeile.
    Eine eindeutige Interpretation kann ich nicht abgeben, nur einige Gedanken formulieren.


    Der Reisende scheint absolut unbeteiligt zu sein; lehnt zwar die Prozedur ab ist jedoch weder gewillt dagegen etwas zu tun noch empört über das was hier passiert.
    Zeigt sich hier die Gleichgültikeit der Menschheit auf; die sich fast nicht; oder in den seltesten Fällen auflehnt; gegen jegliche Ungerechtigkeit welche auf dieser Welt passiert. :!:

    Zitat

    Der Reisende überlegte: Es ist immer bedenklich, in fremde Verhältnisse entscheidend einzugreifen

    .


    Der Offizier; ja ist er nun ein bösartigrt Mensch; dem es gefällt andere zu quälen? Er lobt den Erfinder der Maschine; ist begeistert von der Einrichtung, denkt gar nicht an das Leid was er damit verursacht.
    Die Maschine ist ihm wichtig, der Verurteilte ist nur ein Nebenprodukt.


    Zitat

    …als der Verurteilte in einem unwiderstehlichen Brechreiz die Augen schloß und sich erbrach. Eilig riß ihn der Offizier vom Stumpf in die Höhe und wollte den Kopf zur Grube hindrehen; aber es war zu spät, der Unrat floß schon an der Maschine hinab. »Alles Schuld des Kommandanten!« schrie der Offizier und rüttelte besinnungslos vorn an den Messingstangen, »die Maschine wird mir verunreinigt wie ein Stall.«


    Nicht mehr der Mensch ist wichtig sondern die Erfindungen auch wenn sie noch so schrecklich sind. :!:
    Nach dieser Lesung habe ich für den Moment genug von Kafka

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Danke, Serjena für diese Gedanken.


    Mir ist auch vor allem die Unbeteiligtheit der Personen, die Konzentration auf die "Sache" aufgefallen. Der Reisende meint zwar, dass er schon dagegen sei, aber auflehnen oder protetieren tut er nicht.


    Beim Offizier bin ich mir nicht so sicher. Ich habe nicht so sehr den Eindruck, dass er quälen will, dass er die Qual anschauen will, dass er ein Sadist in diesem Sinne ist. Für ihn steht diese tolle Erfindung im Mittelpunkt, egal, was sie macht.


    So ist es mir zumindest vorgekommen.


    Ansonsten hab ich ganz erleichtert die Bücher ins Regal zurückgestellt und werde sie so schnell nicht mehr rausholen :roll:

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)