Marion Poschmann - Die Sonnenposition

  • Inhalt:
    »Die Sonne bröckelt.«
    Der rundliche Rheinländer Altfried Janich findet nach der Wiedervereinigung eine Stelle im »Ostschloss«, einem heruntergekommenen Barockbau, der neuerdings eine psychiatrische Anstalt beherbergt. Hier hält er es für seine Aufgabe, seinen Patienten gegenüber die Sonnenposition einzunehmen, ihnen Orientierung und eine Quelle des Trostes zu sein. Als sein Freund Odilo durch einen rätselhaften Autounfall zu Tode kommt, gerät er selbst auf die Nachtseite der Dinge. Tagsüber rücken ihm die Patienten zu nahe, nachts geistert er durch die Säle, es bedrängen ihn Erinnerungen, und auch seine Familiengeschichte mit ihren Verlusten holt ihn ein. Altfrieds ganzes bisheriges Leben scheint auf die Situation im Schloss zuzulaufen: Alle Geschichten enden hier, und bald stellt sich die Gewissheit ein, dass er aus dem Schloss nicht mehr wegkommen wird.
    Marion Poschmanns lange erwartete neue Prosa ist ein Roman über Deutschland aus der Sicht der Kriegsenkel. Ein Roman über die Macht der Zeit, über Erinnerung und zeitlose Verbundenheit. Ein Roman über fragile Identitäten, über den schönen Schein und die Suche nach dem inneren Licht – funkelnd, glasklar und von subtiler Spannung.
    (Quelle: Verlagsseite)


    Die Autorin:
    Marion Poschmann wurde 1969 in Essen geboren. Sie studierte Germanistik, Philosophie und Slawistik in Bonn und Berlin. Sie ist Mitglied im P.E.N.-Zentrum Deutschland und lebt in Berlin.
    (Quelle: Verlagsseite)


    Mein Eindruck:

    Zitat

    »Schatten läßt sich nur ableiten. Schatten ist da, wohin mein Blick nicht fällt. Dennoch weiß ich um ihn, denn das Licht entsteht aus der Finsternis.« (Zitat)


    Zitat

    "Die Sonne bröckelt. Wenn im Speisesaal Betrieb herrscht, versetzen die schweren Schritte alles in Schwingung, und von der Decke fällt Stuck, aus der Sonnenmitte hängt das Kabel für den Kronleuchter, ein Modell aus DDR-Zeiten. Messingstäbe spreizen sich sich von einer Mittelachse, an den Enden verdecken Milchglastrichter die Glühbirnen bis auf die Kuppe, sie sind geformt wie kleine Füllerhörner, die Strahlen ausenden, Sonnenimitate." (Zitat)


    Altfried Janich hat eine Anstellung als Psychotherapeut im "Ostschloss", einem herunterkommenen Barockbau, gefunden. Dort sind seit neuestem psychisch Kranke untergebracht und er soll "die Sonnenposition für sie einnehmen, ihnen Orientierung und Halt geben. In seiner Freizeit jagt Altfried "Erlkönige". Erlkönig nennt man camouflierte Prototypen neuer Autos, die auf Testfahrten praktisch „inkognito“ unterwegs sind, aber es ist auch eine Anspielung auf Goethes Ballade.
    Als sein Freund Odilo tödlich verunglückt, gerät Altfried aus der Bahn. Odilo ist erfolgreich, gut betucht und erforscht die Biolumineszenz bei anderen Lebewesen, z.B. stellt er Versuche bei Labormäusen an und will sie zum Leuchten bringen. Odilo nahe zu kommen, fällt sowohl Altfried, wie auch seiner Schwester Mila schwer. Von Milas Beziehung zu Odilo erfährt Altfried erst nach dessen Tod. Diesem Zustand begegnet er ratlos, ist er doch ein eher introvertierter Mensch, der andere meidet, zurückgezogen lebt und dessen Gedanken um sich selbst kreisen. Manchmal beginnt man als Leser fast zu zweifeln, ob Altfried nun als Therapeut oder gar als Patient im Ostschloss untergebracht ist.
    Es ist sehr schwierig, etwas zu dem Roman "Die Sonnenposition" von Marion Poschmann zu schreiben, mein Eindruck, mein Verhältnis zu dem Roman ist eher ambivalent. Aber einen kurzen Eindruck möchte ich doch gerne abgeben:
    Der Roman beginnt sehr vielverspechend. Die Beschreibung des zerfallenden Barockbaus liest sich sehr poetisch.
    Er steckt voller wunderbarer Sätze und Metaphern, wobei ihr vielleicht nicht jede gut gelungen ist.
    Der Mittelteil des Romans liest sich sehr anstrengend, er hat mich irritiert und ratlos zurückgelassen. Zum Beispiel konnte ich nichts mit Odilos Begeisterung für die Leuchtfähigkeit von Lebewesen und seinen Versuchen anfangen.
    Es ist schwierig, die Intention der Autorin zu erkennen. Lt. der Verlagsseite geht es ihr um die Vergangenheit und das mit ihr verhaftet sein, um das Trauma der Kriegsenkel, sich nicht von der Vergangenheit lösen zu können.
    Wahrscheinlich sollte man das Buch ein zweites Mal lesen, um es ganz erfassen zu können. Auf jeden Fall ist es ein sehr eigenartiges und schwieriges Buch.
    Dass Marion Poschmann eine Lyrikerin ist, merkt man diesem Roman an, der es auf die shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat.


    Hier noch eine interessante und ausführliche Rezension.

  • Poetische Sprache, vielschichtige Charaktere und ein faszinierender Blick in die Vergangangenheit!


    Der 32jährige rundliche Rheinländer Altfried Janich ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Nach der Wiedervereinigung findet er eine Anstellung im Ostschloss, welches ein alter und heruntergekommener Barockbau ist, der nun als psychiatrische Anstalt dient.


    Dort sieht er es als seine Aufgabe an, den Patienten Orientierung zu schenken und für sie die Sonnenposition einzunehmen. Doch nach dem rätselhaften Autounfall seines Freundes Odilo, bei dem dieser tödlich verunglückt, beginnt Altfried auf die Nachtseite der Dinge zu geraten. Er kann die Nächte über nicht schlafen, geisert durch die Gänge, denn erwohnt in dem Ostschloss. Er fühlt sich von den Patienten bedrängt und bemerkt den Zerfall des Gebäudes. Es werden auch ein paar Patienten und deren Geschichten vorgestellt, zum Beispiel die zweifache Mutter, die
    nun ihre Schwangerschaften verheimlicht und ihre gerade geborenen Kinder ertränkt, erfriert oder stranguliert.. Oder auch den Mann, der alles mindestens in doppelter Ausführung besitzen muss, damit er, falls das eine Produkt kaputt geht, sofortigen Ersatz hat und nicht Angst haben muss, dass sein Gerät oder Kleidungsstück nicht mehr zu haben ist.


    Altfried denkt nach und nach immer mehr über seine eigene Vergangenheit nach, auch daran, wie er Odilo kennen lernte. Er erinnert sich an Odilo, den erfolgreichen Freund, der im Labor arbeitete, an Biolumineszenz forschte und versuchte, per Genmanipulation Mäuse leuchten zu lassen.


    Doch was Altfried zunächst verwundert ist, dass seine Schwester Mila von dem Tod Odilos ebenfalls betroffen ist und als er von ihrer Beziehung erfährt, weiß er zunächst nicht, wie er damit umgehen soll.


    Altfried wundert sich, was Odilo ihm bedeutet hat. Schließlich war dieser kein richtiger Freund, oder etwa doch? Es war schwieig, Odilo nahe zu sein.. Er war konservativ und verklemmt, er war Karrietist und Einzelkind..


    Nach und nach beginnt Altfried zu verstehen, die Erinnerungen führen in das Schloss und er beginnt sich sicher zu sein, nie mehr aus dem Schloss heraus zu kommen.



    Marion Poschmann, die Germanistik, Philosophie und Slawistik studierte, hat mit ihrem Roman “Die Sonnenposition” ein außergewöhnliches Werk geschaffen. Poetisch beschreibt sie Altfrieds Gefühle, sodass man sie sehr gut nachvollziehen, ja, nachfühlen kann. Die Beschreibungen des Ostschlosses und der Patienten haben mich sehr beeindruckt. Auch wie sie die verschiedenen Handlungen und Personen miteinander verwoben hat, war für mich sehr faszinierend. Auch, wie der Umgang mit den Insassen beschrieben wird, war sehr interessant für mich. Odilos Experimente mit Biolumineszenz konnten auch meine Neugierde wecken und ich bleibe beeindruckt zurück, von dieser poetischen Sprache, dieser Art sich auszudrücken und die vielschichtigen Charaktere mit
    Leben zu füllen.


    Es hieß, dieses Buch würde von der Macht der Zeit, der Erinnerung und der zeitlosen Verbundenheit, sowie über fragile Identitäten, den schönen Schein und der Suche nach dem innreren Licht berichten. Dieses Versprechen wurde gehalten!


    Ich kann dieses Buch wirklich weiterempfehlen, nur sollte man sich beim Lesen Zeit nehmen, um die Sprache, die Metaphern und Vergleiche und eingeflochtenen Theorien, zum Beispiel zu Ort und Zeit, wirklich verstehen und über sie nachdenken zu können. Denn dieses Buch regt zum Nachdenken an und lässt den Leser lange nicht los.

  • Ich kann dieses Buch wirklich weiterempfehlen, nur sollte man sich beim Lesen Zeit nehmen, um die Sprache, die Metaphern und Vergleiche und eingeflochtenen Theorien, zum Beispiel zu Ort und Zeit, wirklich verstehen und über sie nachdenken zu können. Denn dieses Buch regt zum Nachdenken an und lässt den Leser lange nicht los.


    Dem widerspreche ich. Mir ist dieses Buch nicht so vorgekommen, als seien hier großartige literarisch-philosophisch-metaphysisch-wertvolle Erkenntnisse in gelungener Weise verarbeitet worden. Ich empfand den Roman als bemüht, Eindruck zu schinden, in der Tiefe aber ziemlich hohl klingend. Nicht alle Metaphern erschienen mir als gut, einige künstlich und andere sogar als schlichtweg unpassend. Und das ist mir nur deshalb im Gedächtnis geblieben, weil ich eine private schriftliche Kommunikation darüber geführt hatte. Deine Empfehlung mit dem "Zeit nehmen zum Nachdenken" kommt mir deshalb ein bisschen pompös vor, @warmerSommerregen. Aber ich gebe zu, ein solches Geschwurbele habe ich auch schon zur Genüge hier im BT von mir gegeben, also sollte ich wohl nicht unbedingt mit Steinen werfen, wenn man im Glashaus sitzt (andererseits: ich hasse Glashäuser sowieso, da muss ich immer an diese bieder-spießigen vorstädtischen Wintergärten denken - also: nieder mit den Glashäusern! :rambo::loool: ).
    Es ist wohl eher so, dass man sich sehr leicht zu Lobeshymnen hinreißen lässt, ich aber feststellen muss, dass mich der maßlose Gebrauch von Lobeshymnen so was von abgestumpft hat - diese Lobeshymnen werden von so vielen Benutzern hier und bei amazon.de und auf so vielen anderen Webseiten gesungen, dass sie auf mich mittlerweile nur noch wie stumpfsinnig-schrille kakophonische Kritzeleien auf mich wirken - was ich sagen will, @warmerSommerregen, dass meine Kritik hier nicht gegen Dich geht, sondern gegen diesen fortwährenden Bücher-Lobhudel-Tsunami, der das weltweite Netz gnadenlos und dauerhaft zu überschwemmen scheint, und den ich selbst auch schon oft genug hoch geschaukelt habe, wie ich zugeben muss. Aber die Aussagekraft der einzelnen Rezensionen reduziert sich eigenständig dadurch logischerweise so weit, dass sie mittlerweile schon auf Null zugeht, bei einigen "Rezensenten" deutlich mehr als bei anderen.


    Auch muss ich klipp und klar sagen, dass die Nominierung für oder die Auszeichnung mit einem literarischen Preis noch lange keine Garantie für gute Literatur sein kann, denn hier in Deutschland werden jedes Jahr so viele literarische Auszeichnungen und noch mehr Nominierungen ausgegeben, dass Deutschland das Land der absoluten literarischen Superlative sein müsste, wenn jedes einzelne Buch aus diesen Reihen wirklich zur guten Literatur zählen würde. Und wir wissen, dass Deutschland bzw. deutschsprachige Literatur diesem Kriterium überhaupt nicht und keinesfalls standhält. Wenig genug kommt unter der zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur zum Vorschein, das das Zeug hat, dem Laufe der Jahre tatsächlich standzuhalten und eine gewisse dauerhafte künstlerisch-literarische Gültigkeit vorweisen zu können.


    Was mir allerdings lieb wäre, wäre vor Eröffnen eines Rezensionsthreads einmal die Suchfunktion zu benutzen: Zu Marion Poschmanns Die Sonnenposition gab es bereits einen Rezensionsthread von @Conor vom 29.09.2013 - so einen kann man suchen, seinen eigenen Beitrag daran ansetzen und damit den Mods hier die Arbeit des Zusammenlegens und anderen Nutzern die Arbeit nach dem Suchen des ursprünglichen Threads ersparen. Dummerweise taucht der ursprüngliche Rezensionsthread nach einem zusätzlichen Rezensionsthread nämlich nicht mehr in den Suchergebnissen der Rezensionssuche auf, was die Suche manchmal ein bisschen erschwert. Danke im Voraus für die Berücksichtigung.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • auf mich mittlerweile nur noch wie stumpfsinnig-schrille kakophonische Kritzeleien auf mich wirken


    Liebe @Hypocritia , hat dir jemand heute morgen eine Scheibe Unbarmherzigkeit auf den Frühstücksteller gelegt? :wink: Nichts gegen deine Sprachgewalt, die du offensichtlich nicht vermarktest - warum eigentlich nicht? Über das Ergebnis würde ich gerne eine Lobhudelei schreiben . :-,


    die Nominierung für oder die Auszeichnung mit einem literarischen Preis noch lange keine Garantie für gute Literatur sein kann,


    ... aber wo du recht hast, hast du recht. :cry:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)




  • Liebe @Hypocritia , hat dir jemand heute morgen eine Scheibe Unbarmherzigkeit auf den Frühstücksteller gelegt?


    :uups: Sorry, Marie, das liegt sicherlich zum Teil an dem viel zu zähen und zögerlichen Frühlingsbeginn, der einem eine kleine depressive Phase anlässlich des sich nicht verziehen wollenden Winters unbemerkt unterschiebt, und die vielen Adjektive da oben waren sicherlich das eine oder andere des Guten Negativen zu viel. (Touchée :pale: , ehrliche Entschuldigung)
    Dennoch würde ich auch an Frühliungstagen voll warmer und strahlender Sonne behaupten, dass es der ultra-positiven Rezensionen einfach zu viele gibt (viel zu viele, massenweise zu viele), um in auch nur annähernd glaubhafter Weise die Qualität der zeitgenössischen Literatur widerzuspiegeln. Das Verhältnis von Lob zu literarischer Qualität des Gelobten stimmt im Einzelnen zuallermeist nicht, aber da kann man sich noch drüber ganz individuell streiten.
    Aber wenn man sich die Gesamtheit der Neuerscheinungen jedes Jahr ansieht, dann ist genau dieses Missverhältnis nicht zu übersehen oder abzustreiten. Und das ist dann genau der Punkt, wo ich als Leser von Rezensionen mich am Kopf kratze, weil ich denke, das bringt ja doch nichts.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Das Verhältnis von Lob zu literarischer Qualität des Gelobten stimmt im Einzelnen zuallermeist nicht


    Nachdem ich neulich ähnliche Gedanken von mir gab, erhielt ich die Antwort: Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass vielleicht deine Ansprüche zu hoch sind? :shock:


    Dahinter steckt auch das Phänomen der Gefälligkeitsrezensionen, das es in der Vor-Internet-Zeit nicht gegeben hat: Verlage werfen ihre Bücher zuhauf den Hobby-Rezensenten nach, ob über vorablesen und ähnliche Seiten, ob für die 100 000 (gefühlten) Bücher-Blogs, die oberen Ränge von Amazon, usw. usw. (Ich will mich nicht beklagen, gelegentlich profitiere ich auch davon.)
    Weil man dabei das Gefühl hat, ein Geschenk bekommen zu haben und dann noch sein Lieblingsgeschenk, trauen viele sich nicht, ehrliche Rezensionen zu schreiben, wenn sie das Buch nicht gut fanden, und liefern statt dessen Gefälligkeitsrezensionen ab. Verlage wissen das und freuen sich. Es geht ums Geschäft, und positive Rezensionen helfen dabei. :|

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)