Sue Grafton - W Is for Wasted

  • Es ist 2013, aber Sue Graftons Kinsey Millhone schaltet, waltet und ermittelt immer noch in den späten 80er Jahren im Großraum Santa Theresa. Das heißt, zu Beginn dieses Buchs tut sie das eben nicht, denn gerade ist sie „zwischen zwei Aufträgen“, um es mal ein wenig euphemistisch auszudrücken. Aber bevor sie sich so richtig Sorgen machen kann wird sie in einen neuen Fall hinein gezogen, der ihr wesentlich näher kommt, als es die Ausgangszustände vermuten lassen.


    Ein Obdachloser wird tot am Strand in seinem Schlafsack aufgefunden, während seine anderen Habseligkeiten alle verschwunden sind. Kinseys Adresse in seiner Tasche bedingt einen Anruf von der Polizei, aber sie hat von dieser Person noch nie gehört und auch der Anblick des Toten im Leichenschauhaus bringt zunächst keine wirkliche Lösung.


    Neugierig, warum ein Vagrant ihre Adresse in seiner Tasche mit sich herumgetragen hat beginnt Kinsey ganz privat einige Ermittlungen und stößt unter anderen Obdachlosen der Gegend auf einige weiterführende Informationen, wodurch man schließlich auf die Identität des Verstorbenen kommt. Außerdem macht sie einen Schließfachschlüssel ausfindig und als mit Hilfe des Namens das dazugehörige Schließfach gefunden werden kann, findet sich darin ein beglaubigtes Testament, in dem Kinsey zunächst als seine Nachlassverwalterin benannt wird – und dann als seine Alleinerbin, nachdem seine leiblichen Kinder enterbt wurden. Und die ererbte Summe beläuft sich auf beinahe $500.000. Kinsey ist mehr als irritiert und beginnt sich auf die Suche nach den nächsten Verwandten des Verstorbenen zu machen – besonders auf Anraten Henrys persönlich und nicht mit Hilfe der Fernmeldetechnik. Zu diesem Zeitpunkt hat sie bereits ein mögliches Motiv für ihre eigene Erbschaft gefunden und fühlt sich bei dem Gedanken, den entfremdeten Verwandten des Verstorbenen gegenüber zu treten, sehr unbehaglich. Und es wird dann auch eher sehr unangenehm…


    Neben den hier beschriebenen Dingen geht es noch um alte Liebe, Familienbande, medizinische Forschung und damit verbundenen Zulassungsverfahren, korrupte Detektive und das richtige Auto für den Privatdetektiv.


    Eine Zeit, in der kaum jemand das Internet benutzte, tragbare Telefone eine Ausnahmeerscheinung darstellten und auch sonst viele technische Möglichkeiten nicht vorhanden gewesen sind, sind Ermittlungen doch deutlich gemächlicher verlaufen, als man das in der Zeit von Google, Facebook und Co. gewöhnt ist und so ist dieser Roman schon ein wenig mehr auf Langsamkeit angelegt. Doch so wie er geschrieben ist, ist es ein wenig so, als ob man einen alten 2CV mit angezogener Handbremse fahren würde – wenn auch ohne die Geruchsentwicklung. Daneben läuft eine B-Handlung anfangs sehr unmotiviert neben der A-Handlung her, bis sie schließlich durch Zufälle und Konstruktion direkt mit der A-Handlung verknüpft wird.


    Überhaupt spielen Zufälle hier eine irrsinnig große Rolle, wobei diese allerdings dann nicht zu uner-wartbaren Ergebnissen führen, so dass Spannung beim Lesen dieses Romans nicht wirklich aufkom-men kann. Ganz nett – mehr nicht.