Alexandra Kui - Blaufeuer

  • Inhalt (Buchrücken) :
    Der Bootsbauer Erik Flecker kommt im Wattenmeer grausam ums Leben. Sehr schnell wird klar: Sein qualvoller Tod war kein Unfall, sondern Mord! Die Familie steht unter Schock, niemand kann sich vorstellen, wer dem allseits beliebten Juniorchef der Yachtenwerft auf diese Weise ans Leben wollte.
    Janne, Eriks Schwester, macht sich auf eigene Faust auf die Suche nach dem Mörder. Doch galt der Anschlag wirklich ihrem Bruder? Und wem kann Janne bei ihren Nachforschungen tatsächlich vertrauen? Plötzlich scheint auch Jannes Leben nicht mehr sicher...


    Die Autorin (auszugsweise ihrer Homepage entnommen) :
    Alexandra Kui wird im März 1973 als Alexandra Kuitkowski in Buxtehude geboren. In der Grundschule beschließt sie Schriftstellerin zu werden, auf dem Gymnasium lernt sie Komponieren und Geige spielen und entdeckt die Musik für sich.
    1998 erscheint ihr erstes Buch „Ausgedeutscht“, ein Jugendroman.
    Im März 2008 erscheint bei Hoffmann und Campe der Roman „Blaufeuer“, der an der Nordsee bei Cuxhaven spielt und 2012 unter dem Titel „Der Tote im Watt“ für das ZDF verfilmt wird.
    Die Autorin lebt und arbeitet die auf der Geest bei Hamburg.


    Aufbau und Stil:
    Blaufeuer umfasst 317 Seiten und gliedert sich in vierzehn Kapitel plus Epilog und Prolog.
    Der Prolog und der Epilog sind aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Janne geschrieben, ihr toter Bruder wird dabei direkt mit "du" addressiert.
    Die anderen Kapitel werden von einem Er-Erzähler wiedergegeben. Die Handlung fokusiert sich hauptsächlich auf Janne, es gibt aber auch Passagen, in denen das Innenleben ihres Vaters, Paul, beleuchtet wird. Der Pesonenwechsel wird dadurch deutlich gemacht, dass der Name der im Mittelpunkt stehenden Person vor den Absatz gesetzt wird.


    Meinung:

    Zitat

    Die Kneipe trägt den Namen eines nautischen Notsignals: Blau flackerndes offenes Feuer ist auf hoher See ein dringender Hilferuf. In Hafennähe setzen Schiffsführer das Blaufeuer, um zu zeigen, dass ein Lotse gewünscht wird. (Seite 21)

    Zunächst einmal: wer einen packenden, spannenden Krimi erwartet, der wird an diesem Buch eher wenig Freude haben. Blaufeuer enthält zwar eine Krimi-Handlung, ist aber meiner Meinung nach mindestens zu gleichen Teilen, wenn nicht sogar in erster Linie eher ein Familiendrama, das in einer Ermordung gipfelte: während ihrer Nachforschungen erfährt Janne Dinge über ihre Vergangenheit, die alles in Frage stellen, an das sie bisher geglaubt hat und Abgründe der Menschen enthüllen, die sie bisher bedingungslos geliebt hat. Sie sucht also nicht nur nach einem Motiv für den Mörder, sondern muss sich auch ihrer Vergangenheit stellen und alles anzweifeln, das für sie bisher unumstößlich war. Auch die Trauerarbeit der Familie spielt eine entscheidende Rolle, auf die Gefühle, die alle Fleckers zeigen, wird ausführlich eingegangen.
    Dennoch kommt die Suche nach dem Motiv des Mörders natürlich nicht zu kurz und besonders ab der Mitte des Buches erinnerte die Handlung mich auch mehr an einen Krimi, da es endlich mehr um den Mord an Erik und nicht um das Schicksal der Hinterbliebenen ging.


    Ich hatte am Anfang Schwierigkeiten, in die Handlung einzusteigen. Das liegt vor allem an der Protagonistin, Janne. Sie erschien mir sehr oberflächlich und kalt zu sein, merkwürdig distanziert und ruhig in Anbetracht der Tatsache, dass ihr Bruder gerade gestorben ist. Ich konnte mir nicht vorstellen, mit ihr mitzufühlen oder ihrer Geschichte interessiert zu folgen - aber man erfährt schnell mehr über Janne und begreift, wieso sie sich so verhält, sodass es leichter wird, ihrem Weg zu folgen und auch mit ihr zu fühlen. Sie ist keine typische Protagonistin, sondern ein wenig speziell, aber das machte das Lesen nach einer Weile eher reizvoll.
    Die anderen Figuren bleiben leider ein wenig blass. Man erfährt sehr viel über die Vergangenheit ihrer Familie und gerade ihres Vaters, aber wie sie denken und fühlen bleibt großteils offen. Auch wenn ihre Handlungen alle gut und stimmig wirken und die Charaktere keine "Abziehbilder" sind, hätte es meiner Meinung nach trotzdem nicht schaden können, den Figuren ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu schenken.


    Die Geschichte, die Alexandra Kui erzählt, hat mir im Großen und Ganzen gut gefallen. Wie Janne immer tiefer in die Geheimnisse ihrer Familie eindringt und dabei Dinge entdeckt, die ihr unglaublich zu scheinen, fand ich glaubhaft geschildert. Nichts davon erschien mir übertrieben zu sein, ich empfand es auch nicht so, als wäre es "zu viel Drama" für eine Familie. Man kann es als Abwärtsspirale bezeichnen: eine falsche Entscheidung zog eine lange Kette von mehr oder weniger negativen Ereignissen hinter sich her.
    Janne kommt nach und nach hinter die Geheimnisse. Das hat mir gut gefallen: es war für sie nicht einfach, an die Informationen zu kommen, die sie benötigte und sie hat auch nicht alles auf einmal erfahren. Dadurch wird die Familiengeschichte der Fleckers sehr gut beleuchtet und im Endeffekt sind all diese Hintergründe auch in Bezug auf den Mord von Belang, was mir gut gefallen hat. Manche Informationen wären jetzt für die Aufklärung des Verbrechens nicht wichtig gewesen, aber sie lieferten potentielle Täter, die Janne dann befragen musste. Und während jeder Befragung, bei jeder neuen Spur erfährt sie mehr, dass das Bild der heilen Welt, in der sie zu leben glaubt, zerbrechen lässt.
    Dass sie dabei wirklich zunächst eingeschüchtert wird und dann um ihr Leben bangen muss, fand ich auch gut. Es machte den Mörder glaubhafter und die Dringlichkeit von Jannes Suche glaubwürdiger, außerdem hat es mir "gefallen", dass sie nicht einfach in der Vergangenheit wühlen konnte und dabei vom Täter ignoriert wurde, das wäre nicht authentisch gewesen und hätte nicht zu dem kaltblütigen Mörder gepasst.


    Atmosphärisch ist Blaufeuer recht dicht. Die Autorin beschreibt die Umgebung - Cuxhafen, Helgoland, das Watt - so gut, dass man das Gefühl hat, die Protagonistin zu begleiten. Wer schon selbst durchs Watt gewandert ist, wird es zudem aus den Beschreibungen von Kui gut wiedererkennen. Sie versteht es, diese doch sehr idyllische Umgebung mit der Brutalität und der Grausamkeit eines Mordes und dem damit zusammenhängenden tragischen Familienschicksal zu verknüpfen.
    Nicht nur die Krimi-Handlung ist gut und schlüssig durchdacht, auch, wie Jannes Familie aufgrund dieses Schicksalsschlages immer mehr zerbricht, wird anschaulich geschildert. Die Beschreibung der verschiedenen Arten zu trauern fand ich sehr glaubwürdig und dass durch dieses Unglück so manches verborgene dunkle Geheimnis hervorkam, fand ich sehr realistisch.
    Meiner Meinung nach hat Kui es auch geschafft, die "Komaträume", die eine Person in diesem Buch hat, authentisch darzustellen, es kam mir nicht zu abgedreht vor, sondern hat auch gut zu der Figur und den Umständen gepasst.


    Was mir auch gut gefallen hat, ist die Auflösung des Mordfalles. Diesen Täter hatte ich wirklich überhaupt nicht im Verdacht, aber ich fand die Auflösung sehr glaubwürdig. Auf das Motiv hätte die Autorin mehr eingehen können, aber insgesamt war es doch nachvollziehbar und ich konnte mir auch gut vorstellen, dass alles so passiert ist. Es gab keine Logiklücken, alles hat zusammen gepasst und war dennoch überraschend.
    Die Identifizierung des Möders gab letzten Endes auch den Ausschlag für die Bewertung. Während des Lesens lag ich die ganze Zeit ungefähr bei 3,5 Sternen, da die Auflösung des Mordfalles mich aber überzeugt hat, gebe ich :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: .

    Carpe Diem.
    :study: Nora Roberts - Schattenmond

    2024 gelesen: 23 Bücher | gehört: 5 Bücher