Ralph Dutli - Soutines letzte Fahrt

  • Inhalt:
    Ein Roman über Kindheit, Krankheit und Kunst. Über die Wunden des Exils in Paris, die Ohnmacht des Buchstabens und die überwältigende Macht der Bilder.


    Chaim Soutine, der weißrussisch-jüdische Maler und Zeitgenosse von Chagall, Modigliani und Picasso, fährt am 6. August 1943 in einem Leichenwagen versteckt von der Stadt Chinon an der Loire ins besetzte Paris. Die Operation seines Magengeschwürs ist unaufschiebbar, aber die Fahrt dauert aufgrund der Umwege – um die Kontrollposten der Besatzungsmacht zu meiden – viel zu lange, nämlich 24 Stunden.
    In einem Strom bizarrer Bilder, die der verfolgte Maler im zeitweiligen Morphin-Delirium vor sich auftauchen sieht, erzählt der Roman halb historisch, halb fiktiv Episoden aus Soutines Kindheit in Smilowitschi bei Minsk, die ersten Malversuche in Wilna, den beharrlichen Traum von Paris, der Welthauptstadt der Malerei. Er beschwört die unwahrscheinliche Freundschaft mit Modigliani, den plötzlichen Erfolg und das Ende der goldenen Pariser Jahre.
    Der Maler, der an die Macht der Milch als einziges Heilmittel glaubt, fährt aber auch in ein »weißes Paradies«, eine Mischung von Klinik und Gefängnis, in der es zu merkwürdigen Begegnungen und Ereignissen kommt. Ein mysteriöser »Gott in Weiß« erklärt ihn für geheilt, verbietet ihm aber das Malen. Doch in einem Paradies ohne Malerei ist dem Künstler nicht zu helfen. Er beginnt heimlich wieder zu malen – und ist bereit, dafür den geforderten Preis zu zahlen …
    (Quelle: Verlagsseite)


    Der Autor:
    Ralph Dutli, geb. 1954, studierte in Zürich und Paris Romanistik und Russistik und ist freier Autor, Lyriker und Übersetzer. Er ist Herausgeber u.a. der zehnbändigen Ossip-Mandelstam-Gesamtausgabe und erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den Johann-Heinrich-Voss-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Von Ralph Dutli sind bislang mehr als 30 Bücher und Editionen erschienen, z.B. Liebe Olive. Eine kleine Kulturgeschichte (2009).
    (Quelle: Verlagsseite)


    Mein Eindruck:

    Zitat

    Schon früh zeichnet er, jeder Fetzen Papier ist eine neue Versuchung, er macht rasche Skizzen, wenn er allein ist, den Blick immer wieder ängstlich auf die Tür gerichtet, ob nicht plötzlich jemand eintritt, ihm den Fetzen aus der Hand reißt und ihn verprügelt. Er bemalt die Wände der Kellertreppe mit Holzkohle. Auch dafür gibt es Schläge.


    "Soutines letzte Fahrt" ist der erste Roman von Ralph Dutli. In ihm schildert er das Leben des weißrussischen, jüdisch-stämmigen expressiven Malers Chaim Soutine,, ein Zeitgenosse von Chagall, Picasso, Modigliani und Cocteau, auf ungewöhnliche Weise.
    Der schwerkranke Maler wird am 6. August 1943 in einem Leichenwagen versteckt von Chinon in das von Nazis besetzte Paris gebracht, um dort operiert zu werden. Seit Jahren leidet Soutine an einem Magengeschwür, das ihm große Schmerzen zufügt. Die Fahrt dauert lange, es geht nur langsam voran. Doch es geht nicht anders, Soutine wird aufgrund seiner jüdischen Abstammung von der Gestapo gesucht, es müssen Umwege gefahren werden.
    Während der Fahrt erinnert sich Soutine; unter Morphiumrausch entstehen Bilder, Bruchstücke seines Lebens. Er denkt an seine nicht leichte Kindheit in Smilowitschi bei Minsk und sein Bilderverbot, seine ersten Malversuche, seine Pariser Zeit, Hunger und Armut, an die Künstlerkolonie La Ruche und an seine Freundschaft mit Modigliani. Auch an seine Frauen, die sein Leben aushalten müssen, erinnert er sich, erinnert sich an Marie-Berthe Aurenche, Ex-Frau von Max Ernst und die deutsche Jüdin Gerda.

    Zitat

    "Streichhölzer her, mit raschen Handgriffen ein paar Zeitungen zusammengeknüllt, rein in den Kamin damit, wo in diesem heißen Sommer noch Asche liegt vom letzten Mal, als die alte Zerstörungswut ihn überkam. Dann hastig die Leinwände hervorgezerrt, nur noch den einen wütenden Blick daraufgeworfen, dann hinein in die Hölle damit." S. 12


    Soutine, der durch Landschaftsbilder, Bilder von einfachen Menschen und Bildern von Tierkadavern bekannt wurde, hat viele seiner eigenen Bilder zerstört.
    Ralph Dutli schreibt in bildhafter, ausdrucksvoller Sprache, gekonnt ist die Verknüpfung von Fiktion und Realität.
    Ihm ist ein ausgesprochen lesenswerter, beeindruckender Roman gelungen, der nebenbei auch lehrreich ist.
    Der Roman wurde für den Deutschen Buchpreis 2013 nominiert.


    Hier kann man sich ein paar Bilder ansehen.

  • Ich habe es leider nicht geschafft, das Buch fertig zu lesen. So beeindruckend es Dutli auch gelingt, die Gedanken und Erinnerungsfetzen des schwer kranken Malers in Sprache zu fassen ... ich habe meinen Lesefluss in dieser besonderen Schreibweise nicht gefunden und nach mehreren Versuchen abgebrochen. Dennoch möchte ich das Buch an Leserinnen und Leser, die an der Lebensgeschichte des Malers interessiert sind, weiter empfehlen. Ihr habt vielleicht mehr Geduld als ich.

  • Schade, dass du deinen "Lesefluss" nicht gefunden hast, Wuselsusi - aber wenigstens hast du es versucht.
    Es ist schon richtig: Der Schreibstil ist ungewöhnlich und etwas gewöhnungsbedürftig (im Perlentaucher wird er als " expressiv-poetisch, obsessiv und sicher nicht jedermanns Sache." bezeichnet.)


    Auf der Verlagsseite findet sich eine Leseprobe.