Hilary Mantel - Der Hilfsprediger / Fludd

  • Hilary Mantel: Fludd
    Kurzbeschreibung (amazon)

    From the double Man Booker prize-winning author of 'Wolf Hall', this is a dark fable of lost faith and awakening love amidst the moors. Fetherhoughton is a drab, dreary town somewhere in a magical, half-real 1950s north England, a preserve of ignorance and superstition protected against the advance of reason by its impenetrable moor-fogs. Father Angwin, the town's cynical priest, has lost his faith, and wants nothing more than to be left alone. Sister Philomena strains against the monotony of convent life and the pettiness of her fellow nuns. The rest of the town goes about their lives in a haze, a never-ending procession of grim, grey days stretching ahead of them. Yet all of that is about to change. A strange visitor appears one stormy night, bringing with him the hint, the taste of something entirely new, something unknown. But who is Fludd? An angel come to shake the Fetherhoughtonians from their stupor, to reawaken Father Angwin's faith, to show Philomena the nature of love? Or is he the devil himself, a shadowy wanderer of the darkest places in the human heart? Full of dry wit, compassionate characterisations and cutting insight, Fludd is a brilliant gem of a book, and one of Hilary Mantel's most original works.



    Zum Inhalt

    Die Handlung dieses Romans spielt in den Fünfziger Jahren in Nordengland. Im kleinen Dorf Fetherhoughton ist Father Angwin als Priester tätig. Er hat seinen Glauben längst verloren, versucht aber, seinem "Job" möglichst gerecht zu werden. Er wird von seiner Haushälterin Agnes Dempsey, die seine Einstellung kennt, gut umsorgt und sie ist es auch, die ihn vorwarnt, als der Bischof (offenbar ein Intimfeind von Angwin) mal wieder seinen Besuch ankündigt. Der Bischof mischt sich immer wieder in die Angelegenheiten des Priesters ein, so ordnet er u.a. die Entsorgung fast aller Heiligenfiguren aus der Kirche an. Da Angwin nicht weiß, wie er dabei vorgehen soll, ohne despektierlich zu sein, begräbt er sie auf dem Friedhof.
    Der Bischof stellt Angwin außerdem einen unangekündigten Besuch eines Vikars in Aussicht, der nach Angwins Meinung wohl für den Bischof spionieren soll. Als kurze Zeit später in einer stürmischen und regnerischen Nacht Father Fludd an die Tür klopft, wundert sich Angwin nicht und lässt den Besucher ein. Er wundert sich allerdings in den nächsten Wochen über die Position, die Fludd in den vielen interessanten Gesprächen vertritt und die gar nicht zu einem "Speichellecker von Bischofs Gnaden" passen wollen. Fludd scheint ein Freigeist zu sein, der Obrigkeitshörigkeit ablehnt. Er sorgt dafür, dass die Heiligenfiguren wieder ausgegraben werden.
    Parallel wird die Geschichte von Sister Philomena erzählt. Die junge Irin wurde von ihrer Familie ohne Berufung ins Kloster gesteckt und fristet dort ein unglückliches Leben. Das liegt vor allem an der Mutter Oberin Perpetua, die eine ziemliche Giftspritze ist. Aber auch ihre Tätigkeit als Lehrerin in der Dorfschule des Konvents hängt Philomena zum Hals heraus. Als sie Father Fludd kennenlernt, verliebt sie sich in ihn. Dadurch wird ihr in aller Deutlichkeit bewusst, dass sie zur Nonne nicht geeignet ist und sie überlegt, wie sie den Absprung aus dem ihr aufgezwungenen Leben bewerkstelligen kann...


    Persönliche Beurteilung


    Bisher kannte ich von Hilary Mantel nur die beiden ersten Bände der Cromwell-Trilogie, "Wolf Hall " (dt."Wölfe") und "Bring up the bodies " (dt."Falken"), zwei hervorragend recherchierte historische Romane. "Fludd" ist ganz anders, denn dieser Roman vermischt Realistisches und Mysteriöses. Er zeichnet ein realitätsnahes Bild der dörflichen Verhältnisse in den Fünfziger Jahren des 20.Jahrhunderts, die Hauptfigur Fludd ist jedoch "nicht eindeutig als Mensch zu identifizieren", in seiner Gegenwart spielen sich mysteriöse Dinge ab und es bleibt der Interpretation des Lesers überlassen, ob er eine Art Engel oder Teufel ist. Ich habe mit übersinnlichen Elementen immer meine Probleme und blieb deshalb ratlos zurück. :-k
    Der Schreibstil von Hilary Mantel ist demjenigen ihrer historischen Romane ansonsten nicht unähnlich, auch hier sind die Dialoge der Romanfiguren oft von feinsinnigem Humor geprägt. Die Spannungskurve steigt nur langsam an, die erste Hälfte des Romans empfand ich als weniger fesselnd, dann konnte ich das Buch allerdings nicht mehr aus der Hand legen.
    "Fludd" ist ein recht anspruchsvolles und thematisch "spezielles" Buch, was vermutlich auch der Grund dafür ist, dass es im Gegensatz zu anderen ihrer Romane nicht ins Deutsche übersetzt wurde.


    Fazit


    Ein lesenswerter Roman für Leser mit guten Englischkenntnissen, der sich nicht so leicht weglesen lässt, aber Raum für Interpretationen und Diskussionen lässt.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:




    Dieser Herr scheint die Autorin zu ihrem Roman inspiriert zu haben.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

    Einmal editiert, zuletzt von €nigma ()

  • Wenn ich an dieser Stelle noch einmal auf das Quellcode-Fenster im Editor verweisen dürfte? :-, 8)


    Ich habe den Beitrag überarbeitet. So erregt er hoffentlich kein Missfallen mehr. :wink:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • und wieder ein Buch mehr auf der Wunschliste :loool: danke €nigma für Deine Rezi :)

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Heute ist die deutsche Ausgabe dieses Romans erschienen. Vielleicht kann einer der Moderatoren ( @Squirrel oder @K.-G. Beck-Ewe ) den deutschen Titel in der Überschrift zur Rezension ergänzen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Heute ist die deutsche Ausgabe dieses Romans erschienen. Vielleicht kann einer der Moderatoren ( @Squirrel oder @K.-G. Beck-Ewe ) den deutschen Titel in der Überschrift zur Rezension ergänzen.

    das schaff ich grad noch :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Verlagstext

    Irgendwo im nördlichen England der Fünfzigerjahre: Fetherhoughton ist ein gottverlassenes Nest, eine Enklave der Ignoranz und des Aberglaubens. Father Angwin ist hier der Gemeindepriester, ein Zyniker, der längst seinen Glauben verloren hat und nur noch in Ruhe gelassen werden will; vor allem von dem neuen Bischof, der die Region in moderne Zeiten führen will. Die zweite Heimsuchung des Priesters ist Mutter Perpetua, die ihr Kloster mit eiserner Hand führt und jede Abweichung vom Pfad des Glaubens hart bestraft. Sie hat es vor allem auf die freiheitsliebende junge Nonne Philomena abgesehen. Eines Abends taucht ein Fremder an der Tür des Pfarrhauses auf und bietet Father Angwin seine Dienste an. Ist er ein Spion des Bischofs, wie Angwin glaubt? Ist er ein Engel, der den Priester wieder glauben lässt und Philomena die Liebe lehrt? Oder gar der Teufel selbst?

    Trockener Humor, hervorragende Charakterzeichnung und ein bissiges Porträt der Kirche im England der Fünfzigerjahre.


    Die Autorin

    Hilary Mantel, geboren 1952 in Glossop, England, war nach dem Jura-Studium in London als Sozialarbeiterin tätig. Für den Roman „Wölfe“ (2010) wurde sie mit dem Booker-Preis, dem wichtigsten britischen Literaturpreis, ausgezeichnet. Mit „Falken“, dem zweiten Band der Tudor-Trilogie, gewann Hilary Mantel 2012 den Booker erneut.


    Inhalt

    In Fetherhoughton, einem fiktiven gottverlassenen Nest hat Vater Angwin sich als Priester häuslich eingerichtet. Sein Leben könnte so idyllisch sein, hätte nicht der Bischof sich in den Kopf gesetzt, die Messe zukünftig in Englisch lesen zu lassen und den Aberglauben mit Stumpf und Stiel auszurotten. Angwin fühlt sich entthront und schiebt als Ausrede seine Gemeindemitglieder vor, denen er nicht zutraut, ohne ihre Heiligenfiguren weiter leben zu können. Für den Bischof sind die Figuren schlicht Götzenanbetung, Rüschen und Tand wären Firlefanz und die Gemeinde müsse sich endlich modernen Zeiten anpassen.


    Die Einwohner von Fetherhoughton sind keine Bauern, sondern Weber. Sie leben in Arbeiterhäusern aus Naturstein, ganz auf der Höhe der 50er Jahre mit Kohlenschuppen und Außenklo, das man sich mit dem Nachbarhaus teilt. Die Menschen hassen die Natur und beharren darauf, lieber nicht über das Moor zu sprechen, so etwas tun sowieso nur Fremde. Als ein Mr Fludd auftaucht, könnte der der neue Vikar sein, ein Betrüger oder schlicht ein ausgekochtes Schlitzohr. Für die Pfarrhaushälterin Miss Agnes Dempsey ist Fludd mit Sicherheit eine Herausforderung, als er mitten in der Woche warmes Wasser zum Baden begehrt. Unter Dempseys Fuchtel möchte ich nicht leben müssen, ihre Routine ist zwanghaft. Man muss ihren Kakao trinken und sie muss abends noch Geschirr spülen, sonst würde Agnes vermutlich vom Teufel geholt. Fludd scheint ein direkter und lebenskluger Mann zu sein, nur was tut jemand in Fetherhoughton, der anderen aus der Hand lesen kann? Ein groteskes Szenario entfaltet sich zwischen Angwin, Fludd und der kämpferischen Direktorin der Klosterschule, Mutter Perpetua.


    Fazit

    Hilary Mantel, deren Kurzgeschichten sich durch bissige Ironie auszeichnen, hält sich hier zunächst zurück und zeichnet ein liebevolles, ungeheuer stimmungsvolles Bild der 50er Jahre. Wenn sie nicht selbst in einem Abschnitt der langen Kette britischer Arbeiterhäuser gelebt hat, hat sie zumindest genauestens recherchiert. Ihre Milieuschilderung wirkt wie ein Blick in ein Puppenhaus oder auf eine maßstabsgetreue Modellbahnanlage. Wer eine kräftige Prise Ironie verträgt und das Schmunzeln nicht verlernt hat, wird mit dem Buch seinen Spaß haben.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Toibin - Long Island

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow