Baucheron Éléa, Routex Diane - Skandalkunst/Le Musee des Scandales

  • Klappentext:
    Kunstskandale gibt es, seit es Kunst gibt. Sind es heute häufig religiöse Tabubrüche oder unliebsame politische Statements, die Aufsehen erregen, war es in früheren Zeiten meist mangelhaft bedeckte Blöße, die für einen Skandal sorgte. Selbst Michelangelos Jüngstes Gericht in der Sixtinischen Kapelle zog den Unmut seiner Auftraggeber auf sich, die einen zweiten Künstler mit der „schicklichen“ Übermalung der anstößigen Teile beauftragten. Unter den vier Stichworten Sakrileg, Politisch inkorrekt, Unmoralisch und Grenzüberschreitung versammeln die Autorinnen einen Überblick über die skandalösesten Skandale der Kunstgeschichte vom Mittelalter bis in unsere Tage, wobei alle wichtigen Namen und Epochen vertreten sind: von Masaccio (1427) über Rembrandt (1642) bis zu Jeff Koons (2008 ). Kunstskandale erzählen eben nicht nur etwas über die Kunst, sondern vor allem über ihre Zeit. (von der Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen / Inhalt:
    Originaltitel: Le Musée des Scandales
    Erstmals erschienen 2013 bei olo éditions, Paris
    Aus dem Französischen übersetzt von Annegret Hunke-Wormser und Jutta Orth
    Unter den Kapitelüberschriften
    1. Sakrileg
    2. Politisch inkorrekt
    3. Sexuelle Skandale
    4. Künstlerische Grenzüberschreitung
    stellen die Autorinnen Künstler vom 15. Jahrhundert bis heute vor, deren Werke weit über regionale Grenzen und historische Zeitabschnitte hinweg für Aufsehen sorgten, verboten oder geächtet wurden. Dabei hatte jede Zeit / jeder Künstler mit den speziellen gesellschaftlichen Moralvorstellungen und Moden zu kämpfen.
    Jedes Kapitel beginnt mit einer zweiseitigen kunsthistorischen Einführung zum Thema, stellt Gemälde, Plastiken und Installationen vor, die der öffentlichen Kritik in besonderem Maße ausgesetzt waren, und beweist, dass sich die Inhalte der Aufregung im Laufe der Jahrhunderte gewandelt haben. Doch die Ächtung ist nur die eine Seite der Medaille; Künstler wussten und wissen um die mediale Aufmerksamkeit, die ihnen skandalträchtige Werke bescheren und nutzen dieses Wissen aus, um ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen oder ihre Preise nach oben zu drücken.
    70 Farbtafeln mit Erläuterungen über die skandalöse Wirksamkeit und biographischen Notizen zum Künstler, Namensregister, Bildnachweis, insgesamt 176 Seiten.


    Eigene Meinung / Bewertung:
    „Sakrileg“ – von den ersten religiösen Szenen, die nicht durch hoheitliche und überzeichnete Figuren gestaltet sind bis zu Karikaturen oder Verfremdung des Heiligen in unserer Zeit. Es wäre irrig zu glauben, dass das Sakrileg aus der säkularisierten westlichen Welt der Gegenwart verschwunden ist, und man muss nicht in den arabischen Raum schielen, um es zu lokalisieren. Die Hinfälligkeit eines Papstes darf zwar medial ausgeschlachtet, aber nicht karikaturistisch betrachtet werden?


    „Politisch inkorrekt“ – ein Volk, das militärisch aufrüstet, darf nach dem Willen der Machthaber nicht durch realistische Bilder von Schützengräben und gefallenen Soldaten beunruhigt werden. Ein Volk, das von sich glaubt, höher als andere zu stehen und ganze Volksgruppen vernichtet, verbietet Kunst, die nicht die Ideologie verherrlicht, sondern eigenen Gesetzen folgt; man nennt sie „entartet“, verbannt sie aus den Museen und vertreibt deren Schöpfer und schickt sie in den Tod. Noch heute bezahlen Künstler ihren Widerstand gegen ein herrschendes Regime mit ihrer Freiheit (Ai Weiwei). Noch heute werden Künstler gebrandmarkt, weil sie sind, wie sie sind (Schwule in Russland).


    „Sexuelle Skandale“ - Ist ein Geschlechtsteil per se schamverletzend oder erst, wenn es realistisch gemalt ist? Ist ein Kunstwerk obszön oder sein Betrachter, der es deutet? Wenn eine Nackte Kunst ist, sind dann viele Nackte eine Orgie? Sind ein erkennbares Geschlechtsteil oder eine sexuelle Handlung zwar im Allgemeinen zumutbar, aber nicht mehr dann, wenn sie im Zusammenhang mit religiösen Motiven oder Heiligenabbildungen stehen?


    „Künstlerische Grenzüberschreitung“ – der Begriff lässt sich schwer und fast nur auf die Zeit bezogen definieren. „Bestand das Ziel früherer Grenzüberschreitungen darin, das Feld der Darstellung zu erweitern (s. Anfänge des Impressionismus, Anm.d.Rez.), geht es heute oft nur noch darum, bewusst zu provozieren.“ Das kann die Verbindung altehrwürdiger Kunst mit modernem Kitsch sein, die provozierende Symbolik des Todes oder Verwendung von Körperausscheidungen.


    Das Gefühl, was anstößig und was akzeptabel ist, mag sich zwar im gesellschaftlichen Kontext geändert haben, aber nicht in der individuellen Befindlichkeit. Man wundert sich beispielsweise, in einem Buch der Skandalkunst Werke von Rembrandt, Turner oder Renoir zu finden und liest erstaunt, warum sich irgendwann jemand über die Koryphäen abendländischer Kunsthistorie empörte.
    Das Buch lehrt, wie wichtig es ist, sich eine eigene Meinung zu bilden und weder in den medialen Hype um einen Skandalkünstler einzustimmen. Noch laut nach einer Verurteilung zu rufen ohne die Hintergründe zu kennen. Denn trotz einer anderen Form der Toleranz und trotz der gegenwärtigen Sucht nach Skandalen werden auch heute noch Kunstwerke von aufgebrachten Ausstellungsbesuchern oder verärgerten Zeitgenossen beschädigt oder zerstört.


    Es macht Spaß, in dem Buch zu blättern, sich die Kunstwerke anzusehen, die heute harmlos erscheinen und die Erklärungen zu lesen, warum sie hier aufgenommen wurden. Man darf – zum Zwecke oder unter dem Deckmäntelchen der persönlichen Bildung – seinen voyeuristischen Trieben hemmungslos nachgeben.
    Mögen wir auch heute belächeln, was in vergangenen Jahrhunderten einen Skandal heraufbeschwor, sollten wir nicht vergessen, dass nicht wenige Künstler durch die Ächtung, die aberwitzigen Reaktionen von Publikum und Kunstwelt und die Verfemung seelisch und körperlich krank wurden, einige sogar in den Selbstmord getrieben.


    Fazit:
    Informativer, schön gestalteter Kunstband zum Anschauen, Lesen und Staunen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • @ Mara,
    die ISBN der Originalausgabe habe ich nicht gefunden. Das von Amazon angegebene "Le Musee des Scandales" ist von einer anderen Verfasserin.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • @ Mara,
    die ISBN der Originalausgabe habe ich nicht gefunden. Das von Amazon angegebene "Le Musee des Scandales" ist von einer anderen Verfasserin.


    Puh nach langen herumsuchen denke ich, dass Céline Delavaux und Eléa Baucheron die gleiche Person sind und deshalb doch die ISBN die du gefunden hast stimmt.

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker: