Inhalt
Selbstlose Sozialarbeit mit Menschen, die in gesellschaftliche Schieflage geraten sind, ist etwas Ehrenwertes. Der Sozialarbeiter Jochen könnte die meisten seiner sehr speziellen »Kunden« allerdings zum Mond schießen. Unfreiwillig von der beschaulichen Kulturbehörde einer Kleinstadt in den Sozialdienst versetzt, wird Jochen direkt mit dem Härtefall der Unterschichtfamilie Pröllmann konfrontiert. Nach anfänglicher Orientierungslosigkeit in der Welt der Sonnenbänke und Glitzer-Handys fängt Jochen an, die Familie nebst Tochter Schantall in sein Herz zu schließen. Trotzdem muss er sich gelegentlich Luft machen, um Schantall, Tschastin und Co ertragen zu können. In dieser satirischen Abrechnung zeichnet Jochen schonungslos die Kuriositäten im Leben einer bildungsfernen Familie nach. Egal ob Kindergeburtstage bei McDoof, Dosensektpartys in Lloret de Mar oder erzwungene Kirmesbesuche mit der kompletten Sippschaft- Jochen ist nun Teil des Ganzen. Während sein ambitionierter Plan, Niveau in die Welt der Unterschicht zu bekommen, zum Scheitern verurteilt scheint, stellt sich ihm aus der Nähe betrachtet die Frage, ob nicht bereits ein bisschen »Schantall« in jedem von uns steckt.(Kurzbeschreibung bei Amazon)
Rezension
Ich habe das Buch von Freunden zum Geburtstag geschenkt bekommen. Da ich Soziale Arbeit studiere fand ich das Geschenk auch sehr passend und ich habe mich auch total drüber gefreut, weil ich zuvor auch noch nichts davon gehört habe.
Als zunächst von Sohn Tschastin (Justin) die Rede war, der von Mutter Schantall zum Einkaufen mitgeschleppt wird, war ich schon belustigt, denn so traurig es einerseits auch ist, man erlebt derartige Situationen (natürlich nicht derartig zugespitzt) wirklich auch im echten Leben und fühlte sich an so manche bereits erlebte Situation zurückerinnert. Der Autor Kai Twilfer bedient sich allerdings schon sehr an den Klischees und trägt streckenweise sehr dick auf.
Was ich kritisch sehe ist, dass das Schubladendenken hier irgendwo schon gefördert wird. So frei nach dem Motto alle Hartz IV- Empfänger sind bildungsfern, asozial und kriegen ihr Leben nicht auf die Reihe. Das dem natürlich nicht so ist sollte allen bewusst sein! Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es für den ein oder anderen verletzend ist, wenn diese Vorurteile immer wieder hervorgebracht werden. Da das Buch allerdings eine Satire ist (und somit auch kein Abbild der Realität sein soll) und auch unter der Frage verfasst wurde, wie viel Schantall steckt eigentlich in jedem Menschen? (und ja, auch ich kann sagen dass einem selbst manche Verhaltensweisen gar nicht so fremd sind) finde ich es, na ja sagen wir mal okay. Zudem scheint es der Schantall in dem Buch auch kein Stück etwas auszumachen, den Klischees voll und ganz zu entsprechen. Nein, man gewinnt sogar den Eindruck, dass sie dies als ihre Lebensaufgabe sieht, voll und ganz eine „Schantall“ zu sein. Ich an der Stelle des Autors hätte mich allerdings schon im Nachwort noch bei allen Chantals und Justins entschuldigt, die sich nicht mit diesem klischeehaften Bild der sozialen Unterschicht identifizieren können. Außerdem sollte auch bei einer Schantall die sich voll und ganz diesem Selbstbild hingibt hinterfragt werden, was sie dazu bringt ihren Lebensinhalt ausschließlich aus Shoppen, Glitzerhandys, Partys und Dosensekt bestehen zu lassen. Mir fehlte es am Ende schon, dass der Autor sich mal etwas von den Klischees und den Schubladendenken distanziert.
Wenn man allerdings nur die humorvollen Aspekte betrachtet und davon ausgeht, dass der Autor keine Menschengruppe charakterisieren oder sogar abwerten möchte, fand ich so manche Stelle schon recht amüsant. Die Absurdität so manch einer Situation war doch manchmal schon zum Lachen.
Was mich allerdings enttäuscht hat ist, dass das Buch mit einem Sozialer Arbeit recht wenig zu tun hat. Der Sozialarbeiter Jochen hält sich sehr im Hintergrund und sein sozialarbeiterisches Eingreifen ist für mich nicht erkennbar. Vielmehr durchlebt er die Situationen sehr passiv und nimmt alles peinlich berührt hin. Natürlich ist es als Sozialarbeiter wichtig, die Familie so anzunehmen wie sie ist, aber es ist irgendwie gar nicht so richtig klar, warum er sich überhaupt in der Familie befindet und seine Bemühungen etwas zu verändern sind sehr dürftig. An der Stelle habe ich mir schon gedacht, das Buch ist eigentlich ein Paradebeispiel dafür, dass jeder rumnörgeln und sich an Klischees hochziehen kann. Aber wirklich konstruktive Vorschläge wie man etwas verändern kann hat kaum einer. Wer also bei dem Buch einen sachlichen Hintergrund erwartet und hofft einen humorvollen Einblick in das Leben eines Sozialarbeiters zu bekommen, ist hier an der falschen Adresse. Wer eine ganz nette kurzweilige satirische Unterhaltung wünscht, dürfte mit dem Buch ganz gut bedient sein. Was auf jeden Fall wichtig ist, ist dass man das Buch als Satire versteht und betrachtet und kein Abbild der Realität erwartet und dies auch nicht versucht in der Geschichte zu finden. Natürlich beinhaltet jede Satire auch ein Fünkchen Wahrheit und ich denke da liegt es an einem jeden zu prüfen, in wie fern das publizierte Bild wirklich der Realität entspricht. Der Spaß den ich an dem Buch hatte wird mir jedenfalls verdorben, wenn ich Rezensionen bei Amazon lese, die sinngemäß sagen: „Gut dass es endlich mal ein Buch gibt, dass diese Menschen mal so darstellt wie sie sind. Ich arbeite hin und wieder mit dieser Art Schantalls die sich auf Kosten anderer ausruhen und sich ein schönes Leben machen. Das Buch schildert die Situation noch viel zu harmlos“. Ich hoffe, dass dies nicht die Absicht des Autors war ein realistisches Bild einer Menschengruppe dieser Gesellschaft darzustellen und finde es sehr traurig, dass es offensichtlich von einigen Lesern so verstanden wird. Wie schon gesagt, hier hätte ich mir auch einfach nochmal ein klareres Statement des Autors gewünscht um derartigen Reaktionen vorzubeugen.