Nina Berberova – Der Lakai und die Hure

  • Original : Лакей и девка (Russisch, 1949)


    Dtsche Übersetzung : Anna Kamp, 1988


    INHALT :
    Aufgewachsen als Tochter eines hohen russischen Beamten in Petersburg, folgt die ehrgeizige Tanja ihrem Vater nach Irkutsk und dann nach der Oktoberrevolution nach Japan. Während ihre alte Welt in Russland zusammenbricht, kann sie sich für keinen der Männer, die ihr den Hof machen, erwärmen, aber dann setzt sie sich just den Verlobten ihrer Schwester in den Kopf. Nachdem sie Alexej geheiratet hat, versuchen die beiden in Paris ihr Glück. Aber es dauert nicht lange und er stirbt. Ratlos irrt Tania durch die Stadt der Verlockungen und des Überflusses, gerät von einem Beschützer zum anderen und doch gelingt es ihr nicht, den engen Kreis der armen russischen Immigranten zu verlassen, sondern versinkt sie in Armut und Unglück. Eine letzte Anstrengung führt sie in die Arme des Oberkellners, des « Lakais » Bologowskij, ehemaliger Leutnant in der Garde des Zaren ... (Quelle : Bücher-Wiki ; französischer Klappentext)


    BEMERKUNGEN :
    Vielleicht hätte mich der Titel alleine eher nicht angezogen, da er andere Assoziationen weckt, doch in Verbindung mit dem Autorennamen der exilrussischen Schriftstellerin erwartete ich mehr. Und lag dabei richtig.


    Das Buch besteht aus zwei Teilen. Die eigentlich inhaltsintensive, mehrjährige Zeit bis zum Tode ihres Ehemannes in Paris (siehe oben) wäre von anderen wohl in extenso beschrieben worden. Bei Berberowa wird das zusammenfassend auf vielleicht fünfzehn Seiten erzählt. Bis unsere Heldin, oder sagen wir fast besser « Antiheldin », Tanja in Paris wieder alleine dasteht und sich alleine nicht zu helfen weiß. Sie sehnt sich diffus nach einem besseren Leben und dem Glück, aber sie kann und will wohl nicht wie ihre Freundin häkeln und stricken. Womit könnte sie sich helfen, wenn sie denn nicht den Strick nehmen will ? Sie scheint, fast auf natürliche Weise, auf das Ausgehalten-Werden durch Männer angewiesen und sucht diese Rückhalte immer selbstverständlicher.


    Sie steht schon lange nicht mehr in der ersten Jugend als sie dann auf den Oberkellner Bologowskij trifft. Sie wirkt seltsam apathisch, passiv und rutscht nahezu ausversehen in diese Beziehung, in der der Lakai selber zunächst eine Erfüllung sieht.


    Im folgenden zweiten Teil steht sofort fest, dass Tanja sich sofort wie in einer Sackgasse befindet, in einer drolligen, seltsamen Mischung zwischen dem Erleiden dieser neuen Beziehung, einer Passivität und schon dem aufkommenden Wunsch, dem allen ein Ende zu machen. Und hier erzähle ich mal nicht weiter. Es mag sein, dass der Showdown manchen hier seltsam vorkommt : Was soll das ? Was will diese Frau eigentlich ? Woher dieser morbide Wunsch, den Oberkellner zu belasten ? Wie kommt es , dass sie sich « mit ihm langweilt, doch ohne ihn noch mehr » ?


    Und mitten in diesen gestuellen und verbalen Verrenkungen kommt dann nahezu versteckt die Grundfrage an den anderen, an sich « Und alles in allem : Wozu lebst du ? »


    Das Buch empfinde ich als Crescendo, es gewinnt an Tiefe und Intensität im Verlauf der Seiten. Mit seinen gerade mal 100 Seiten in meiner französischen Ausgabe ist es schnell gelesen und gewinnt wohl auch daran, mehr oder weniger zügig angegangen zu werden. Dem Wagenbach-Verlag ist sicherlich eine gute Ausgabe und Übersetzung des Werkes gelungen.


    Ein weiteres interessantes Werk von Nina Berberowa !


    AUTORIN :
    Nina Nikolajewna Berberowa (russisch Нина Николаевна Берберова) wurde am 26. Juli/8. August 1901 in St. Petersburg geboren und starb am 26. September 1993 in Philadelphia. Sie war eine russische Prosaikerin und Lyrikerin. Ihr Vater stammte aus Armenien und arbeite im Schatzministerium, ihre Mutter stammt von russischen Gutsbesitzern ab. 1919/20 nahm sie ein Studium an der Universität in Rostow am Don auf. Durch die Veröffentlichung ihrer Lyrik kurze Zeit danach, hatte sie die Chance in Petrograd in Kontakt mit Dichterkreisen zu kommen. 1922 verließ sie zusammen mit ihrem Mann Wladislaw Chodassewitsch die Sowjetunion und ließ sich mit ihm, nachdem sie bei Maxim Gorki in Berlin und in Italien lebte, endgültig 1925 in Paris nieder. Von Chodassewitsch hatte sie sich 1932 getrennt, von ihrem zweiten Mann, trennte sie sich 1947, nachdem sie während des Krieges im vom Deutschen besetzten Teil von Frankreich geblieben war. 1950 siedelte sie in die USA über, und arbeitete dort an verschiedene Universitäten als Lektorin und Redaktorin. Außer Literaturkritiken veröffentlichte sie auch weiterhin Gedichte und Erzählungen. (Quelle: Wikepedia, gekürzt)


    Taschenbuch: 96 Seiten
    Verlag: Wagenbach; Auflage: 1., Aufl. (April 2003)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3803124697
    ISBN-13: 978-3803124692

  • Sicherlich gibt es eine Originalausgabe auch in der Ausgabe des Gesamtwerkes der Autorin, doch ich fand keine Inhaltsangaben auf Russisch. Dahingegen fand ich wohl eine angegebene Antholgie unter dem Titel


    Эротизмы


    in der sich diese Erzählung befindet.

  • Eben hat die Verlinkung nicht geklappt... Ich versuche es noch einmal, ansonsten bitte hier nachschauen:
    http://www.ozon.ru/context/detail/id/4886429/


    ISBN: 5040052332

  • Wenn dieses Buch aus der Zeit stammt in der sie in Paris gelebt hat, ist vielleicht die französische Ausgabe , das Original: Le laquais et la putain


    Ich will dies nicht absolut ausschliessen, auch wenn ich lange recherchiert habe und darauf keinen Hinweis erhalten habe. Ich habe übrigens genau diese Ausgabe gelesen! Sie erschien in einer Welle der Wiederentdeckung der russischen Exilschriftstellerin Anfang der 90iger Jahre. Doch gleichzeitig fand ich woanders den Hinweis, dass eine russische Ausgabe schon Ende der 40iger zirkulierte. Da nehme ich stark an, dass sie also auf Russisch geschrieben worden ist!
    Auf verschiedenen Webseiten fand ich den Hinweis, dass sie auch zeit ihres Aufenthaltes in Frankreich in den zahlreichen russischen Exilzeitschriften veröffentlicht hat (auf Russisch). Sicherlich konnte sie als Petersburgerin und dann in Paris lebende Frau Französisch, doch hat sie darin geschrieben?