Eines der sechs Finalisten-Bücher in der Auswahl für den Deutschen Buchpreis 2012
Inhalt:
Im Norden der Steiermark liegt die Helianau, eine Internatsschule für Kinder, die an einer rätselhaften Störung leiden, dem Indigo-Syndrom. Jeden, der ihnen zu nahe kommt, befallen Übelkeit, Schwindel und heftige Kopfschmerzen. Der junge Mathematiklehrer Clemens Setz unterrichtet an dieser Schule und wird auf seltsame Vorgänge aufmerksam: Immer wieder werden Kinder in eigenartigen Maskierungen in einem Auto mit unbekanntem Ziel davongefahren. Setz beginnt, Nachforschungen anzustellen, doch er kommt nicht weit; er wird aus dem Schuldienst entlassen. Fünfzehn Jahre später berichten die Zeitungen von einem aufsehenerregenden Strafprozess: Ein ehemaliger Mathematiklehrer wird vom Vorwurf freigesprochen, einen Tierquäler brutal ermordet zu haben. (Quelle: Klappentext)
Meine Meinung zum Buch:
Hier wird es ganz schwer, etwas zum Buch zu schreiben. Der Stil erinnert stellenweise an David Foster Wallaces Unendlicher Spaß, was nicht verwundert, denn auch Indigo zählt zur literarischen Strömung der Postmoderne.
Wie auch in DFW’s Unendlicher Spaß liest sich Indigo zumindest anfangs verwirrend. Eigentlich bekommt der Leser im ganzen Buch nur wenig Eindeutiges, an dem er sich orientieren kann. Realität und Fiktion verschwimmen auf allen Ebenen, z.B. teilen der Autor des Buches sowie der Mathematik-Lehrer am Helianau-Institut neben dem Namen und Geburtsjahr noch weitere persönliche Daten. Doch es gibt im Buch auch relevante Unterschiede zwischen Realität und Fiktion, es gibt z.B. reale und fiktive Medikamente, der Autor basiert sein Buch auf dem esoterischen Phänomen der angeblichen „Indigo-Aura“, doch im Buch erscheint das Phänomen hinter diesem „geliehenen“ Begriff als komplexer, weil Clemens J. Setz es für das nicht gerade sozial liebenswerte Phänomen der Unerträglichkeit von bestimmten Menschen für andere aufzugreifen scheint.
Der Autor, gerade mal 30 Jahre alt beim Erscheinen seines Buches, scheint über ein enormes Allgemeinwissen zu verfügen. Damit ich halbwegs zwischen fiktiven und realen Elementen zurechtfinden konnte, habe ich beinahe unentwegt neben der Lektüre googeln müssen.
Am sinnvollsten erschien es mir immer wieder, mich während der Lektüre zu fragen, welches Motiv Setz denn gehabt haben könnte, dieses Buch zu schreiben. Meine Antwort wäre darauf, dass er sich mit Indigo gegen Ausgrenzung, Diskrimination und Gewalt stemmt, also gegen die hässlichste Seite des menschlichen Sozialverhaltens. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass er dies sogar auf Attitüden ausweitet wie: „Ich kann den da (oder die da) nicht ausstehen, ich kann sie (ihn) einfach nicht ertragen, der da (die da) macht mich krank!“ Auch mit der Frage, wie Kriterien für eine soziale Ausgrenzung denn eigentlich aussehen sollen und wer denn überhaupt über solche Kriterien bestimmt, scheint sich der Autor zu befassen. Sogar die Kritik, dass möglicherweise gerade diejenigen, die für die Ausgrenzung und Diskriminierung anderer verantwortlich sind, selbst für andere unerträglich sein und sie „krank“ machen können, kommt meiner Meinung nach zum Vorschein.
Für mich passt das gesamte Buch zum oben erwähnten Grundgedanken, mit all den augenscheinlich wirren Episoden, die zum Teil sogar brutal und abstoßend sind. Auf der anderen Seite hat Clemens J. Setz einen Sinn für Humor, der durch verrückte Assoziationen und Unberechenbarkeit oft genug verblüfft und zum Lachen reizt (ich habe einige Male Tränen gelacht, die die zentrale Thematik des Buches meines Empfindens nach nicht banalisieren).
Auch wenn Setz gegen Ende seines Buches ein- oder zweimal für meinen Geschmack ein bisschen über die Stränge geschlagen hat, ist mir das Buch auf jeden Fall Sterne wert. Sowohl die triftige, zeitlos aktuelle Thematik als auch deren literarische und sprachliche Umsetzung machen mich sogar ein bisschen stolz, dass es im deutschsprachigen Raum einen Autor gibt, der seine Gedanken und Kritik zum Thema „soziale Ausgrenzung“ auf solch intelligente Weise im Stil der Postmoderne literarisch zu verpacken versteht (obwohl seine österreichische Nationalität doch ein klitzekleiner Wermutstropfen für mich ist ).
Da dieses Buch sich stark darauf hin ausrichtet, den Leser zum Nachdenken und zu einer jeweils eigenen Meinung anzuregen, wäre es schön, hier noch weitere Kommentare lesen zu können. Es würde mich sehr interessieren, was andere Leser als im Buch gebotene zentrale Thematik auffassen und ihre Stellungnahme lesen zu können.