Steven Uhly - Glückskind

  • Inhalt (Cover):
    Deutschland 2012. "Warum war ich überhaupt so, wie ich war?", fragt sich Hans D.
    Jahrelang hatte er keine Fragen mehr, nicht an sich selber, nicht an das Leben. Im Gegenteil, er war kurz davor, fraglos aufzugeben.
    Und dann? - Dann bringt er eines Tages den Müll hinunter, geht zu den Tonnen, findet im Müll ein Kind. Es beginnt ein berührender Prozess über die Entscheidung, was geschehen muß. Das Kind behalten, es verbergen? Und die Mutter? Eine Mordanklage zulassen, wider besseres Wissen? Was ist gerecht? Wie handeln?
    Am Ende der Geschichte sind die Dinge neu geordnet. Ein Kind wird überlebt haben und mit Hans D. werden wir wissen, dass Liebe der Schlüssel ist für Erkenntnis, Veränderung, für ein gutes Leben.


    Autor:
    Steven Uhly, geboren 1964 in Köln, ist deutsch-bengalischer Abstammung, dabei teilverwurzelt in der spanischen Kultur. Er studierte Literatur, leitete ein Institut in Brasilien, übersetzt Lyrik und Prosa aus dem Spanischen, Portugiesischen und Englischen. Mit seiner Familie lebt er in München.
    Sein erster Roman "Mein Leben in Aspik", ist 2010 erschienen. Sein zweiter Roman "Adams Fuge" erschien 2011. Dafür wurde er mit dem Tukan Preis der Stadt München ausgezeichnet. "Glückskind" ist sein dritter Roman.


    Meine Meinung u. Bewertung:
    Hans traut seinen Augen nicht. Was er zunächst für eine Puppe hielt, bewegt sich und schlägt die Augen auf.
    Was tun? Hilfe holen in seiner Verfassung? Man würde ihn wegen Entführung anklagen. Niemand würde ihm glauben.
    Er nimmt das Kind mit, versteckt es unter seinem Mantel. Schon die Beschaffung von Milchpulver wird zum Problem. Er kann den Supermarkt nicht betreten. Endlich findet er einen Jungen, der bereit ist für ihn das Gewünschte zu besorgen.
    Er improvisiert, organisiert, versorgt das Kind, wäscht sich und putzt die ganze Nacht - wird wieder zum Menschen. Er will das Kind behalten. Wenigstens ihm eine Chance geben. Aber wie soll das klappen? Er wird Hilfe brauchen. Er wird sie finden - in der Nachbarschaft. Das Kind gedeiht und so langsam begreift er was Leben ist, wie Vertrauen funktioniert, was es heißt Freunde zu haben. Dennoch ein Schuldgefühl bleibt. Was ist mit der Mutter?
    Eine Geschichte voller Hoffnung, die verzaubert. Sicher auch ein modernes Märchen, das Glückshormone verstreut und berührt. Die Frage 'kann man vergeben?' stellt sich und bei Hans nach vielen Jahren die Frage nach dem Warum. Also nicht nur eine sentimentale Sache, sondern tiefgründig, nachdenklich machend.
    Der Schluß vielleicht ein wenig zu viel heile Welt, aber Märchen dürfen das.
    Ich habe das Buch jedenfalls sehr gerne gelesen, und ich bin mir sicher es ist für manchen hier genau das Richtige! :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::love:


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Danke für die Rezension, @Conor Ich habe heute nebenbei bei der Arbeit Teile der Verfilmung auf Arte gesehen und fand den Film sehr berührend und gut gemacht.
    Das Buch habe ich mal ganz vorne in meine Wunschliste gesetzt.

    Verstehst du, was es heißt, irgendein bescheuertes kleines Musikstück oder eine Band so maßlos zu lieben, dass es wehtut?
    (Almost Famous)

  • @Autumn: da musst du Wirbelwind danken, ich habe die Rezi gar nicht geschrieben. :wink:
    Den Film habe ich mir vor kurzem angesehen und er hat mich recht gut unterhalten, trotz ein paar Kritikpunkte (Ende, Beweggründe der Mutter).

  • Huch, wie bin ich denn darauf gekommen? ?( Ich glaube ich hatte sogar beim ersten Mal @Wirbelwind geschrieben, aber sie wurde nicht markiert und dann hab ich irgendwie Conor markiert. Seltsame Sachen macht mein Kopf... :)

    Verstehst du, was es heißt, irgendein bescheuertes kleines Musikstück oder eine Band so maßlos zu lieben, dass es wehtut?
    (Almost Famous)

  • Der Klappentext versprach ein Wohlfühlbuch. Heißt für mich: Eine Geschichte, die zum Entspannen einlädt mit liebevoll gezeichneten Personen, die aus einer vertrauensvollen Lebenseinstellung ihren Alltag positiv und mit Blick auf ihr Umfeld und ihre Mitmenschen gestalten, dabei aber nicht oberflächlich durchs Lebens galoppieren, sondern auch ihre Blessuren und Narben davon tragen.


    Nach dieser – meiner – Definition handelt es sich bei „Glückskind“ eindeutig um ein Wohlfühlbuch. Hans lebte nach der Trennung von Frau und Kindern jahrelang gleichgültig und teilnahmslos vor sich hin ohne soziale Kontakte, ohne Beruf, ohne Elan, ließ seine Wohnung und sein Äußeres verkommen, während er haderte: Mit seiner Exfrau, dem Arbeitsamt, den Nachbarn … der Welt.

    Dann die Entdeckung: Das Baby in der Mülltonne. Das dreht den Schalter um, und innerhalb weniger Tage werden Hans und Wohnung sauber und adrett, Nachbarn als Freunde gefunden und der Weg zu Selbstfindung, -erkenntnis, -wahrnehmung eingeschlagen.


    Wo ist der Punkt, an dem ein Wohlfühlbuch für mich aus seiner Definition herausspringt und mich anödet mit seinem rosa Überzug und der alles-wird-wieder-gut-Gesinnung?

    Möglicherweise dann, wenn sich ein moralischer Zeigefinger durch die weiche Handlung bohrt. Wenn die Deutung nächtlicher Träume so passgenau auf die Schwierigkeiten des folgenden Tages zurecht geschnitten sind. Wenn eine Geschichte so glatt läuft, dass man als Leser darauf ausrutscht.

    Oder wenn, wie hier, alles und noch mehr zur gleichen Zeit passiert.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)