Original : Französisch, 2002
INHALT :
Schwer ist es, sich von seinem Land zu lösen. Dieses Buch spricht von dieser Art Leiden. Held ist ein junger Badawi (=Beduine) : ein Mensch der Wüste, der in seiner Familie tief verletzt wurde und des Leides, des Elends überdrüssig geworden ist. Gegen den Entscheid der Familie setzt er die Schulausbildung durch und erhält gar am Ende der Grundausbildung ein Stipendium für ein Studium in Frankreich : wird er dort jemand werden, ein anderer werden ? Dennoch kehrt er ab und an nach Syrien zurück, ist hin- und hergerissen, seine Jugendliebe und die damit verbundenen Versprechen zu halten. Gleichzeitig ist er in seinen Widersprüchen gefangen. Zwischen der Frau, der er das Glück versprochen hat und dem Weg, den er gleichzeitig ins Auge gefasst hat – wie wird er sich entscheiden ? (Quelle : von mir übersetzter und arrangierter Klappentext der französischen Ausgabe)
BEMERKUNGEN :
Wer auch nur sehr oberflächlich die Inhaltsangabe mit der Biographie des Autors vergleicht wird schnell feststellen, dass dieser sich von selber Erlebten hat inspirieren lassen. Das Buch mit seinen kurzen bis sehr kurzen 48 Kapiteln fängt ohne namentliche Erwähnungen an : es geht um « den Jungen, die Mutter » etc. Nur nach und nach gewinnen die Charaktere Namen und Konsistenz. Und er wird gleich mehrmals geächtet und gebrandmarkt sein : in seiner eigenen Familie hat er als Kind einer aus der Ehe verstossenen Frau einen schweren Stand, keinen Zugang zum Vater oder Hilfe von ihm. Auch bei der Großmutter mütterlicherseits, die doch durch ihre Träume von einer besseren Heirat ihre Tochter in diese unglückliche Ehe gedrängt hatte, findet er nur Verachtung und Verurteilung.
Früh verliert er die Mutter (die bei seiner Geburt erst 15 gewesen war!), ist auf sich selbst gestellt und wird in sich den Antrieb suchen - entgegen allen feindlichen Bemerkungen im Umfeld - täglich zur Schule zu gehen und bald zum besten Schüler zu werden. Von dort geht es später nach Raqqah aufs Gymnasium. Einfach kommt er bei Leuten unter, schlägt sich durch, geht seinen Weg.
Er ist « Badawi », das heißt Beduine, also einem Nomadenstamm zuzurechnen. Doch innerhalb der umgebenden syrischen Gesellschaft sind diese wiederum geächtet und verachtet : Maiuf wird auch damit zu leben haben, auch das auszuhalten haben, Anfeindungen bei Mitschülern und anderen.
In Raqqah lernt er etwas die « Stadt und die Welt » kennen, erahnt andere Dimensionen politischer und wirtschaftlicher Art. Zeitweilig entwickelt sich ein politisch ausgeprâgtes Bewußtsein : für die Ungerechtigkeiten ist er sensibel, erfährt er sie doch selber. In der Stadt lernt er auch Faida kennen. Sie verbringen viel Zeit, versprechen (sich) einander vielleicht zu früh, als die offizielle Einladung zu einem Stipendium in Frankreich für Maiuf kommt.
Und dort, wie später in Abu Dhabi, wird er wieder als Außenseiter und eventuell gar Sündenbock dastehen.
Aber was hielte ihn sonst in Syrien ? Kann er so nicht zeigen, dass er, der Badawi, jemand ist ? Es folgen Jahre der Trennung von Fadia, doch wie aus Nostalgie oder Trägheit (?) kann Maiuf sich nicht entscheiden, obwohl beides anscheinend nicht zusammenkommen kann. Auch in seiner Arbeit in Abu Dhabi : Welche Bindung, welcher Ruf wird die Obhand behalten ? Kann man ablegen, was man war und ist ? Kann man ein anderer werden ?
Indirekt stellt Altrad hier Fragen und Probleme aus seinem Leben. Was unsereins so gar nicht sieht oder weiß ist die starke Diskrimierung einzelner Stämme, hier also der Beduinen, in der syrischen Heimat. Ich fühlte mich z.B. an die Roma Europas erinnert, die mit ihrem Unterwegssein aus der Reihe tanzen und vielen ein Dorn im Auge sind. Einige Folgen der erzwungenen Sedentarisierung arbeitet der Autor gut heraus.
Auch finden wir die Fragen von der Verschiedenheit der Kulturen, der Möglichkeiten zur Verständigung (oder eben nicht?). Und auch von zu frühen Versprechungen oder aber den eigenen Widersprüchen.
Altrad erzählt über weite Strecken nüchtern über einen scheinbaren Erfolgsweg des jungen Beduinen aus der Wüste. Doch unter welchem Preis ? Insofern stellt er diesen (sich?!) nicht einfach in das beste Licht. Diese Menschen sind gefangen, zerrissen auch.
So erzählt der Autor - wie es denn auch weitergehend im französischen Klappentext heißt - « voller Ehrlichkeit von der Wüste und den Wunden des Exils ».
Nicht nur angesichts des Dramas in Syrien, aber auch des Schicksals vieler Menschen eine gute Lektüre.
AUTOR :
Mohed Altrad wurde im März 1948 oder 1951 in einem Nomadenstamm in der Wüste Syriens geboren und wurde sehr früh Waise. Er hat keinen Zugang zur Schule und lernt selber das Lesen. Er kann dann in Raqqah Studien abschliessen und macht mit 17 Jahren eins der besten Abiture. Er erhält ein Stipendium und studiert in Frankreich, wo er mehrere Diploma erwirbt und bis hin zum Doktor für Informatik. Er arbeitet zunächst bei Alcatel und Thomson und dann für vier Jahre in der Ölindustrie von Abu Dhabi. Bei seiner Rückkehr nach Frankreich erwirbt er zunächst einen Betrieb im Informatikbereich, 1985 mit wachsendem Gewinn eine Gerüstefirma im Herault. Das ist der Beginn der « Gruppe Altrad », die sich auf Materialien in der Bauindustrie spezialisiert. Inzwischen ist Altrad in vielen Sektoren Nummer 1 (Betonmischer, Gerüste etc.).
Mohed Altrad ist Vater von fünf Kindern, lebt in Frankreich und übernahm auch mit nicht rein geschäftlichem Interesse den Rugbyclub von Montpellier.
Mit Badawi legte er 2002 seinen ersten Roman vor, dem inzwischen andere folgten.
Détails sur le produit
Broché: 254 pages
Editeur : Actes Sud (10 mars 2002)
Collection : Bleu
Langue : Français
ISBN-10: 274273693X
ISBN-13: 978-2742736935