Nevil Shute - Der Pilot der Königin/In the Wet

  • (Da ich bei Amazon keine deutsche Ausgabe mehr finden konnte, habe ich die englische verlinkt, die ich gelesen habe.)


    Anfang der 50er Jahre: der Engländer Roger Hargreaves ist nach dem Tod seiner Frau nach Australien zurückgekehrt, wo er in jungen Jahren schon einmal gelebt und gearbeitet hat, und ist nun Pfarrer in Queensland. Sein Gemeindebezirk besteht aus weit versprengten Kleinstädtchen und Farmen, Besuche bei seinen "Schäflein" bedeuten tagelange Trips durch karges, ödes Land. Während der Regenzeit, "in the wet", sind manche Orte praktisch gar nicht über Land erreichbar. So ist auch die Reise zu einem sterbenden alten Mann, der weit draußen bei einem chinesischen Gemüsebauern lebt, ein äußerst schwieriges Unterfangen. Gemeinsam mit einer Krankenschwester begleitet Hargreaves, selbst gesundheitlich angeschlagen, die letzten Stunden des Kranken und versucht sich einen Reim auf dessen wirres, fiebriges Gestammel zu machen.


    Parallel erzählt Shute die Geschichte Davids, eines jungen australischen Fliegers, der in den 80er Jahren zum Piloten eines der persönlichen Flugzeuge der Queen ernannt wird. England ist seit Ende des 2. Weltkriegs sozialistisch, aus Nostalgie hat man aber bislang am Könighaus und am Commonwealth festgehalten. Während in Australien und Kanada Wachstum und Wohlstand herrschen, ist das Mutterland seit Jahrzehnten wirtschaftlich auf dem absteigenden Ast und kann kaum seine Menschen ernähren - und es brodelt immer mehr beim Volk, das die persönliche Flugzeugflotte für die Queen für eine riesengroße Geldverschwendung hält ...


    Shute ist ein wunderbarer Erzähler, der mit schlichten Worten und ohne große Umschweife das Australien der 50er Jahre und seine Bewohner lebendig werden lässt, die "kleinen", einfachen Leute, die harte Arbeit, die Naturgewalten, von denen alle abhängig sind und die mehr oder weniger klaglos hingenommen werden. Irgendwas hat sein klarer, einfacher, vielleicht auch ein wenig altmodischer Stil, das mich viel mehr berührt, als es manchmal ausschweifende Schilderungen vermögen.


    Zudem ist er ein Meister der Überraschungen. Auch hier nimmt das Buch eine erstaunliche Wendung, diesmal hin zu einer düsteren Zukunftsvision in Großbritannien, die ich gerade deswegen interessant zu lesen fand, weil die geschilderte Zukunft für heutige Leser schon 30 Jahre zurückliegt. Spannend, dieses "so hätte es sein können" mit der jetzigen Welt zu vergleichen.


    Roger und David sind beide auf ihre Art sympathische Protagonisten, die mir ans Herz gewachsen sind - der auf ruhige Art engagierte Pfarrer, der merkt, dass er nicht mehr so viel Kraft hat wie früher, und der junge Pilot, der seinen Beruf über alles liebt, sich aber über seine Karriere nie allzu große Gedanken gemacht hat und äußerst überrascht ist über die neue, verantwortungsvolle Aufgabe, für die er ausgewählt wurde.


    Lange Zeit habe ich mich gefragt, wo wohl die Verbindung zwischen den beiden Handlungssträngen liegt. Die Auflösung mag nicht jedermanns Sache sein, mir hat sie jedoch gut gefallen, und auch dieses wird nicht mein letztes Buch von Shute gewesen sein.


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