Seit einem Unfall hält das Kurzzeitgedächtnis eines ehemaligen Mathematikprofessors nur noch 80 Minuten. An lang Zurückliegendes kann er sich jedoch problemlos erinnern und sein geniales mathematisches Verständnis ist ihm geblieben. Seine neue Haushälterin baut durch die Mathematik eine Vertrauensbasis zu ihm auf und nach kurzer Zeit gibt der ehemalige Professor ihr und ihrem zehnjährigen Sohn Einblicke in die faszinierende Welt der Mathematik, so dass auch die beiden nach kurzer Zeit die Poesie der Zahlen entdecken und die Bindung zum Professor immer inniger wird.
Ich muss zugeben, dass ich das Buch wahrscheinlich nicht gelesen hätte, wenn ich es nicht geschenkt bekommen hätte. Obwohl das Cover wunderschön ist und ich sogar Mathematik mag, hätte ich im Buchladen wahrscheinlich nicht danach gegriffen, da ich mich etwas "Sachliches" wie Mathematik nur schwer in einem Roman vorstellen konnte. Dieses hat sich nach dem Lesen aber komplett geändert, denn Yoko Ogawa zeigt in "Das Geheimnis der Eulerschen Formel" wie schön, wie poetisch und wie anmutig die Mathematik sein kann. Somit ist der Inhalt absolut tauglich für einen Roman der Gegenwartsliteratur.
Wer Mathematik völlig verabscheut und bei einem Pluszeichen oder der Erwähnung einer Wurzel schon einen hysterischen Anfall bekommt, der sollte das Buch nicht lesen. Ansonsten kann sich aber jeder herantrauen. Man muss absolut kein Mathematiker sein, um den Inhalt zu verstehen. Die Haushälterin und ihr Sohn hatten bisher keine besondere Neigung zu dieser Naturwissenschaft. Sie bringen kaum mathematisches Wissen mit und trotzdem ermöglicht es der Professor ihnen, die Schönheit von Zahlen zu erkennen und dasselbe Phänomen erzielt er auch beim Leser.
Mathematik umgibt uns. Alles beruht auf Zahlen, Gleichungen und logischen Schlussfolgerungen. Doch meistens betrachten wir Zahlen nur als abstrakte, mathematische Objekte. Dass damit gespielt werden kann und Zahlen überraschen können, gerät dabei oft in Vergessenheit. Der ehemalige Professor liebt seine Mathematik jedoch und das vermag Ogawa gekonnt in Worte zu beschreiben. Ihr Roman hat eine ganz eigene Atmosphäre, in der es nicht nur um Zahlen geht, sondern auch um Erinnerungen und um das soziale Miteinander. Alle Charaktere sind gut ausgearbeitet und obwohl keiner von ihnen einen Namen besitzt, wirken sie nicht fremd oder anonym.
Fazit: Ein ruhiger Roman, der durch seine Atmosphäre überzeugt und die Liebe zur Mathematik vermittelt. Unbedingt lesen, auch wenn der erste und der zweite Gedanke eventuell heißen "Mathematik, nein danke" oder "Japanische Autorin, nein danke". Jeder der so denkt, wird ein bewegendes Buch verpassen. 5/5 Sterne.
Taschenbuch: 250 Seiten