Stef Penney - Was mit Rose geschah / The Invisible Ones

  • Inhaltsangabe (Quelle: Verlagsseite)
    Privatdetektiv Ray soll eine verschwundene junge Frau finden - Rose Janko. Doch verschwunden ist sie schon vor sechs Jahren. Warum hat damals niemand nach ihr gesucht? Warum jetzt? Die Familie schweigt, denn die Jankos sind eine Roma-Familie, die ganz unter sich bleibt - und vom Unglück verfolgt scheint, so sehr, dass man munkelt, es liege ein Fluch über der Familie ... Ray nimmt den Auftrag widerstrebend an. Was er bei seinen Nachforschungen über die Jankos erfährt, bestärkt sein Unbehagen. In der ganzen Familie scheint nur der 14-jährige JJ wissen zu wollen, was damals mit Rose geschah. Ray wird immer tiefer in ein Netz aus Geheimnissen und Lügen hineingezogen, und als er dicht davor ist, das Rätsel, das die Familie umgibt, zu lösen, wird ihm das beinahe zum Verhängnis.


    Autorin (Quelle: Verlagsseite)
    Stef Penney aufgewachsen in Edinburgh, studierte zunächst Philosophie und Theologie an der Bristol University, später Filmwissenschaft am Bournemouth College of Art. Heute lebt sie in London. Ihr erster Roman, ›Die Zärtlichkeit der Wölfe‹ (2007), wurde ein Welterfolg und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.


    Allgemeines /Aufbau
    Erscheinungstermin: 1.Juli 2013 im Deutschen Taschenbuch Verlag
    Taschenbuch 448 Seiten
    Originaltitel: "The invisible ones"
    Übersetzerin: Susanne Goga-Klinkenberg
    Drei Hauptteile mit insgesamt 65 Kapiteln und ein Glossar mit Roma-Begriffen
    Erzählung in der dritten Person, wechselnd aus den Perspektiven der beiden Hauptfiguren


    Inhalt
    Der Privatdetektiv Ray Lovell, seiner Abstammung nach zur Hälfte ein Rom (Zigeuner), erhält von dem Rom Leon Wood den Auftrag, dessen verschwundene Tochter Rose zu suchen. Das Merkwürdige an der Sache: Mr.Wood hat seine Tochter seit sechs Jahren nicht mehr gesehen. Damals fand ihre Hochzeit mit Ivo Janko, dem einzigen Sohn einer Roma-Familie, statt. Noch binnen Jahresfrist verschwand Rose und ließ ihren an einer Erbkrankheit leidenden Sohn Christo bei den Jankos zurück. Die Familie Janko behauptet, Rose sei mit einem anderen Mann weggelaufen und hat all die Jahre nichts unternommen, um ihren Verbleib zu klären. Mr.Wood glaubt hingegen, die Jankos hätten Rose umgebracht. Ray soll in dieser Sache ermitteln, aber er ist nicht der Einzige, der sich für Rose interessiert: Auch Ivos vierzehnjähriger Neffe JJ (James Janko), der sich dem kleinen Christo eng verbunden fühlt, möchte wissen, was mit dessen Mutter geschah und was die anderen Familienmitglieder, darunter seine alleinerziehende Mutter Sandra, seine Großeltern und sein Großonkel Tene Janko vor ihm verbergen.


    Persönliche Beurteilung
    Dem Klappentext nach könnte man dieses Buch für einen Krimi halten, es handelt sich aber tatsächlich um einen Roman um ein Familiengeheimnis, der dem Leser viel Einblick in das Leben und Denken der Roma vermittelt. Es wird abwechselnd aus der Perspektive der beiden Hauptfiguren erzählt. Der Privatdetektiv Ray Lovell ist zur Hälfte ein Rom, sein Vater hatte eine gorjio (Nicht-Rom, Sesshafte) geheiratet und das Fahren aufgegeben. JJ wächst dagegen innerhalb des Großfamilienkreises in einem Wohnwagen auf, besucht aber eine staatliche Schule. Er ist ein Wanderer zwischen den gegensätzlichen Lebensbereichen, was auch am Umgang mit Christos Krankheit sichtbar wird. Glaubt er zunächst noch an einen "Familienfluch", dem schon einige männliche Jankos zum Opfer gefallen sind und den man mit speziellen Roma-"Heilmethoden" oder durch eine Wallfahrt nach Lourdes zu heilen hofft, setzt er sich später dafür ein, dass Christo in einem Londoner Krankenhaus behandelt wird. Dort wird festgestellt, dass es sich bei der geheimnisvollen Krankheit um das Barth-Syndrom handelt, das, x-chromosomal rezessiv vererbt, nicht heilbar ist , dessen Auswirkungen aber durch eine gezielte Therapie gelindert werden können.
    Der Roman beginnt chronologisch in der Mitte der geschilderten Ereignisse. Ray liegt im Krankenhaus, nachdem er nach einem Autounfall hilflos und mit temporären Lähmungen aufgefunden wurde. Es wird eine Vergiftung mit Bilsenkraut und Mutterkorn diagnostiziert, Ray versucht sich an die dem Unfall vorausgehenden Ereignisse zu erinnern und lässt den Beginn seiner Ermittlungen Revue passieren. Dabei erfährt der Leser auch einiges aus seinem Privatleben.
    Ein großer Teil der Handlung vollzieht sich nach Rays Entlassung aus dem Krankenhaus und einer teilweisen Klärung des Vermisstenfalls, die paradoxerweise weitere Fragen aufwirft. Hier nimmt die Handlung an Spannung zu, ohne dass man von einem typischen Krimi sprechen könnte.
    Die Charakterisierung der Figuren ist sehr gelungen, beide Hauptfiguren sind sehr sympathisch, ohne unglaubwürdig perfekt zu sein. Auch die weiteren Romanfiguren sind detailliert gezeichnet.
    Der Erzählstil der mir bisher unbekannten Autorin ist sehr ansprechend und vermag mit leisen Tönen zu fesseln. Sehr reizvoll ist bei diesem gut konstruierten Roman das ungewöhnliche Sujet, das die Romanhandlung im Roma-Milieu der Achtziger Jahre des 20.Jahrhunderts ansiedelt.


    Fazit
    Ein außergewöhnlicher Roman, den man Liebhabern von Erzählungen um Familiengeheimnisse bedenkenlos empfehlen kann!
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ein besonderer Dank an @€nigma
    dank deiner Rezension bin ich auf das Buch aufmerksam geworden, konnte es gezielt in der Bücherei suchen und habe mich in den letzten Tagen wunderbar unterhalten. :thumleft:


    Es unterscheidet sich von den üblichen Familiengeheimnis-Romanen schon allein durch das Umfeld. Kein Herrenhaus, kein Schloss, kein düsteres Gemäuer, sondern Wohnwagensiedlung und Vorstadt-Flair in der Mitte der 1980er Jahre als Orte der Handlung.


    Am Anfang tat ich mich schwer mit den genauen Verwandtschaftsbeziehungen; es geht immerhin um drei Generationen und ihre diversen Verästelungen. Doch je weiter ich kam, desto vertrauter wurden sie.


    Die Teilung in zwei Protagonisten treibt die Geschichte voran, die sich je weiter man kommt, immer spannender liest. Bis zur endgültigen Klärung muss man sich von einigen Theorien verabschieden, zu denen die Autorin ihre Leser führt, um dann umzuschwenken und neue Details ans Licht zu bringen. Der Privatdetektiv ist ebenso überrascht wie der Leser.


    Eine leicht lesbare Sprache, ein gelungener Aufbau, eine interessante Handlung, gut gezeichnete Personen - was verlangt man von einem unterhaltsamen Spannungsroman mehr?

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)