Shahriar Mandanipur - Eine iranische Liebesgeschichte zensieren

  • Inhaltsangabe:


    Zitat

    Ein iranischer Schriftsteller ist es leid, immer nur düstere Romane mit tragischem Ausgang zu schreiben. Also beginnt er eine Liebesgeschichte ein Projekt mit Tücken. Wie erzählen, wenn es den Liebenden verboten ist, sich allein zu begegnen, sich in die Augen zu schauen?
    Wie ein mächtiger Schatten wacht Herr Petrowitsch, der Zensor, über jedes Wort und liest sogar die Ge-danken des Schriftstellers zwischen den Zeilen. Also müssen Sara und Dara, das junge Paar aus Teheran, tausend Listen und Tricks ersinnen, um sich zu finden.


    Quelle: Klappentext



    Meine Meinung:


    „Eine iranische Liebesgeschichte zensieren“, so der Titel des im Iran nicht veröffentlichbaren Romans des Autoren Shariar Mandanipur. Dieser emigrierte in die Vereinigten Staaten um seine „Censoring an Irian Love Story“ in englischer Sprache und nicht in seiner Muttersprache – Farsi, veröffentlichen zu können. Die Handlung des brisanten Stoffes setzt auf mehreren Ebenen an, die einen zensierten und einen unzensierten Textanteil aufweisen. Wie der Titel bereits vorgibt, handelt es sich um eine Liebesgeschichte. Doch der geneigte westliche Leser, darf nicht den Fehler begehen und eine gängige Geschichte, wie dem Alltagsleben entsprungen, erwarten.
    Denn in einem Land, indem Frauen keinen Wert besitzen, ist der Kontakt zu allen männlichen Wesen untersagt, die sich nicht auf Blutsverwandtschaft berufen können, kann eine aus unserer Sicht ablaufende Liebesgeschichte nicht stattfinden.
    Dennoch finden sich die 20-jährige Literaturstudentin Sara und der 30-jährige Aushilfsanstreicher Dara in der sittenstrengen Welt Thereans. Er schickt ihr codierte Liebesbriefe, die er in im Iran verbotener Literatur versteckt. Beide kommen schließlich trotz Hindernissen, wie in Form von Saras Freier, Herrn Sindbad, zusammen.
    Mandanipur der eigentlich vor hatte eine glückliche Liebesgeschichte zu verfassen, muss schließlich einräumen, dass seine Geschichte ohne Happy End auskommen muss.
    Der Autor schreibt eine seiner Art einzigartig Geschichte mit bitterer Ironie gespickt. Dabei zeigt er sich als sehr erfinderisch, wenn es darum geht, die strenge iranische Zensur zu umgehen und Möglichkeiten für sein Liebespaar zu finden – sich zu finden.
    Die Handlung springt beständig zwischen zensierten und unzensierten Passagen. Einige Handlungsstränge wiederholt Mandanipur in unterschiedlichen Variationen, was beim Leser jedoch zu leichten Irritationen führen kann. Es wird deutlich, dass Mandanipur speziell für eine westliche Leserschaft schreibt, da er das Alltagsleben sowie die historische und politische Situation im Iran erläutert, ohne dieses Wissen wäre es nur bedingt möglich, der Handlung folgen zu können.
    Mandanipur schreibt mit der Zensur im Nacken und äußert daher Kritik am iranischen Leben in verschlüsselter Form. Die große Belesenheit des Autors führt dazu, dass er eine Reihe von namenhaften Autoren, wie beispielsweise Charles Dickens, Thomas Hardy und Nathaniel Hawthrone, um nur einige wenige zu nennen, sowie deren Werke, die größtenteils aus dem 19. Jahrhundert stammen und vor allem Tugendhaftigkeit, Moral sowie Sünde der viktorianischen Ära thematisieren und das Elend und Leid der Unterschicht anprangern. Teilweise werden Titel symbolisch verstanden, teilweise setzt Mandanipur auf die Belesenheit seiner Leserschaft. Denn die Rolle der Frau wird meist als die der Sünderin bzw. Verführerin verstanden. Diese Anspielungen werden beispielsweise bei Hawthrones „Der scharlachrote Buchstabe“, indem es um eine Ehebrecherin und ihre Liebe zu einem Pfarrer in der neuenglischen Puritanergemeinde im 17. Jahrhundert geht. Mandanipur steht eindeutig auf der Seite der Frauen und kämpft für deren Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit und die Wahl zu lieben, wen immer man möchte. Doch genauso wie Mandanipur sein Augenmerk auf die westliche Literatur legt, kennt er sich freilich auch in der Abendländischen aus und lässt teilweise die Figuren aus den Märchen von 1000 und 1 Nacht wieder auferstehen. Sein Roman gleicht einem Flickenteppich, der mit vielen unterschiedlichen Fäden gewebt wurde. Jedoch besteht die Gefahr, sich in den vielen, teilweise parallelen Handlungsfäden, zu verlieren. Dennoch bleibt dem Roman anheim, dem Leser einen Blick in eine fremde Kultur zu gewähren und deren Rückständigkeit im Einfluss von Politik und im Spiegel der Historie zu betrachten.

    Ich liebe die Bücher; sie sind kalte, zuverlässige Freunde. (Victor Hugo)