Klappentext:
Lissabon, 1985: Vincent Balmer, ein französischer Journalist, und der Fotograf António sollen gemeinsam über den Prozess gegen einen Serienmörder berichten. Doch interessiert die beiden vor allem ihr privates Lebensglück. António hat Erfolg bei Frauen und ist zudem in Vincents Ex-Freundin Irène verliebt. Vincent täuscht eine Liebschaft vor und flüchtet sich in die Bekanntschaft mit Manuela, die ihn jedoch bald abweist. Aus Neugier und aus Eifersucht macht sich Vincent auf, Antónios seit langem verschwundene Jugendliebe Pata in Lissabon aufzuspüren. Hintergründig erzählt Le Tellier vom Glück und Unglück in der Liebe. (von der Verlagsseite kopiert)
Zum Autor:
Hervé Le Tellier wurde 1957 in Paris geboren. Er veröffentlichte viele sehr originelle Bücher, Romane, Erzählungen, Gedichte und Kolumnen. Seit 1992 ist er Mitglied der Autorengruppe OuLiPo (Ouvroir de Littérature Potentielle), die von François Le Lionnais und Raymond Queneau gegründet wurde und der Autoren wie Georges Perec, Italo Calvino oder auch Oskar Pastior angehörten. ›Kein Wort mehr über Liebe‹ ist das erste Buch von Hervé Le Tellier in deutscher Übersetzung. (von der Verlagsseite kopiert)
Allgemeine Informationen:
Originaltitel: Eléctrico W
Erstmals erschienen 2011 bei Éditions Jean-Claude Lattès
Übersetzt von Jürgen und Romy Ritte
Neun Kapitel gemäß der Tageszahl und mit dem Vornamen einer Figur des Kapitels überschrieben, Prolog, Epilog, 277 Seiten
Erzählt aus der Ich-Perspektive Vincents
Inhalt:
Antonio hat Erfolg bei Frauen und ist zudem in Vincents Ex-Freundin Irène verliebt. Seine große Liebe hatte er einst in der jungen Pata gefunden. Doch damals herrschte Salazar, die Moralregeln waren streng und Pata plötzlich verschwunden. Vincent scheint kein Talent für das Leben zu haben; was er sich vornimmt, gelingt meist nicht. Er übersetzt zum Zeitvertreib Texte des portugiesischen Dichters Montestrela und täuscht Antonio gegenüber eine neue Liebschaft vor. Er kommt auf die Idee – ohne dass Antonio davon weiß -, Pata in Lissabon aufzuspüren. (Auszug aus dem vorderen Klappentext)
Eigene Meinung / Bewertung:
Antonio und Vincent arbeiten nicht; kein einziges Mal setzen sie sich zusammen, um ihren Artikel zu planen, Recherchen zu betreiben oder das gemeinsame Vorhaben abzusprechen. Stattdessen beschäftigen sie sich mit Frauengeschichten (Antonio) oder dem persönlichen Elend, keine Frauengeschichten zu haben (Vincent). Fünf Frauen tauchen auf, die aber, weil ohne Rolle für den Fortgang der Handlung, nur Statistenstatus haben.
Auch wenn sie bisher schon einige Reportagen zusammen gemacht haben, Freunde sind die beiden Männer nicht geworden, und ihr kollegiales Miteinander beschränkt sich auf gemeinsames Essen oder Spaziergänge. Obwohl Antonio seine anrührende Geschichte von Pata und der großen Liebe erzählt – die einzigen gefühlvollen Passagen des Buches -, bleibt er als Person bis zum Ende nicht greifbar, und Vincent ergeht sich im Lamento über sein nicht geglücktes Leben: Keine Frau will etwas von ihm wissen, mit seinem geplanten Roman kommt er nicht weiter, von seiner Familie existiert nach dem Tod der Eltern nur ein Bruder, mit dem er kaum Kontakt hält.
Sein einziges Vergnügen: Die Übersetzungen der Contos aquosos von Jaime Montestrela. Tatsächlich hat Le Tellier selbst diesen Dichter aus dem Portugiesischen ins Französische übersetzt, und die kurzen knackigen Texte, die im Buch wiedergegeben sind, lösen Bedauern aus, dass sich bisher kein deutscher Übersetzer fand.
Hofft man, dass Vincents Suche nach Pata zu einem Rätsel, einem Detektivspiel wird, sieht man sich enttäuscht. Nur wenige Schritte sind notwendig. Dieser Erzählstrang endet ebenso unsentimental wie realistisch.
Es scheint, als wolle Le Tellier wie bereits in „Kein Wort mehr über Liebe“ seine Leser in größtmöglicher Distanz zu seinen Figuren halten. Bis auf die erwähnte Passage, in der Antonio seinem Kollegen von Pata erzählt, bleibt man als Unbeteiligter außen vor. Man nimmt wahr, was geschieht, aber man ist nicht dabei.
„Auf das Wesentliche konzentriert“ lobte der Feuilleton den ersten ins Deutsche übersetzten Roman des Autors, was sich auch von „Neun Tage in Lissabon“ sagen ließe – sofern man der Ansicht ist, dass Emotion und Mit-Empfinden nicht zum Wesentlichen gehören.
Fazit:
Ein sprachlich gut gemachter Roman, der die Entwicklung seiner Protagonisten nur an der Oberfläche berührt.