ich hatte das thema heinrich heine an anderer stelle eröffnet, weil ich auf folgende diskussion hinaus wollte:
anhand heines beispiel, man könnte auch jeden anderen schriftsteller nehmen:
heine wird meist oder beinahe ausschließlich als politischer schriftsteller mit einem züngelnden hang zu ironie dargestellt. jemand antwortete mir zum beispiel, er habe sich der ehelichen treue nicht sehr verpflichtet gefühlt....das mag ja alles sein.
doch wenn man seine gedichte liest und versucht, sich einzufühlen, muss man doch die immense traurigkeit bemerken, die ganz sicher nicht nur politischer natur ist.
meine frage an dieser stelle:
die literaturwissenschaft vergöttert heute menschen, autoren, die zu lebzeiten verkannt ein meist einsames dasein fristeten - man kann auch in einer menschenmenge und im bett mit fünf gespielinnen einsam sein.
kein mensch kann sich anmaßen, das wahre wesen und sei es das der eigenen kinder zu KENNEN.
woher WEISS man also, dass man menschen heute deuten könnte, die mitunter jahrhunderte verstorben sind? warum trichtert man einer jugend psychoanalysen eines heine, eines kafka ein.... wenn man diese autoren nicht gesehen hat, wenn sie abends alleine zu bett gingen? wenn sie einsam waren? wenn man nie wissen wird, wie sie wirklich FÜHLTEN?
ist das nicht pure anmaßung?
reduziert man einen menschen nicht willkürlich auf vermeintlich wissenschaftliche erkenntnisse?
ich habe selbst literaturwissenschaften studiert und das studium letztlich verworfen. eine unterredung mit meinem dozenten war hierfür ausschlaggebend, da er sagte: wenn du selbst mal schreiben möchtest, dann nimm einen anderen weg, denn diese wissenschaft beschäftigt sich nicht mit einem gesamtwerk, sondern seziert wort für wort; das habe nichts mehr mit lesen und literatur zu tun, sagte er.
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ich glaube, dass so mancher autor, wenn er auf erden herabblickt und die stupiden "erkenntnisse" seines wesens vernimmt, die vierzehnjährigen vorgetragen werden, alsbald sie unerträglich in ihrem kopf verhallen, sehr traurig sein muss.
beispiel heine:
Und als ich Euch meine Schmerzen geklagt,
Da habt ihr gegähnt und nichts gesagt;
Doch als ich sie zierlich in Verse gebracht,
Da habt Ihr mir große Elogen gemacht.
bedeutet das nicht, er brauchte ironie um sich gehör zu verschaffen? und wenn er das schreibt, bedeutet das nicht auch, dass sein vermeintliches lachen nicht ein weinen war? verkörpern diese zeilen nicht eine zeitlosigkeit, auch wenn sie nicht politisch gemeint sind? gerade heute.
liest man nicht am besten mit dem herzen, anstatt nebenher ein verzeichnis von zeittafeln und daten zu begutachten?