Andreas Maier – Wäldchestag

  • Original : Deutsch, 2000


    INHALT :
    Sebastian Adomeit, Naturkundler und Ornithologe, über den man in seinem Wetterauer Provinznest mehr Mutmaßungen erzählt als Tatsachen, auch wenn er gar nicht so abgeschieden gelebt hat, wird zu Grabe getragen. Über sein Vermögen kursieren wilde Gerüchte, und Skandalöses munkelt man auch über seine Beziehung zur Schwester, die er vor vielen Jahren wegen eines unehelichen Kindes aus dem Haus gejagt haben soll. Adomeit hat seinen Tod so inszeniert, dass die Beerdigung ausgerechnet am Pfingstsonntag stattfindet. Die angereiste Verwandtschaft und all die Sensationshungrigen im Dorf müssen sich aber noch zwei weitere Tage gedulden, denn auch für die Testamentseröffnung ist vom Verstorbenen ein unpassender Termin festgelegt worden: der Pfingstdienstag, an dem man im Frankfurter Raum traditionell im Wald zusammensitzt und Wäldchestag feiert. Andreas Maier lässt seinen Erzähler berichten, was er in Kneipen, auf dem Friedhof, bei den Gesprächen zwischen den Einheimischen und Fremden aufschnappt, was ihm gebeichtet oder vertraulich als todsicher wahr hintertragen wird. So entsteht eine tollkühn erzählte Geschichte über einen gebeutelten Kerl, der der Welt auf beeindruckende Weise eine Nase dreht.(Quelle : Suhrkamp, Verlagsbeschreibung)


    BEMERKUNGEN :
    Adomeit hat für die einen im Dorfe und in der Verwandtschaft den Ruf als Spinner und Kauz, anderen, wie einer aufmüpfigeren Nichte oder dem viel jüngeren, skeptischen Schossau war er ein guter Freund und fast Lehrer. Über seinen eigenen Tod mit 71 Jahren war er so gut informiert, dass er es so einrichtet, dass am ungewohnten Pfingstsonntag die Beerdigung stattfinden wird und die Testamentseröffnung zwei Tage später – zum Ärger mancher Nehestehender um 7.00 morgens – am so genannten Wäldchestag. Als ob er sich über seinen Tod hinaus über den ein und die anderen amüsierte.


    Und so wie der Erzähler dann alles wiedergibt, fast durchgehend im anfragenden, leicht zweifelnden Konjunktiv, scheint nichts absolut sicher. Vermutungen, Gedankengebäude werden hier errichtet und der Tod Adomeits scheint uns ein Panorama über einige Leute im Umfelde Adomeits zu liefern und einen Einblick in eine Dorfwirklichkeit zu geben in ihrer Widersprüchlichkeit, den Gerüchteküchen und auch wahren Freundschaften. Über vieles kann man hier herzlich lachen, so klar ist der Blick des Autors auf manch kleinliches Gehabe, auf die Habgier und falsche Etikette etc... Im Angesicht des Todes und erhofften Erbansprüchen werden wahre Motive offengelegt und bloßgestellt.


    Der ganze Roman ist nahezu durchgehend, wie gesagt, im Konjunktiv geschrieben : gewöhnungsbedürftig, doch sehr interessant. Zudem in den drei voneinander getrennten Teilen (Tagen) ebenso ohne Absatz und manchmal die Perspektive, das Thema, die Hauptperson ohne weitere Einführung wechselnd. Er erscheint, insbesondere durch eine fast übersehbare Einleitung, als eine « Beantragung einer Kur für Schossau (dem jungen Freund Adomeits), um der Existenz neuen Sinn zu geben ». So als ob dieses Geschehen jener drei Tage voller Unsinn und Absurditäten wäre. Lassen sie uns am Sinn verzweifeln ? Oder amüsieren wir uns prächtig mit dem phantasievollen Andreas Maier ?


    Ein herrliches Buch !


    AUTOR :
    Andreas Maier (* 1. September 1967 in Bad Nauheim) ist ein deutscher Schriftsteller. Er studierte Altphilologie, Germanistik und Philosophie in Frankfurt am Main. Seine Romane stehen in der Tradition des österreichischen Autors Thomas Bernhard, mit dem er sich 2002 in seiner Dissertation auseinandersetzte (veröffentlicht als Die Verführung. Die Prosa Thomas Bernhards). Maiers Werke spielen bevorzugt in der Wetterau, in Tirol oder Frankfurt und thematisieren gedankenlose Sprachkultur und (fehlgeleiteten) politischen Aktionismus. Maier äußert sich auch in Zeitungsartikeln und seinen Poetikvorlesungen zu Fragen der Politik, des Umweltschutzes und der richtigen Lebensführung. Der Autor schreibt für die Literaturzeitschrift Volltext die Kolumne Neulich. 2010 erschienen diese Kolumnen über seinen Onkel gesammelt in Onkel J. Heimatkunde. Seine Romane wurden in mehr als zehn Sprachen übersetzt. Maier lebte in Brixen, Südtirol, heute lebt er in Frankfurt am Main[1]. Er ist seit 2005 Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.
    (Quelle : Wikipedia)



    Taschenbuch: 315 Seiten
    Verlag: Suhrkamp Verlag; Auflage: 6 (27. Mai 2002)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3518398814
    ISBN-13: 978-3518398814