Inhalt (Klappentext):
Der Protagonist dieser raffiniert gebauten Debütnovelle von Jonas Lüscher, der Schweizer Fabrikerbe Preising, wird auf einer Geschäftsreise in einem gehobenen tunesischen Oasenresort Zeuge aufwendiger Hochzeitsvorbereitungen. Reiche junge Engländer aus der Londoner Finanzwelt haben Freunde und Familie für ein großes Fest um sich versammelt und feiern schon im Voraus ausschweifend, als sich die wirtschaftlichen Krisensignale zur Katastrophe verdichten: das Britische Pfund stürzt ab, kurz danach ist England bankrott, mit unabsehbaren Folgen, die auch Tunesien nicht unberührt lassen.
Preising, als Schweizer zwar von den schlimmsten Folgen ausgenommen, muss miterleben, wie dünn die Decke der Zivilisation ist, und lernt seine ganz eigene Lektion in Globalisierung, denn seine Firma lässt in Tunesien fertigen. Auch Preising bleibt nicht ungeschoren.
Autor:
Jonas Lüscher, geboren 1976 in der Schweiz, lebt in München. Nach einer Ausbildung als Primarschullehrer in Bern und einigen Jahren in der deutschen Filmindustrie studierte er an der Hochschule für Philosophie in München. Derzeit arbeitet er als Doktorand am Lehrstuhl für Philosophie der ETH Zürich.
Meine Meinung u. Bewertung:
Bei einem Spaziergang, wo das herauszufinden überlasse ich dem Leser, erzählt der Fabrikerbe seine Geschichte.
Die Novelle besteht aus drei Erzählern oder besser gesagt zwei Erzählern. Preising, der in der Ich-Perspektive berichtet und der allwissende Erzähler/Autor, und einem Zuhörer, der sich nur zu Preisings Reaktionen einlässt, nie auf das Erzählte.
Jonas Lüscher zeigt eine Vorliebe für ausgefallene Fremdwörter und verpasst Preising eine recht altertümliche Sprache, Beispiel "zu diesem Behufe". Das gibt besonders dem ersten Drittel eine gewisse Starre, nicht jedermanns Sache. Im zweiten Drittel beschreibt er akribisch genau die Personen, um dann im letzten Drittel endlich voll in Fahrt zu kommen. Und dazu kann ich nur sagen genial! Überhaupt eine faszinierende Geschichte, erschreckend real. Plötzlich sind alle pleite, erfassen aber die Lage noch nicht. Alle Kreditkarten gesperrt. Die Gastfreundschaft eh nur auf Geld fixiert, setzt aus. Das Hotel reagiert um den Schaden möglichst noch im Rahmen zu halten drastisch. Alle Dienstleistungen, die vorher mit enormer Arroganz und Selbstverständlichkeit in Anspruch genommen wurden, entfallen. Die dienenden Geister wurden nach Hause geschickt. Nun herrscht Chaos, Wut und jeder kämpft für sich.
Jonas Lüscher zeigt allzu menschlich das wahre Gesicht der völlig überschuldeten Arbeitslosen in der Wüste. Sprachlich gehobenes Niveau, treffsicher, intelligent, ironisch, aber auch manchmal extrem bösartig, siehe Flugbegleitung.
Fazit: Mit nur 125 Seiten eine geistreiche und anregende, aufregende Geschichte, die mich besonders im letzten Drittel sehr beeindruckt hat.
Liebe Grüsse
Wirbelwind