Marc Wortmann - Der Witwentröster

  • Aus dem Klappentext:
    Sie sind 80 Jahre alt, sie stinken, die treiben Unfug, und sie erinnern sich an nichts: Die Witwen des Luisenstifts in Altona, denn in diesem Altersheim leben ausschließlich Frauen, und alle sind verwitwet. Jan Oltrogge, der Zivi, will sie zum Reden bringen. Er wäscht sie, er wirbt um sie, er erfüllt ihnen ausgefallene Wünsche. Doch als das alles nichts hilfte, greift er zu anderen Methoden. Bald zeigen sich die ersten Erfolge: Die WItwen beginnen sich zu erinnern und wieder zu leben. Und sie hören auf zu stinken. Doch dann kommt das Sommerfest, etwas Unerwartetes geschieht, und Jan kann nicht mehr reagieren.


    Genial. Heiter, tieftraurig, eklig, schockierend, resignierend. Leicht zu lesen und schlecht zu verdauen.
    Der Autor spricht aus, was stimmt, was aber - öffentlich ausgesprochen - nicht "politisch korrekt" scheint: In Altersheimen stinkt es, v.a. auf der Pflegestation. Demente Leute nerven mit ihren Tics, ihren Ritualen und dem immer gleich dummen Gebrabbel. (Wir alle wissen das - nicht umsonst ist die Vorstellung, seine letzten Jahre in einem staatlichen Altersheim verbringen zu müssen, für die meisten der reinste Horror - aber diese Tatsachen sind doch stark tabuisiert. Zumindest für diejenigen, die nicht beruflich damit zu tun haben.)
    Aber der Protagonist nimmt das nicht hin, sondern sucht nach dem Geheimnis hinter dem Verlust der Erinnerungen und wird meistens fündig. Seine Methoden reichen von sanft bis rabiat.


    Ich empfehle das Buch allen,
    1. die altersmäßig schon so weit fortgeschritten sind, dass sie wissen, dass sie altern und sterben werden;
    2. die Angehörige in Altersheimen haben und unter schechtem Gewissen leiden (keine Sorgen, das Gewissen wird nicht schlechter);
    3. die als Pfleger, Zivis oder Therapeuten in der Branche arbeiten;


    Meine Krankenschwester-Schwester, der ich die ersten Seiten zum lesen gab, hat sich köstlich amüsiert und gesagt: Genauso ist es! während mein gegenüber detailliert beschriebenen menschlichen Ausscheidungen :puker: eher sensibler Magen etwas revoltierte.


    Der Autor, geboren 1966 in Hamburg, arbeitet als Redakteur im Hamburger Jahreszeiten-Verlag. "Der Witwentröster" ist sein Debutroman.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Danke Marie,


    das hört sich ganz interessant an und ich habe festgestellt, dass die Bücherei dieses Buch hat. Werde es mir bei Gelegenheit mitnehmen. :wink:

    Liebe Grüße
    Helga :winken:


    :study: [b]???


    Lesen ist ernten, was andere gesät haben (unbekannt)

  • Hallo Marie,
    ist das Buch eher biografisch, sachlich oder in Romanform geschrieben? Jedenfalls hört es sich sehr interessant an und da wir oft auf einer Wellenlänge liegen....

    Liebe Grüße,
    Rita


    ~Ich wäre lieber ein armer Mann in einer Dachkammer voller Bücher als ein König, der nicht lesen mag.~
    Thomas Babington

  • @ Rita,
    eindeutig Romanform. Es ist eine fortlaufende Geschichte, auch wenn der Autor von "Witwe" zu "Witwe" springt, also quasi in kleinen Episoden erzählt.


    Was den autobiografischen Hintergrund angeht, bin ich nicht sicher, aber während des Lesens hatte ich das Gefühl, dass der Autor weiss, wovon er spricht. Vielleicht war er ja Zivi im Altersheim.
    Allerdings hat es mich nicht so brennend interessiert, dass ich nachgeforscht hätte.


    Es ist auf jeden Fall ein Buch, das "trifft". Allerdings nicht dieselbe Stelle wie "Herr Jules".


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Danke für die Info, Marie :-) Ich werde mich mal drum kümmern.


    LG,
    Rita

    Liebe Grüße,
    Rita


    ~Ich wäre lieber ein armer Mann in einer Dachkammer voller Bücher als ein König, der nicht lesen mag.~
    Thomas Babington

  • Hach... und stetig wächst der SUB :loool:


    Danke für diesen Tip - da ich schon seit vielen Jahren in der Altenpflege arbeite, interessieren mich solche Bücher besonders. Kommt also gleich auf die Einkaufsliste...


    LG


    Annette

  • Herzlichen Dank Marie für diesen Tip. :D


    Da ich immer auf der Suche nach Büchern bin welche sich mit dem Thema *altern* beschäftigen, werde ich sicher auch dieses lesen.


    Zitat

    die altersmäßig schon so weit fortgeschritten sind, dass sie wissen, dass sie altern und sterben werden

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter