Arne Dahl - Zorn / Hela harvet stormar

  • Klappentext:
    Ein renommierter plastischer Chirurg wird erhängt in seinem Haus gefunden. In einer Stockholmer Kneipe stirbt ein albanischer Waffenhändler zusammen mit vier anderen im Kugelhagel eines kühl agierenden Killers. Und auf der ehemaligen italienischen Gefangeneninsel Capraia findet ein hochrangiger Politiker den Tod. Die international ermittelnde Opcop-Gruppe soll das schier Unmögliche möglich machen und die Zusammenhänge zwischen diesen Morden aufdecken – sie stößt auf zwei parallele Serienmörder. Einer von ihnen hat es auf die Mitglieder des Teams abgesehen … »Zorn« erzählt von jahrzehntelanger Rache, von Schuld und dem Wert der Menschlichkeit. Mit dem zweiten Fall aus seinem Thriller-Quartett um die Opcop-Gruppe stößt Arne Dahl in neue Dimensionen vor und erntet international höchstes Lob. (von der Verlagsseite kopiert)


    Zum Autor:
    Arne Dahl, Jahrgang 1963, hat mit seinen zehn Kriminalromanen um die Stockholmer A-Gruppe, deren letzter Band »Bußestunde« in diesem Mai auf Deutsch erscheinen wird, eine der erfolgreichsten Serien weltweit geschaffen. International mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht, verkauften sich allein in Deutschland über eine Million Bücher mit den Ermittlern Paul Hjelm und Kerstin Holm. Arne Dahls Thriller »Gier« war 2012 der Beginn einer neuen Thrillerserie, die er nun mit »Zorn«, dem zweiten Fall für sein Opcop-Team, fortsetzt. (von der Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: Hela harvet stormar
    Erstmals erschienen 2012 bei Albert Bonniers Verlag, Stockholm
    Aus dem Schwedischen übersetzt von Antje Rieck-Blankenburg
    2013 im Piper-Verlag erschienen
    Fünf Großkapitel (von „Flaute“ bis „Orkan“) sind unterteilt in mehrere Abschnitte, die chronologisch vom 8. Mai bis zum 8. Juni – allerdings in unterschiedlichen Jahren - reichen. Diese sind wiederum unterteilt in Kapitel, meist überschrieben mit dem Ort des folgenden Geschehens.
    494 Seiten + Personenregister


    Inhalt:
    Ein 10jähriger Junge wird mit vielen anderen Menschen von einem Schiff aus auf einer Insel ausgesetzt, wo bald Gewalt und Kannibalismus wüten.
    Der Selbstmord eines Professors, Arzt für plastische Chirurgie.
    Der Bericht über einen Jungen „W“, hochbegabt und von einer Diplomatenfamilie adoptiert.
    Eine Kneipenschießerei, deren Zeuge Viggo Norlander ist.
    Ein Ermordeter auf der italienischen Insel Capraia, der sowohl durch ein hochwirksames Gift als auch durch einen Messerstich getötet wird.
    Diese Ereignisse sind nur ein Teil der Probleme, mit denen sich Paul Hjelm und seine Opcop-Truppe beschäftigen müssen. Und sie müssen, nachdem sie einen Serienmörder dingfest machen, nach einem zweiten fahnden.


    Eigene Meinung / Bewertung:
    Eine Leiche wird gefunden.
    Jemand wird ermordet.
    Eine Geschichte wird erzählt, die eines Tages zu einem Verbrechen führen wird.
    Paul Hjelm und seiner Truppe erhalten Kenntnis von den Morden und beginnen sofort, Querverbindungen zu ziehen. Dem Leser gelingt dies trotz Informationsvorsprung nicht.
    Nach diesem Muster geht Dahl vor, sowohl in seiner Reihe um das A-Team als auch in der neuen Europol-Reihe.


    Von allen Krimiautoren der Gegenwart ist Dahl sicher derjenige, der die komplexesten Plots ersinnt, verschlungene Geschichten auf mehreren Zeitebenen mit einer verwirrenden Figurenzahl und immer mit mindestens einem politischen oder gesellschaftlichen Problem im Mittelpunkt. Schon immer war er zu bewundern, wie er alle Handlungsfäden zusammenführt und wie er jedes der hundert Puzzlesteine eines Falls am Ende auf seinen Platz im Gesamtbild setzt.
    In „Zorn“ geht es um zwei Mörder; die zu Herzen gehende Hintergrundgeschichte des einen ist dem Leser bekannt, aber die Zusammenhänge werden erst ihm durch die Hinweisfunde des Teams klar. In den Fall des zweiten Mörders sind Personen aus der ersten Fallgeschichte involviert. Sie ist noch komplizierter, mit noch mehr Figuren bestückt als die erste. Verstrickt sind die Fälle mit dem Kommunismus, seinen Abarten und seinen Getreuen, Genmanipulation und Rache nach dem Vorbild des „Graf von Monte Christo“.


    Dass Protagonisten in Gefahr geraten, gehört zu den obligatorischen Szenarien eines Krimis, aber anders als bei den meisten Serien, in denen mit diesen Szenen eine künstliche Spannung aufgebaut wird (man weiß ja, dass die Serie mit diesem Protagonist weitergehen wird), gefährdet Dahl seine Figuren, um den Herzschlag des Lesers zu erhöhen und Nervenkitzel zu erzeugen. Denn schon einmal hat er sein Team um zwei Personen dezimiert, und wer weiß, ob der eine oder andere im nächsten Band noch mit dabei ist …


    Sich entspannt zurücklehnen und von einer Krimigeschichte wohlig-schauernd berieseln zu lassen: So hat das Lesen von Arne Dahls Büchern in den Zeiten des A-Teams nicht funktioniert. Und inzwischen erst recht nicht mehr. Wer glaubt, „Gier“ sei im Bezug auf komplizierte Handlung nicht zu übertreffen, wird von „Zorn“ eines Besseren belehrt.
    Ein Buch, das man am Besten an einem einsamen Ort lesen sollte, damit nichts und niemand die Konzentration stört. Wenn am Ende alle Mitglieder der Gruppe erschöpft sind – der Leser darf es auch sein.


    Fazit:
    Ein fesselnd verstrickter Krimi, der seinesgleichen sucht.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Mal wieder eine schwedische ISBN. Mit denen stand das Programm schon öfter auf Kriegsfuß. Das Original wird also leider nicht angezeigt.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Zwei Serienkiller, ein Kindheitstrauma in Stalins Gulag, Kannibalismus, die künstliche Erschaffung von Menschen ohne Emphatie, brutale Morde mit Messern und Pferdespritzen, ein lange vorbereiteter Rachefeldzug, vorgetäuschte Selbstmorde, Verstümmelungen von Leichen mit künstlichen Metallgebissen, ein unbekanntes Gift mit furchtbarer Wirkung und skrupellos agierende Geschäftsmänner: Aus dieser Ansammlung unappetitlicher Themen schafft Vielschreiber Arne Dahl seinen zweiten Kriminalroman um die intereuropäische OPCOP-Gruppe, der so überkonstruiert, realitätsfern und unglaubwürdig ist, daß ich kaum fassen konnte, es mit demselben Autor der früheren Kriminalromane um die Stockholmer A-Gruppe zu tun zu haben.


    Klar: auch in den älteren Romanen wirkte die Handlung oft etwas überzogen, die Brutalität und Kaltblütigkeit der Mörder etwas zu aufgesetzt, doch wurde dies wettgemacht durch einen extrem spannenden, auf den Punkt stimmenden Plot, gut gezeichnete Figuren und vor allem durch die Beschränkung auf einen Handlungsstrang, ein Thema und eine überschaubare Anzahl an Polizisten und Ermittlern.


    In seinem neuen Roman aber will Arne Dahl alles, und zwar doppelt und dreifach. Gleich zwei Serienkiller treiben hier in Unwesen, verfolgt von gefühlten 150 Polizisten in ganz Europa an Schauplätzen in Den Haag, Stockholm, Korsika, Chile, den USA, Mexiko usw. usw. Die Vielfältigkeit der Thematik hätte locker für 3 oder 4 Romane ausgereicht, doch Arne Dahl verwurstet alles zu einer schrecklichen Mixtur aus Blut, Menschenfleisch und Todesqualen, daß es Einen anwidert. Die geschilderte Gewalt steht mittlerweile nicht mehr als tieferes Sinnbild für die Verdeutlichung gesellschaftlicher Mißstände sondern nur noch als Abziehbild für sich selbst – wie in einem Splatterfilm, dessen Qualität sich allein an der Anzahl abgetrennter Köpfe und Extremitäten bemisst.


    Dahin sind auch die guten Charakterzeichnungen der Figuren aus den früheren Romanen. Zwar begegnen wir den alten Bekannten Paul Hjelm, Jorge Chavez und Arto Söderstedt wieder, aber wir erfahren nichts über ihre Befindlichkeiten, persönlichen Irritationen oder Überforderungen. Kein Wunder: Ständig passiert ein neuer Mord, müssen die armen Polizisten in Hubschraubern oder Flugzeugen über den Globus fliegen, SMS und Mails mit den neuesten Infos oder Satellitenbildern hin und her schicken oder sich ihrer High-Tech Bürolandschaft vor Whiteboards oder Computern versammeln, da bleibt keine Zeit für die Darstellung und Entwicklung von Charakteren. Fast könnte man die immer arbeitenden, niemals schlafenden Polizisten mit ihren ( selbstverständlich ultramodernen ) Laptops verwechseln, so sehr funktionieren sie nur anstatt tatsächlich lebenden Menschen zu ähneln.


    Auch formal ist das Buch ein Ärgernis: auf den ersten 50 – 60 Seiten werden dem Leser unzusammenhängende Handlungsfetzen serviert, die sich zwar später auf wundersame Art und Weise zusammenfügen, die er aber zunächst gar nicht verstehen kann und deshalb irritiert und zunehmend genervt im Dunkeln herumliest. Wer die Geduld, diese ersten Kapitel durchzustehen, nicht mitbringt, mag versucht sein, das Buch in die Ecke zu pfeffern; wer es über diese Anfangsschwierigkeiten hinwegschafft, wird deshalb aber trotzdem nicht belohnt, zu verwirrend sind die Vielzahl an Leichen, Polizisten, Schauplätzen und Brutalitäten. Deshalb: lieber die Finger lassen von den unglaublichen Abenteuern der OPCOP-Gruppe und sich die alten Romane der A-Gruppe noch einmal vornehmen.

  • Ich kann mich @Marie in vielen Punkten vollumfänglich anschließen:


    Arne Dahl schreibt Bücher (die Reihe mit der A-Gruppe wartet leider noch darauf von mir gelesen zu werden, insofern beziehe ich mich hier bisher auf "Gier" und "Zorn") die sich auf Grund Ihrer Komplexität und überraschenden Wendungen nicht als leichte Krimi-Kost für zwischendurch eignen. Ebenso ist davon abzuraten sie häppchenweise als 2-10 Seiten Bettlektüre zu lesen, es sei denn man möchte ständig doppelt und dreifach lesen um die Puzzlestücke im eigenen Kopf zusammen zu halten.
    Die parallele bzw. verwobene und doch gleichzeitig unabhängige Geschichte von zwei Serienmördern erzählt Dahl sehr gekonnt und wie gewohnt zeigt er mit dem Finger auf mehr als ein gesellschafts-politisches Problem.
    Ich vergebe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: für diesen herausragenden Krimi und freue mich auf "Neid", auch wenn ich mir wünschen würde das Herr Dahl einmal einen außergewöhnlichen Krimi schreibt, der nicht ganz so stark gesellschaftskritisch ist, was aber wohl nicht sein Stil ist bzw. werden wird.

    Amor Towles - Ein Gentleman in Moskau


    2024

    Gelesene Bücher: 9

    Gelesene Seiten: 4.703

    (Januar 3/1.901 ; Februar 4/1.852)


    2023 : 43 / 20.691 ; 2022 : 40 / 20.829 ; 2021 : 44 / 21.237 ; 2020 : 49 / 22.248 ; 2019 : 48 / 21.610 ; 2018 : 47 / 22.388 ; 2017 : 50 / 24.667 ; 2016 : 56 / 25.723 ; 2015 : 61 / 27.175 ; 2014 : 73 / 31.730 ; 2013 : 75 / 33.510