Rosemarie Marschner - Das Mädchen am Klavier

  • Klappentext:
    Leipzig, September 1819: Als man dem Klavierlehrer und Musikalienhändler Friedrich Wieck seine Zweitgeborene Clara entgegenhält, bewundert er begeistert die »Klaviertatzen« des Säuglings. »Du wirst sie alle überflügeln, meine süße Clara!«, flüstert er. Ehrgeizig und mitunter tyrannisch verfolgt Vater Wieck den Plan, aus seiner Clara ein musikalisches Wunderkind zu machen, und sie hat sowohl die Begabung als auch den Willen dazu. Mit acht Jahren tritt sie zum ersten Mal öffentlich auf, mit zwölf Jahren spielt sie in Paris.
    Sie ist eine Virtuosin am Klavier, hat Erfolg in den Salons, wird schnell berühmt, reist mit ihrem Vater wochenlang durchs Land. Als Clara sechzehn ist, verliebt sie sich in einen Klavierschüler ihres Vaters, von dessen charmantem Rebellentum sie begeistert ist: Robert Schumann. Vater Wieck ist strikt gegen diese Verbindung, doch inzwischen plagen ihn auch andere Sorgen: Clara ist kein Kind mehr - und damit auch kein Wunderkind.
    (von der Verlagsseite kopiert)


    Zur Autorin:
    Rosemarie Marschner, geboren in Wels (Oberösterreich), lebt als freie Journalistin und Schriftstellerin in Düsseldorf. Sie hat mehrere Romane veröffentlicht, darunter ›Das Bücherzimmer‹, das von Lesern und Kritikern gleichermaßen begeistert aufgenommen wurde. (von der Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    Das Buch ist untergliedert in vier Teile:
    1. Das Wunderkind
    2. Ein junges Genie
    3. Triumph der Jugend
    4. Welt ohne Vater
    Jeder Teil gliedert sich in mehrere Kapitel, jeweils unter einer Mottoüberschrift, diese wiederum in nummerierte Abschnitte.
    507 Seiten, ein Nachwort mit biographischen Anmerkungen zu den wichtigsten Personen.
    Zum Problem der Erzählperspektive s.u.


    Inhalt:
    Früh erkennt Friedrich Wieck, Klavierlehrer und –bauer, die musikalische Begabung seiner ältesten Tochter Clara. Der despotische und musikbesessene Vater drillt sie mit Klavierunterricht und Musiktheorie, fest entschlossen, sie dorthin zu lenken, wohin er nie kam: In den Olymp der Klaviervirtuosen, die die Konzertsäle der Welt füllen und denen das Publikum zu Füßen liegt.
    Clara fügt sich, die Musik ist ihr Leben; sie macht den Traum des Vaters zu ihrem eigenen und setzt ihn in die Realität um. Immer größere Erfolge feiert sie, bis Robert Schumann, rebellischer Frauenheld, begabter Komponist und Pianist, erfolg- und mittellos, als Schüler von Friedrich Wieck aufgenommen wird. Doch Familie und Umfeld betrachten die romantische Liebe der beiden mit Argwohn. Ehe ihnen eine Heirat möglich ist, haben sie rechtliche und finanzielle Klippen zu umschiffen.


    Eigene Meinung / Bewertung:
    In lebhafter anschaulicher Sprache, angenehm und flüssig zu lesen, erzählt die Autorin in ihrer Romanbiographie von der Kindheit und Jugend der Clara Wieck bis zu ihrer Heirat mit Robert Schumann. Mit sorgfältig recherchierten Daten und Fakten stellt sie die erfolgreichsten Jahre des Wunderkindes im Klavierspiel nach, die Trennung der Eltern, den Druck durch den Vater und gleichzeitig Claras tiefe Liebe und Dankbarkeit zu ihm, die ungeliebte, weil verständnislose Stiefmutter, Claras Position innerhalb der Geschwister, von denen ihr keines, zur Enttäuschung des Vaters, musikalisch das Wasser reichen konnte.


    Die meisten Passagen lassen einen unbeteiligten Beobachter als Erzähler vermuten, doch einige Stellen beweisen einen auktorialen Erzähler, der das Verhalten der Personen kommentiert oder Anmerkungen zu Gewohnheiten der Zeit macht, dabei eine große Distanz zur Mitte des 19. Jahrhunderts offenbart. Ob das Auftreten des Allwissenden mit seinen Bewertungen ein geschicktes Stilmittel der Autorin ist, darf bezweifelt werden, denn ein Leser bildet sich seine Meinung gern selbst, auch wenn sie z.B. über das pädagogische Vorgehen Wiecks sicher mit der des Erzählers übereinstimmt.


    Gut spürbar wird Claras Einsamkeit, denn der lauteste Applaus und die Bewunderungen können nicht über die Entfernung von der Familie oder das Fehlen von Freunden hinwegtrösten. Von Claras Konzerterfolgen pickt die Autorin exemplarische Beispiele oder außergewöhnliche Ereignisse heraus und hält sich nicht mit der Beschreibung des Immer-gleichen auf. Leider behält sie das Erzähltempo nicht bis zum Ende durch. Die Seiten, die den Rechtsstreit mit dem Vater, die heftige Liebe zu Schumann und die erzwungenen Trennungen von ihm thematisieren, ziehen sich in die Länge. Eine Verstärkung der Spannung kann nicht das Motiv dafür sein, denn jeder weiß, dass das kongeniale Musiker-Liebespaar am Ende zum kongenialen Musiker-Ehepaar wird.


    Fazit:
    Eine von Musik durchdrungene Romanbiographie eines Mädchens, dessen Leben das Klavier war, und sein Weg zur Frau.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich habe diesen Roman in der E-Book-Version gerade beendet und fühlte mich davon ebenso gut "informiert" als auch unterhalten. Mit (klassischer) Musik kenne ich mich eher wenig aus, die Geschichte von Clara Wieck und Robert Schumann war mir allerdings in groben Zügen bekannt. Die Charakterisierung der Hauptfiguren empfinde ich als äußerst interessant: Vor allem Friedrich Wieck ist meiner Meinung nach ein fürchterlicher Egozentriker, der zwar immer behauptet, alles für seine Tochter getan und geopfert zu haben, der aber meinem Eindruck nach vor allem an sein eigenes Wohl (Befriedigung von Ehrgeiz, materielles Interesse) denkt. Mir ist er jedenfalls zutiefst unsympathisch.
    Auch Robert Schuhmann ist mir wenig sympathisch, er ist ebenfalls Egozentriker und nutzt Clara aus, indem er sie als Muse und Inspiration "gebraucht". Im realen Leben ist er nicht gerade ein zuverlässiger Liebender, der Clara als Stütze dienen könnte.
    Leider habe ich die Zeit ihrer Ehe im Roman vermisst. Auch wenn das Buch "Das Mädchen am Klavier" heißt, waren die Informationen im Nachwort über die Ehe mir zu spärlich. Ich hatte gehofft, dass die Ehe der beiden Genies zumindest im letzten Kapitel ausführlicher thematisiert werden würde.
    Clara liegt der Autorin sicherlich am meisten am Herzen, mir tut sie vor allem leid, wie sie zum Zankapfel zweier Egoisten wird und eigentlich nur ihrer Kunst leben möchte.


    Die Seiten, die den Rechtsstreit mit dem Vater, die heftige Liebe zu Schumann und die erzwungenen Trennungen von ihm thematisieren, ziehen sich in die Länge.


    Da ging es mir anders. Ich hätte die ganzen Berichte über die zahllosen Konzertreisen mit allen Einzelheiten gern etwas geraffter gesehen, fand aber die Rechtsstreitigkeiten zum Schluss ausgesprochen fesselnd und konnte mir den völlig durchgeknallten Friedrich Wieck bei seinem höchst peinlichen Auftritt im Gerichtssal lebhaft vorstellen.


    Der Schreibstil der Autorin hat mir gut gefallen und auch der für mich ungewöhnliche Ausflug in die Musikszene des 19.Jahrhunderts hat mir fesselnde Stunden beschert.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998