Rena Dumont - Paradiessucher

  • Die 80-Jahre zu Zeiten des kalten Krieges im Ostblock.


    In einer Kleinstadt in der Tschechoslowakei lebt die 17-jährige Lenka allein mit ihrer Mutter, träumt von einer Schauspielkarriere und ist herrlich unangepasst für die damalige Sichtweise der Parteibonzen. Lenka, von der Schauspielschule abgewiesen, weil sie einen amerikanischen Schriftsteller für ein Vorsprechen ausgesucht hat, hält es nicht mehr aus. Da kommt aus heiterem Himmel ein Brief mit dem langersehnten Urlaubsvisum für Deutschland für sie und ihre Mutter. Das Paradies ist nahe. Für beide steht fest: „Wir bleiben dort und kommen nicht zurück!“ Wirklich? Die beiden sind hin- und hergerissen, wollen ihre Familie nicht allein lassen, aber dableiben wollen sie auch nicht. Zu düster sind die Zukunftsaussichten, und Lenka will nicht wie alle heiraten, Kinder kriegen und damit ist das Leben vorbei, keine Überraschungen, das schon bekannte und wohlbeobachtete Einerlei.


    Mutter und Tochter machen sich auf den Weg mit ihrem alten Auto, nur das Nötigste eingepackt, alles andere lassen sie zurück. Die Reise nach Deutschland wird für beide zum Wechselbad der Gefühle, unzählige Male werden Meinungen gemacht und wieder verworfen. Am Ende entschließen sie sich doch, den Schritt zu wagen und Asyl in Deutschland zu beantragen. Sie landen in einem Asylantenheim am Königssee, wohnen dort in einem kleinen Zimmer, unter einem Dach mit vielen verschiedenen Nationalitäten und warten auf die Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis.


    Dies soll das Paradies sein? Keiner spricht Deutsch, man ist isoliert von normalen Einwohnern, keiner kümmert sich wirklich, die Menschen werden sich selbst überlassen. Die Menschen bringen sich Tricks zum Klauen bei, damit sie sich Deo und andere Kleinigkeiten „organisieren“ können, weil das Geld nicht reicht. Und Lenka und ihre Mutter sind mittendrin, mal völlig verzweifelt, dann wieder hoffnungsvoll. Sie bewegen sich wie in einem luftleeren Raum.

    Doch dann beweist Lenka Eigeninitiative, meldet sich für eine deutsche Schule an, damit sie endlich die Sprache lernt und somit auch bessere Chancen hat, den Start in ein neues Leben besser zu bewältigen und erreicht durch ihr schauspielerisches Talent auch die Gewährung der Aufenthaltsgenehmigung für sich und ihre Mutter.

    Rena Dumonts Debütroman „Paradiessucher“ ist ein Kleinod. Erzählte Erfahrungen und Selbsterlebtes verwebt die junge Autorin zu einem anrührenden Roman, der einen mitten ins Herz trifft.
    Die Protagonistin Lenka ist einem gleich sympathisch, weil sie eben nicht angepasst ist, sondern mutig und mitreißend.


    Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel kurz, allerdings gerät man als Leser in einen Strudel, kann gar nicht schnell genug weiterlesen, weil man unbedingt wissen möchte, wie es mit den beiden weiter geht. Rena Dumont hält uns den Spiegel vor. Wie viel Mut gehört dazu, nochmals ganz von vorn anzufangen, in einem fremden Land, dessen Sprache man nicht versteht und auch nicht spricht, alles hinter sich zu lassen, Familie, Freunde, alles Vertraute? Würde ein jeder von uns das können?


    Das Buch kann ich nur jedem wärmstens ans Herz legen, der sich für unsere jüngste Geschichte und deren Schicksale interessiert und der diesen Menschen den nötigen Respekt entgegen bringt. Mit diesem gefühlvollen, aber auch humorigem Roman wird man bestens unterhalten. Bitte unbedingt lesen!!!!


    Dieses Buch bekommt von mir die Höchstnote :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: !


    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
    _____________________________________________


    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Danke für diese Vorstellung!


    Ein interessantes Thema und man denkt sich schon fast dabei, dass man darüber wohl nur schreiben wird/kann, wenn man in irgendeiner Weise eigene Erfahrungen auf dem Gebiet gesammelt hat. Du schreibst dementsprechend auch:



    Erzählte Erfahrungen und Selbsterlebtes verwebt die junge Autorin zu einem anrührenden Roman, der einen mitten ins Herz trifft.


    Kannst Du noch etwas zur Autorin sagen (mir unbekannt), zu ihrem Werdegang?


    Danke im Voraus für die Mühe!

  • „Mami, wenn du nicht gehen willst, dann gehe ich alleine.“ Das sagt die fast siebzehnjährige Lenka im Jahr 1986 in der böhmischen Kleinstadt Prerov, als sie eines Abends nach Hause kommt und ihre Mutter zitternd und voller Aufregung das lang ersehnte Ausreisevisum für die beiden nach Deutschland in Händen hält. Lenka ist das Alter Ego von Rena Dumont, die hier ihren ersten Roman vorlegt, nachdem sie ihren Traum Schauspielerin zu werden, in Deutschland verwirklicht hat. Nun blickt sie zurück und lässt ihre Lenka über ihren Traum von Paradies, den sie in der CSSR jahrelang geträumt hat, sagen: „Ich weiß nichts von Deutschland. Gar nichts. Im Unterricht haben wir, außer einer ausführlichen Anti-West-Propaganda, ganz wenig über unsere Nachbarn erfahren.“


    Obwohl ihre eigene Auswanderung nun schon fast dreißig Jahre zurückliegt, schafft es Rena Dumont mit ihrer Lenka eine ganz ungewöhnliche Präsenz zu schaffen. Da scheint nichts vergangen und lange her. Nüchtern erzählend verweigert ihre Geschichte jede Art von Verklärung des erhofften Paradieses.


    Die erste Zeit im Asylantenlager in Königssee, die Versuchungen, denen sie und ihre Mutter im lang ersehnten Paradies ausgesetzt sind, werden eindrücklich geschildert. Doch erst als Lenka all ihren Mut zusammennimmt und einen Beamten im Landratsamt darum bittet, zur Schule gehen und die deutsche Sprache lernen zu dürfen, da ist der erste Schritt in eine neue Heimat getan, dem weitere folgen in einer Schauspielausbildung, an deren Ende Lenka (Rena) ihren großen Jugendtraum erfüllt hat.


    Rena Dumont erzählt, sicher mit einigen vernachlässigbaren Längen, ohne sentimental zu werden ihre Einwanderungsgeschichte und ihre Heimischwerden im neuen Land. Es ist für Jugendliche und Erwachsende eine empfehlenswerte Lektüre.