Anne Gesthuysen - Wir sind doch Schwestern

  • Dieser wunderbare Roman von Anne Gesthuysen über ihre drei alten Tanten ist, das sei schon zuvor gesagt, eine der unterhaltsamsten Bücher gewesen, die ich in der letzten Zeit gelesen habe. Gute Unterhaltung auf hohem sprachlichen Niveau und gleichzeitig an den Lebensgeschichten der drei Schwestern Gertrude, Paula und Katty fets gemacht, eine interessante und lehrreiche Geschichte des 20. Jahrhunderts.


    Sie sind alle zusammengekommen, um den 100. Geburtstag von Gertrude würdig zu feiern und die jüngste Schwester Katty (84) hat die Planung in die Hand genommen. Zwar wollen sie zusammen feiern, doch ihre gemeinsame Vergangenheit, die schon seit Jahrzehnten immer wieder zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen führte, taucht wieder auf. In längeren Episoden gelingt es Anne Gesthuysen hervorragend und überaus spannend, dem Leser Stück für Stück zu zeigen, welche Geschichte und Konflikte die drei Schwestern bis auf den heutigen Tag verbinden.


    Es sind diese Rückblenden und Erinnerungen der drei Schwestern, die den großen Reiz eines Romans ausmachen, der sich liest wie eine spannende Familiengeschichte über fast acht Jahrzehnte.


    Man legt das Buch nicht mehr aus der Hand, hat man es einmal angefangen zu lesen, und es nimmt mich nicht Wunder, warum es von so vielen Menschen gerne gelesen wurde. Mein Exemplar stammt aus der fünften Auflage. Nicht vielen Romanen gelingt es in diesen Zeiten, literarischen und inhaltlichen Anspruch und kommerziellen Erfolg so zu vereinen, wie dieses Buch.


    Ich kann es nur empfehlen.

  • Die drei Schwestern Gertrud, Paula und Katty kommen auf dem
    Tellemannshof zusammen um den 100.sten Geburtstag von Gertrud zu feiern.
    Auf dem Hof werden viele Erinnerungen wach, die die Schwestern auf
    verschiedene Weise verarbeiten.


    Besonders gut gelungen ist der stete Wechsel zwischen der Gegenwart und
    der Vergangenheit, aber auch der Charakteren-Wechsel zwischen den
    Dreien, somit bekommt man einen guten Eindruck von den verschiedenen
    Sichtweisen und Blickwinkeln der Geschwister. Vor allem Gertrud und
    Katty streiten sich ständig wegen der Vergangenheit. Der Ursprung dieses
    Streits wird aus der Perspektive von Gertrud in der Vegangenheit
    erzählt und in der Gegenwart denken beide daran zurück und man erhält
    einen Eindruck wie beide diese Situation verarbeiten, bzw. welche
    Gefühle sie damit verbinden und warum sie so stur an der jeweiligen
    Version festhalten.


    Des Weiteren wird durch die Tatsache, dass Gertrud 100 Jahre alt wird,
    über ein Jahrhundert in diesem Buch abgedeckt und ein tiefergehender
    Eindruck vermittelt wie es in den verschiedenen Jahrzehnten, darunter
    auch in beiden Weltkriegen, auf dem Land zugegangen ist. Auch heikle
    Themen wie die Homosexualität, Scheidung und alleinstehende Frauen,
    welche damals als undenkbar galten und von der Bevölkerung stark
    missbilligt und verpöhnt wurden, werden in dieser Erzählung aufgegriffen
    und thematisiert.


    Besonders ergreifend war die Tatsache, dass die Geschichte nicht frei
    erfunden ist, sondern dass die Autorin mit denn drei Schwestern verwandt
    ist und somit die Eckdaten so stattgefunden haben und lediglich der
    Rest ausgemalt wurde.


    Negativ ist jedoch aufgefallen, dass erwähnt wird, dass es insegsamt 11
    Geschwister gibt. Jedoch wird neben dem Bruder Josef nur einer genannt.
    So frägt man sich was mit den anderen passiert ist. Vielleicht sind
    viele schon bei der Geburt gestorben, was damals ja leider üblich war
    oder die anderen waren alle männlich und wurden deswegen nicht mit in
    die Geschichte miteinbezogen.


    Manche Wörter waren auch etwas gewöhnungsbedürftig, was aber auch dem
    regionalen Dialekt zuzuschreiben ist und auch teilweise in den
    zeitlichen Rahmen passen würde. Ansonsten ist das Buch flüssig und gut
    geschrieben und an manchen Stellen auch mit Witz versehen.


    Zusammenfassend ist es ein zu Herzen gehendes und berührendes Werk mit
    Einblicken in vergangene Zeiten und in das komplizierte Seelenleben und
    Verhältnis zueinander dreier Schwestern.

  • Eine schöne, warmherzige und gut aufgebaute Familiengeschichte. Durch viele Rückblenden in die Vergangenheit habe ich höchsten Schmökergenuss erhalten und war immer wieder gespannt darauf, wie es weiter geht, nachdem ich gekonnt zurück in die Gegenwart (Der 100. Geburtstag) geholt wurde.

  • Zum 100. Geburtstag von Gertrud, der Ältesten, treffen drei Schwestern auf dem Tellemannshof zusammen, den Katty, mit geradezu jugendlichen 84 Jahren das Nesthäkchen, immer noch tatkräftig bewirtschaftet. Neben der eher verschlossenen, beherrschten Gertrud und der geselligen, zupackenden Katty ist Paula die Dritte im Bunde, zwei Jahre jünger als Gertrud und so gut wie blind, aber auch sie immer noch geistig topfit und die Sanfte unter den dreien.


    Mit der Organisation einer Feier zum Hundertsten ist Katty voll in ihrem Element und hat für Gertrud einige Überraschungen geplant. Und während die Vorbereitungen laufen, erinnern sich alle drei Schwestern zurück an ein langes, bewegtes gemeinsames Leben. Sie waren nicht immer einer Meinung, ganz im Gegenteil - es flogen schon ordentlich die Fetzen zwischen den dreien, und auch heute noch sind alte Wunden nie völlig verheilt - aber dennoch war immer eines klar: "Wir sind doch Schwestern" und gehören bei aller Unterschiedlichkeit ganz einfach zusammen.


    Beim Aufräumen des Gästezimmers für Gertruds Aufenthalt auf dem Hof findet Katty einen Aktenordner, der bittere Erinnerungen wachruft, und denkt zurück an die Vergangenheit. In kurzen, prägnanten Rückblenden erfahren wir dann zwischen die Geburtstagsvorbereitungen eingestreut die Lebensgeschichten der drei Schwestern und so ganz nebenbei auch viel über das Leben in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zwei Weltkriege hinterlassen unweigerlich ihre Spuren, Standesunterschiede und andere Hindernisse stehen der Liebe im Wege, auch die Politik spielt eine nicht unwesentliche Rolle, insbesondere in der Nachkriegszeit.


    Auf nur gut 400 Seiten erzählt Anne Gesthuysen eine wunderbare Familiengeschichte, unkitschig, realistisch und vielleicht gerade deshalb zu Herzen gehend. An einigen Stellen musste ich ordentlich schlucken und habe mich zwei Seiten weiter wieder köstlich amüsiert über die drei alten Damen mit ihren Schrullen, Macken und ulkigen Ansichten und Gewohnheiten, die Seiten blätterten sich um wie nichts, und ich hätte gerne noch mehr über die Schwestern gelesen. Umso interessanter, im Nachwort zu erfahren, dass es Gertrud, Paula und Katty wirklich gegeben hat und was aus ihnen nach Ende des Buches geworden ist.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Über den Autor:
    Anne Gesthuysen ist 1969 am unteren Niederrhein in dem kleinen Dorf Veen geboren und aufgewachsen. Nach dem Abitur ging sie in die Großstadt. Doch vieles ist dem Landei bis heute fremd geblieben. Sie kann Ochse und Stier selbstverständlich unterscheiden, aber der Unterschied zwischen S-Bahn und Straßenbahn ist ihr nach wie vor ein Rätsel.Anne Gesthuysen hat Journalistik und Romanistik studiert. Seit 1987 arbeitet sie als Reporterin und Autorin von Dokumentationen für diverse Fernsehsender. Zwischendurch machte sie einen Abstecher zum französischen Radio. Seit 15 Jahren steht sie auch vor der Kamera, die bisher längste Zeit für das ARD-Morgenmagazin, das sie seit 2004 moderiert und für das sie 2012 mit dem «Deutschen Fernsehpreis» ausgezeichnet wurde. Sie lebt mit ihrem Mann Frank Plasberg und Kind in Köln. (Quelle: Amazon)


    Buchinhalt:
    Katty, Paula und Gertrud treffen sich, um Gertruds 100. Geburtstag zu feiern. Sie wollen ihre Zukunft planen, doch vorher gilt es, die Vergangenheit zu klären. Gertrud hat noch gute Augen, aber hören kann und will sie nicht. Paula kann kaum noch sehen, hat aber immer ein offenes Ohr für ihre Schwestern. Und Katty, das Nesthäkchen, will auch mit 84 Jahren Feste feiern, wie sie fallen, so wie damals, als sie schon meisterhaft beherrschte, was man viel später erst PR nannte. Allen gemeinsam sind Eigensinn, Humor und eine angeborene Kreislaufschwäche, die mit exorbitant starkem Kaffee und gutem Schnaps bekämpft wird – so auch in diesen Tagen auf dem Tellemannshof, wo in jedem Winkel die Erinnerung lauert. So bewegend wie komisch erzählt Anne Gesthuysen von ihren Großtanten, die zusammen 298 Jahre alt geworden sind. Sie erzählt von Katty, der charmanten Strippenzieherin, ihrer Verehrung für Adenauer und ihrer Liebe zu einem charismatischen Politiker, von Gertruds schicksalhafter Verlobung und dem Spion, den sie versteckte. Von Paula, die ihren Mann an Männer verlor und stets die Lebenslust bewahrte. Vom Tausch eines Huhns gegen ein Rembrandtgemälde, von einem Leumundsprozess, der den gesamten Niederrhein in Atem hielt, und von drei starken Frauen mit dem Mut zur Eigenständigkeit. Große Lebensgeschichten verbinden sich mit herrlichen Anekdoten, das Weltgeschehen mit dem Leben in Wardt bei Xanten. (Quelle: Klappentext / Amazon)


    Das Buch umfasst 407 Seiten, am Ende stehen ein Nachwort und ein Dank der Autorin u.a. an ihren Vater, der alte Unterlagen aufbewahrte und so dieses Buch mit ermöglichte.


    Meine Meinung:
    Drei Schwestern aus einer armen, kinderreichen Familie - Bauern auf einem kleinen Hof, der kaum die Familie ernährt oben am Niederrhein, in den tiefkatholischen Landen rund um Xanten. Ein Vater, der seine Töchter ernst nimmt und sie zu denkenden Menschen erzieht, der ihnen mit allen Mitteln eine möglichst gute Bildung und Ausbildung ermöglicht ganz gegen jede Konvention um die Jahrhundertwende herum. Drei junge Frauen, die diese Chance nutzen und ergreifen, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven heraus. Drei unterschiedliche Leben und Charaktere, die doch eng verwoben sind miteinander denn „Wir sind doch Schwestern“. Anne Gesthuysen ermöglicht mit ihrem Buch über ihre Großtanten einen Blick zurück in die jüngere deutsche Geschichte; in eine Gesellschaft, die in starren Konventionen gefangen ist und in der drei so starke junge Frauen auffallen und auch anecken müssen. Über den eigentlichen Inhalt des Buches möchte ich nicht mehr erzählen, es würde den Lesespass vorwegnehmen und das möchte ich nicht. Die Autorin hat, aus dem Nachlass ihres Vaters heraus, Geschichten über ihre Familie gesammelt und recherchiert und hieraus kein Sachbuch, sondern einen sehr unterhaltsamen Roman über ihre Familie geschrieben. Die Fakten stimmen wohl, aber es ist keine Biographie im eigentlichen Sinne sondern eine fesselnde Familiengeschichte, eng eingebunden in die Heimat der Familie – und trotzdem bekommt der Begriff Heimat auch eine überraschende und schöne neue Definition in einem kleinen Gedanken der ältesten Schwester.


    Der Stil der Autorin ist leicht und unterhaltsam, die Geschichten fangen den Leser sofort ein und die Bilder im Kopf über die drei Frauen entstehen sofort. Ich hatte sehr lebendige Bilder vor Augen von den Menschen und der Gegend, von den Dörfern und der kleinen Stadt am Rhein, von den Höfen – aber auch vom Krieg, von Entbehrungen, von den Kämpfen danach, um wieder auf die Füße zu kommen und von den Tagen rund um den Geburtstag – vom Leben heute, gesichert und bequem, rückblickend auf drei lange Leben. Dieser 100. Geburtstag ist der Ausgangs- und Endpunkt, von dem aus immer wieder zurückgeblickt wird – die Erinnerungen der drei Schwestern, erzählt aus deren persönlicher Perspektive.


    Mein Fazit:
    Ein wunderschönes lesenswertes Buch über drei wunderbar eigensinnige Schwestern, die aus ihren Leben jede für sich das beste gemacht haben – jede auf ihre Art und ihrem Charakter entsprechend. Das Buch bietet schöne Lesestunden und dabei Einblicke in die Lebensmöglichkeiten Anfang und Mitte des letzten Jahrhunderts, die uns vielleicht noch aus den Erzählungen unserer Eltern und Großeltern vertraut sind – vielleicht aber auch nicht.


    Hier findet Ihr noch einen Artikel vom Dezember 2012 über die Autorin und wie sie dazu kam, dieses Buch über ihre Familie zu schreiben.
    http://www.welt.de/regionales/…eine-Geschichte-wert.html

  • Ein großes Fest steht an: Gertrud feiert ihren 100. Geburtstag, den ihr ihre jüngste Schwester Katty (84 Jahre) auf dem Tellemannshof ausgerichtet hat. Auch die dritte Schwester, die 98jährige Paula ist selbstverständlich mit dabei und neben den Festvorbereitungen gilt es auch, die Folgezeit zu planen. Doch nicht nur Zukünftiges wird besprochen, bei solch langen Lebensläufen kommt natürlich auch Vergangenes mit ins Spiel - und dies sind nicht nur freudige Gespräche. Manch Unausgesprochenes liegt noch zwischen den Schwestern und sorgt so immer wieder für Verstimmung zwischen den Dreien.


    Ich tat mich schwer mit diesem Buch und zwar aus unterschiedlichen Gründen.
    Sprachlich ist die Lektüre keine Offenbarung, der Satzbau ist zumeist recht einfach gehalten, sodass bei längerem Lesen (mehr als 50 Seiten) Ermüdungserscheinungen auftraten.
    Doch wesentlich mehr ärgerten mich zwei der drei Hauptfiguren. Bis zum Ende des Buches gelang es mir nicht, Gertrud und Katty als sympathische Personen zu sehen, ganz im Gegenteil: Während ich zu Beginn zumindest noch von Kattys offener Art angetan war, ärgerte ich mich von Seite zu Seite mehr über sie wie auch über ihre Schwester. Machtbesessen, rücksichtslos, engstirnig und intolerant die Eine; spießbürgerlich, pedantisch, nachtragend und unduldsam die Andere. Von zwei Frauen mit dieser Intelligenz und Kenntnissen hätte ich ein bisschen mehr Selbstreflektion und 'über den Tellerrand hinausblicken' erwartet, auch wenn sie am Ende des 19. bzw. am Anfang des 20. Jahrhunderts geboren wurden. Statt dessen opfert die Eine für Macht ihre Liebe und stößt eine frühere Klassenkameradin ins Verderben, während die Andere sich über Kleinigkeiten mokiert sowie ihrer ersten und praktisch einzigen Liebe voller Verbitterung hinterhertrauert. Lediglich Paula überzeugt als sympathischer Charakter, die stets Optimistische, die voller Fröhlichkeit und Empathie daherkommt.
    Die geschichtlichen Hintergründe, das gesamte 20. Jahrhundert, das von den Schwestern durchlebt wurde, taucht immer wieder in den einzelnen Rückblicken auf, wenn auch für mein Gefühl mehr am Rande. Man erfährt von Adenauer und Heinrich Lübke, die den Tellemanshof besuchten, vom 1. und 2. Weltkrieg, die als Zeit der Entbehrung dargestellt wurden, aber auch nicht mehr oder weniger.
    Alles in allem: Na ja.... Wer Familiengeschichten liebt, hat vermutlich schon bessere gelesen als da wären 'Hannas Töchter' oder 'Wilde Schwäne' (dies aber besser im Original). 'Wir sind doch Schwestern' ist nicht völlig schlecht, aber auch nicht wirklich gut - liest man es nicht, hat man nichts verpasst.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Ich habe den Roman "Wir sind doch Schwestern" von Anne Gesthuysen gerade fertig gelesen. Da der Inhalt des Romans inzwischen mehrfach wiedergegeben wurde, werde ich mir das sparen.
    Da ich historische Romane sehr gerne lese, war ich von dem Klappentext durchaus angetan und sehr gespannt, wie sich die Lebensgeschichten der drei Schwestern in das Leben im 20. Jhd am Niederrhein einbetten ließen.
    Gertrud, die älteste der drei Schwestern trauert ihr Leben lang ihrer einen Liebe, Franz Hegmann nach. Dieser wurde nach Gertruds Verständnis von seinem eigenen Bruder vom Familienhof geschickt und musste somit in den Krieg ziehen, wo er starb. Diese Geschichte fand ich noch sehr packend und Gertruds Gefühle anfangs noch absolut verständlich. Franz' Bruder Heinrich wirkte in den ersten Schilderungen so, als ob er genau solch eine Tat vollbringen könnte.
    Paula, die zweite der Schwestern, verliebt sich in Albert, heiratet ihn und gründet eine Familie. In der Gefangenschaft nach dem 2. Weltkrieg verliebt Albert sich in einen Mithäftling. Einige Zeit nach Ende der Gefangenschaft beginnt er eine Affäre mit Paulas Cousin, mit dessen Familie Paula und er den Hof teilen. Der Cousin nimmt sich das Leben, Albert versucht es. Sechs Jahre leben Paula und er der Familienehre wegen noch zusammen (wenn auch in getrennten Schlafzimmern). Dann wird er verhaftet, weil er in seinem Beruf als Sportlehrer Schüler beim Umziehen beobachtet hat. Er kommt ins Gefängnis, Ende der Geschichte.
    Paulas Geschichte wird im Roman meiner Meinung nach viel zu kurz abgehandelt. Keine Beschreibung, wie Paula sich fühlt, als sie erfährt, dass ihr Mann schwul ist. Was ist mit den Töchtern? Wissen sie Bescheid? Wann hat Paula wieder Kontakt zu Albert aufgenommen? Dort gab es mir zu viele unbeantwortete Fragen.
    Die dritte Geschichte - die jüngste Schwester Katty lebt als Hauswirtschafterin auf dem Tellemannshof bei Heinrich Hegmann - wird dafür unendlich in die Länge gezogen. Vieles wirkte redundant, da man durch den Wechsel zwischen Vergangenheit und dem Wochenende von Gertruds 100. Geburtstag hin und her wechselte und dadurch vieles schon bekannt war.
    Auf den letzten 100 Seiten sehnte ich mir immer häufiger das Ende des Buches herbei. Das war sehr schade, da mir die erste Hälfte des Buches eigentlich gut gefallen hatte.


    Ich gebe dem Buch 3,5 von 5 Sternen

  • Die drei Schwestern Gertrud, Paula und Katty halten zusammen wie Pech und Schwefel - wenn sie sich auch oftmals heftig streiten. Zur Feier von Gertruds 100. Geburtstag organisiert Katty ein großes Fest. In Rückblenden wird nicht nur über das Leben der drei Schwestern, sondern über das ganze 20. Jahrhundert berichtet. Zwei große Kriege, Hunger und Entbehrung, Liebe, Arbeit und Politik - das kommt in den Lebensläufen der Schwestern vor, und noch viel mehr.
    Ich habe den Roman mit großem Vergnügen gelesen. Die Hauptfiguren waren deutlich vor meinem geistigen Auge zu sehen, jede mit ihren Stärken und Schwächen. Eine schöne Familiengeschichte, eingebettet in das bäuerliche Leben am Niederrhein - aber viel mehr als das!
    Ich vergebe: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Nicht jeder, der das Wort ergreift, findet ergreifende Worte :-,


    (frei nach Topsy Küppers)


  • Inhalt

    Die schwesterlichen Gefühle von Katty, Paula und Gertrud sind mit einer Prise Eifersucht und Besserwisserei gewürzt. Die drei betagten Schwestern sind die letzten von insgesamt elf Geschwistern, die noch leben. Gertrud, die Älteste, wird zu ihrem einhundertsten Geburtstag in drei verschiedenen Jahrhunderten gelebt haben. Paula, nur wenig jünger und fast blind, verbreitet stets gute Laune. Katty, die Jüngste, fühlt sich wie 60 und wird auf ihrem Hof Gertruds hundertsten Geburtstag organisieren. Dem verminten Gelände der Geschwisterbeziehungen steht eine besondere Herausforderung bevor. Die beiden jüngeren Schwestern wollen Gertrud überzeugen, nach einem Leben als Alleinstehende im Alter nun besser zu Katty zu ziehen. Für alle drei ist das bevorstehende Gespräch heikel; denn in ihrer Jugend hatte Gertrud an Katty Mutterstelle vertreten. Nun fühlt Gertrud sich manches Mal selbst wie ein Kind behandelt. Katty wiederum wirkt viel zu lebenslustig, um sie sich mit ihrer lehrerhaften Schwester unter einem Dach vorzustellen.


    Katty Frankens Eltern galten vor dem Ersten Weltkrieg als arme Bauern. Ihre Töchter konnten keine Mitgift erwarten und auch sonst keine Ansprüche an das Schicksal stellen. Mit dreizehn Jahren wird Katty als Kindermädchen zu Hegmanns auf den Tellemanns-Hof geschickt, um die Bäuerin zu unterstützen. Zehn Jahre später wird sie wieder zu Hilfe geholt, um den mutterlosen Theodor aufzuziehen und den Hof von 108 Morgen mit seinen Knechten und Mägden zu verwalten. Heinrich Hegmann interessiert sich stärker für die Politik des Bauernverbands als für die Landwirtschaft. Was Katty - völlig ohne landwirtschaftliche Ausbildung - in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg für die Hegmanns leistet, kann Heinrich mit Geld nicht bezahlen. Doch auch wenn der kleine Theodor seine Katty am liebsten heiraten würde, wird sie ihr Leben lang nur Angestellte auf dem Hof bleiben. Selbst wenn "Vatti" Hegmann seine Verwalterin gern geheiratet hätte, in seinen Kreisen wäre Katty nicht standesgemäß gewesen. Heute leben Theodor und Vatti längst nicht mehr; Katty hat den Hof der Hegmanns geerbt. Rückblenden in markante Epochen deutscher Geschichte erschließen, warum Gertrud sich so schwer entscheiden kann, zu Katty zu ziehen. Schon 1915 und 1945 gab es schicksalhafte Begegnungen zwischen den Hegmanns und den Frankens. Franz Hegmann, Heinrichs jüngerer Bruder, verliebte sich zur Zeit des Ersten Weltkriegs in Gertrud. Eine Ehe ist ein Geschäft, bei dem es zu allerletzt um Gefühle geht, müssen Franz und Getrud auf die harte Tour lernen. Heinrich hatte bereits als Jugendlicher den schwachen Vater als Hofinhaber entmachtet und entscheidet als Familienvorstand über die Zukunft seines finanziell von ihm abhängigen Bruders. Franz lässt sein Leben im Ersten Weltkrieg, was Gertrud ihr Leben lang Heinrich anlasten wird. Ausgerechnet Heinrich Hegmann und seinem prächtigen Hof widmet Gertruds Schwester Katty ihr Leben.


    Fazit

    Anne Gesthuysens vordergründig unterhaltsame Familiengeschichte hat reale Vorbilder; den Tellemanns-Hof und die drei Großtanten gab es wirklich. Mit dem Schicksal dreier Frauen, deren Gedanken um für sie unerreichbare Männer kreisen, zeichnet die Autorin zugleich ein treffendes Sittengemälde der bigotten Adenauer-Ära. Homosexualität war zu der Zeit noch ein Straftatbestand, und an die nicht immer faire Suche nach einem Schuldigen in einem Scheidungsverfahren werden viele Leserinnen sich aus der eigenen Familie erinnern. Auch die Kabbeleien zwischen Dorfbewohnern, deren Ursachen weit in die Nazizeit zurückreichen, haben einen hohen Wiedererkennungswert. Die Geschichte der Frankens und der Hegmanns zeigt sich nicht zuletzt als fein beobachtetes Psychogramm einer Generation, aus der zwei der Schwestern sich in extrem konservativen Zeiten bis zum Abschluss des Gymnasiums und einer Lehrerausbildung durchbeißen konnten. Die Schicksalsschläge prasseln etwas zu kräftig auf die drei Frauen herein und der Alltag der drei Hochbetagten wird reichlich blauäugig dargestellt. Doch auch Männer haben in diesem gelungenen Portrait der Nachkriegsjahre ihr Päckchen zu tragen, besonders wenn sie von konservativ geprägten Geschlechtsgenossen in ein Parlament gewählt werden wollen. Insgesamt ist Anne Gesthuysen ein klug beobachtetes Buch über weibliche Lebensentwürfe unter der Fuchtel katholisch geprägter Politik gelungen, das die Frage aufwirft, welchen Anteil Kompromisse und Zufälle am persönlichen Glück haben.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Ravik Strubel - Blaue Frau

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Anne Gesthuysen, Wir sind doch Schwestern“ zu „Anne Gesthuysen - Wir sind doch Schwestern“ geändert.
  • Eine schöne, warmherzige Geschichte von drei Schwestern. Alles ist dabei Politik, Gefühle, Leben auf dem Hof, Liebe, Freundschaft und auch Gerichtsverhandlung wegen einer Scheidung, die auch nicht weniger wichtig in dem Roman ist. Ich habe mit der drei Schwestern Katty, Paula und Gertrud mitgefiebert und spannend erwartet was noch kommen mag. Unterschiedliche Lebenswege, unterschiedliche Schicksale, die Vergangenheit und die Gegenwart vermischen sich. Sehr stimmige Geschichte, die sprachlich wunderbar erzählt worden ist. Mir hat es gut gefallen.

    2024: Bücher: 90/Seiten: 39 866

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

    --------------------------------------------------

    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
    ------------------------------

    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

    ------------------------------

    Lese gerade:

    Scalzi, John - Die Gesellschaft zur Erhaltung der Kaiju-Monster