Michael Köhlmeier - Die Abenteuer des Joel Spazierer (ab 30.01.2013)

  • Susannah und ich haben uns kurzfristig entschlossen den neuen Roman von Michael Köhlmeier gemeinsam zu lesen. Vielleicht hat auch noch jemand Lust sich ebenso spontan uns anzuschließen.


    Kurzbeschreibung


    „Ich besaß nie den Ehrgeiz, ein guter Mensch zu werden.“ Joel Spazierer, geboren 1949 in Budapest, wächst bei seinen Großeltern auf und ist vier Jahre alt, als sie von Stalins Schergen abgeholt werden. Fünf Tage und vier Nächte verbringt er allein in der Wohnung und lernt eine Welt ohne Menschen kennen. Es fehlt ihm an nichts, er ist zufrieden. Eher zufällig findet ihn seine Mutter, die noch Studentin ist. Joel Spazierer lernt nie, was gut und was böse ist. Sein Aussehen, sein Charme, seine Freundlichkeit öffnen ihm jedes Herz. Er lügt, stiehlt und mordet, ändert seinen Namen und seine Identität und betreibt seine kriminelle Karriere in vielen europäischen Ländern. Die Geschichte, die er uns ganz unschuldig erzählt, ist ein Schelmenroman über die Nachtseiten unserer Gesellschaft wie es noch keinen gab.

  • Ich freu mich so auf dieses Buch. Bisher hat mich Michael Köhlmeier noch nie enttäuscht und wenn ich mir die Beschreibung so durchlese, wird sich das auch nicht ändern. Deshalb verzichte ich heute auf den Sophie Marceau-Film auf Arte und begebe mich direkt ins Bett. Meine ersten Eindrücke schreibe ich morgen; und ich fände es schön, dann hier schon etwas zu lesen.

  • Immer wenn ich zu einem neuen Köhlmeier greife, kommt die Frage, ob er mich wieder überzeugen wird. Bisher konnte ich auch immer mit Ja antworten. Ich habe recht hohe Erwartungen, denn vom Klappentext her weiß ich, Sebastian Lukasser ist auch wieder dabei. Ob ich heute Abend noch etwas schaffe zu schreiben, weiß ich nicht. Aber morgen Vormittag klappt es bestimmt.


    Auch bei mir bleibt der Fernseher aus, ich habe jetzt den gleichen Bett-Partner wie du. :wink:

  • Ich habe gestern noch Kapitel 5 beendet und bin - wie nicht anders zu erwarten - sehr begeistert. Köhlmeier hat einfach eine derart angenehme Art zu schreiben, dass jeder Satz ein Genuss ist.


    Diese Geschichte mit dem Kind, das einige Tage alleine in der Wohnung der Großeltern bleiben muss, bevor es - zufällig - von seiner Mutter gefunden wird, ist schon ziemlich schräg. Und Lukasser ist in einigen Situationen - wenn auch nur indirekt - schon aufgetaucht.


    Was ich Herrn Köhlmeier ein wenig übel nehme, ist, dass die Großmutter des Jungen 39 Jahre alt ist. Ich meine, Großmütter sind nicht 39. Ich bin 39!! :twisted:


    Lustig zu lesen finde ich die Beschreibungen von Budapest. Ich war erst letztes Jahr dort und habe die Bilder von diversen Stadtteilen und vor allem der Fischerbastei noch deutlich vor Augen.

  • Nun warst du doch schneller als ich.


    Köhlmeier schafft es wieder sofort, dass man in dem Roman drin ist. Er macht neugierig auf das Geschehen, man will einfach lesen.


    Der kleine András Fülöp ist 5 Tage und Nächte allein. Da wirkte im ersten Moment auch ein wenig befremdlich. Aber war es nicht doch ein Glück für das Kind? Was wäre sonst geschehen? Es wäre sicher in ein heim gekommen. Ein wenig eigenartig finde ich die Zustände schon. Ich brauchte einen Moment, bis ich begriff, es sind nicht die Eltern, sondern die Großeltern verhaftet worden. Dann wird erst die Mutter in die Handlung eingeführt. Ich hatte mich schon gefragt, wo ist sie? Der Vater taucht noch später auf. Aber ist er eigentlich der Vater?

    Zitat

    Was ich Herrn Köhlmeier ein wenig übel nehme, ist, dass die Großmutter des Jungen 39 Jahre alt ist. Ich meine, Großmütter sind nicht 39. Ich bin 39!! :twisted:

    Nun ja, da hast du wohl ein wenig Nachholebedarf. :-, In den Ostblockstaaten war es durchaus üblich, die Kinder recht früh zu bekommen. Großmutter mit 39 Jahren ist da nicht unbedingt ungewöhnlich. Aber ganz ehrlich, man verpasst nichts, wenn das später geschieht. :wink:


    In Budapest war ich vor vielen Jahren. Aber die Erinnerung frischt Köhlmeier gut auf.


    Ich habe mich schon bei Madalyn gefragt, was mir an Köhlmeiers Romanen so gefällt. In diesem hat er es mir selbst beantwortet:

    Zitat

    Es sei durchaus erlaubt abzuschweifen; ein Buch sei ein mäandernder Fluss und kein Kanal - belehrte mich Sebastian Lukasser; nur eines: meine Geschichte dürfte ich dabei nicht aus dem Auge verlieren. Was aber, wenn man nicht nur eine Geschichte hat? Wenn man drei, zehn, hundert Geschichten zu erzählen hat?

    Er erzählt nie nur eine Geschichte, das macht seine Romane so vielschichtig und komplex.


    In diesem Roman werden wohl immer wieder mit Lüge und Wahrheit konfrontiert werden. András/Andres/Joel ist über 60 Jahre alt, als er diese seine Geschichte(n) erzählt und sein Leben kann mit einem Begriff zusammengefasst werden: Lüge. Da dürfen wir wohl mit einigen Verwirrungen rechnen.

  • Ich bin heute vom Büro heimgekommen, habe nur schnell die Waschmaschine befüllt, sonst Haushalt Haushalt sein lassen und mich mit Köhlmeier auf die Couch gefläzt.


    Du hast recht, seine Geschichten sind immer sehr verzweigt und vielseitig - und trotzdem nie verwirrend und unübersichtlich.


    Mittlerweile ist die Familie in Österreich, wo sie nicht grade herzlich begrüßt wurden. Man erfährt allerdings nicht wirklich, was auf der Fahrt passiert ist. András erzählt uns, seinen Schulkollegen und seinen "Interviewern" viele verschiedene Versionen; welche davon ganz stimmt, ist wohl nur zwischen den Zeilen zu lesen. Die Mutter ist jedenfalls ziemlich überfordert mit dem eigenwilligen Charakter ihres Kindes, wohingegen er mit Großmutter und Vater (?) viel besser auskommt. Und auch mir sind die beiden bisher am sympathischsten.


    Irgendwie kann ich mich nicht dagegen wehren, dass mich András immer wieder an Oskar Matzerath erinnert, obwohl ich letzterem ja so gar nichts abgewinnen kann. Aber mit seiner altklugen Art, mit seinem - trotzdem - naiven Glauben, die Erwachsenen lenken und beeinflussen zu können, sehe ich unwillkürlich die Ähnlichkeit.


    Was hältst du übrigens von diesen "nächtlichen Tierbesuchen" während der fünf Tage, vier Nächte? Ich bin nicht sicher, ob ich das so ganz richtig verstanden habe...


    So, ich gehs wieder an. :study: Bis morgen.

  • Ok, die "Tierbesuchsfrage" hat sich gestern noch von selbst geklärt. Ich war nämlich nicht sicher, ob er sich diese Tiere nur erträumt hat und in Wirklichkeit Besuch von zweibeinigen "Tieren" bekommen hat - aber offenbar waren es tatsächlich nur Träume.

  • Gestern bin ich bis Seite 98 gekommen.


    Die Tierfrage hatte sich bei mir auch gestellt. Ja, es sind Träume in denen die Tiere zu András kommen. Aber was will Köhlmeier uns damit sagen? Die einfachste und augenscheinlich logische Variante wäre, dass András aus den 5 Tagen und 4 Nächten des Alleinseins ein Trauma zurückbehalten hat. Damals haben ihn die Tiere von seiner Bettdecke in seiner Einsamkeit beschützt und begleitet und seit dem kommen sie immer wieder in seinen Träumen vor. Ich zweifle aber ganz stark daran, dass der Autor es uns so einfach macht, deshalb habe ich mal gegoogelt und bin auf folgenden Link gekommen. *Klick* Jetzt muss ich noch einmal ins Buch schauen, welche Tiere das genau sind und ob das einen Sinn ergibt. Aber sollte Köhlmeier ins Paranormale abdriften? :-k

    Zitat

    Irgendwie kann ich mich nicht dagegen wehren, dass mich András immer wieder an Oskar Matzerath erinnert, obwohl ich letzterem ja so gar nichts abgewinnen kann. Aber mit seiner altklugen Art, mit seinem - trotzdem - naiven Glauben, die Erwachsenen lenken und beeinflussen zu können, sehe ich unwillkürlich die Ähnlichkeit.

    Ja, diese Assoziation kommt, bei mir schlich sie sich ein, als er so eigenartig schrie.

    Zitat

    Mittlerweile ist die Familie in Österreich, wo sie nicht grade herzlich begrüßt wurden. Man erfährt allerdings nicht wirklich, was auf der Fahrt passiert ist. András erzählt uns, seinen Schulkollegen und seinen "Interviewern" viele verschiedene Versionen; welche davon ganz stimmt, ist wohl nur zwischen den Zeilen zu lesen. Die Mutter ist jedenfalls ziemlich überfordert mit dem eigenwilligen Charakter ihres Kindes, wohingegen er mit Großmutter und Vater (?) viel besser auskommt. Und auch mir sind die beiden bisher am sympathischsten.

    Ich war erst einmal verwirrt, weil der Großvater ja auf der Flucht starb. Aber doch am Leben war. Lehre: glaube nicht alles, was du liest. Mal sehen wir oft ich dem Jungen noch auf den Leim gehe. Dr. Martin war schon etwas überrumpelt als die Familie in seinem Büro auftauchte. Als er sie dann in seine Wohnung holt, machen sich auch alle gleich breit und vereinnahmen ihn und seine Wohnung. Ihnen ist ja auch gar nichts heilig. András benutzt sogar die Zahnbürste Dr. Martins. *schüttel*
    Dank erweist Dr. Martin wohl auch nur die Großmutter. :wink:


    András kann aber schneller und überzeugender lügen, als ein Pferd läuft. :shock: Was er seinen Schulkameraden erzählt, ist ja schon fragwürdig und wird nur noch getoppt durch seine Geschichten, die er seinen neuen Freunden Emil und Franzi unterjubelt.


    Auf Seite 98 am Ende des 4. Abschnittes des 2. Kapitels gibt es es wohl eine "Anleitung" zum gekonnten Lügen. Warum András lügt, erklärt er auf Seite 93

    Zitat

    "--ich wollte im Leben jemand sein. Ein Mann mit einem Namen. Dem die Leute alles glauben. Der Papiergeld in den Taschen herumträgt. Der ein gewichtiges Auto fährt. "

    Gut gefallen hat mir, wie der Großvater erklärt, warum es keinen Gott geben kann. (Seite 88) Diese Logik ist unschlagbar.


    Hier habe ich noch einen Artikel gefunden: Zu Besuch bei Michael Köhlmeier .

  • Ja, ich habe das dann auch so aufgefasst, dass er sich die Tiere als Gesellschaft herbeigeträumt hat. Ob einer tieferer Sinn dahintersteckt? Ich bin gespannt. Momentan hat er sie zumindest mal verbannt.


    Das mit dem vermeintlichen Tod des Großvaters war schon sehr verwirrend. Einmal ist er gestorben, einmal ist er es nicht. Je nachdem, für wen die Version gedacht ist, die der Junge gerade erzählt. Im Endeffekt lebt er wohl doch noch, weil ihn Dr. Martin ins Krankenhaus bringt und dort anordnet, dass er, der Großvater, geheilt zu werden hat.


    Die Mutter finde ich ganz, ganz grauenhaft. Natürlich benimmt sich die ganze Familie sehr unhöflich und respektlos gegenüber ihrem Herberggeber (mit Ausnahme der Großmutter, wie du richtig bemerkst :wink: ), aber ihre präpotente Art stellt wohl alles in den Schatten. Ich bin richtig erleichtert, dass das Martyrium nur gut eine Woche dauert. Übrigens habe ich seine Reaktion, als die Familie plötzlich vor ihm stand und Unterkunft verlangte, sehr gut verstanden. Ich wäre wohl auch davongelaufen. Umso beeindruckender war für mich sein Sinneswandel, als er sie dann doch aufgenommen hat.


    Jetzt hast du mich überholt: Emil und Franzi kenne ich noch nicht. Aber ich folge dir auf den Fuß...

  • Gerade habe ich das 2. Kapitel beendet. (Seite 128) Weiter lese ich heute auch nicht.


    Emil und Franzi waren nicht unbedingt die beste Gesellschaft für András. Mann, ganz schön starker Tobak was der Junge mit den Männern macht. Besser gesagt die Männer den Jungen machen lassen.


    Wie die Moma zu ihrer Professur und dem erfolgreichen Buch kam, spricht ja auch für sich. Nein, sympathisch ist sie mir auch nicht. Aber wenigstens hat Dr. Martin sich dann doch für die Frau seines Herzens entschieden und Moma den Laufpass gegeben. Allerdings beging dieser den Fehler, die Geschichte von Momas Buch András zu erzählen. Der setzt eine sagenhafte Lüge in die Welt und das war es dann für den Doktor. Das war dann der Dank für seine Entscheidung, der Familie zu helfen. Nicht immer scheint es gut zu sein, ein Gewissen zu haben.


    Die 2. Flucht der Familie war doch auch eine Lüge. Daraus wollen sie doch nur ihre Vorteile ziehen. Irgendwie ist das ein Lügenroman, im wahrsten Sinne des Wortes. Alle lügen und betrügen sich gegenseitig. Einzig der, der die Wahrheit sagte, wurde bestraft.


    Ich bin gespannt, was du dazu sagen wirst.

  • Ich war gerade bei der Stelle, an der Andres bzw. Moma die Karriere von Herrn Dr. Martin beenden. Also das ist schon ziemlich heftig und mir ist kurz die Luft weggeblieben, als ich diese eine Lüge von Andres gelesen habe. Unglaublich! Natürlich haben ihn die Erlebnisse mit diesen perversen Männern geprägt - und anders wäre er wohl kaum auf die Idee gekommen, so etwas zu behaupten - aber trotzdem... Pfu!


    Die 2., die inszenierte Flucht war jedenfalls auch eine Lüge. Als witziges Detail am Rande fand ich, dass Andres meinte, sie hätten sich ja einfach in den Büschen auf der österreichischen Seite verstecken können und dann so tun, als ob sie grade aus Ungarn kämen - das wäre weniger gefährlich gewesen. Und sein Vater erklärt ihm, er und Andres´ Mutter hätten das als nicht ehrlich empfunden. :lol:


    Übrigens habe ich nicht Moma gemeint, als ich meinte, sie sei mir so unsympathisch, sondern die Mutter des Jungen. Richtig sympathisch ist mir Moma, also die Großmutter, zwar auch nicht, aber sie ist wenigstens nett zu dem Kind. Oder wie? Irgendwie weiß man mit der Zeit wirklich nicht mehr, was man glauben soll und was nicht...

  • Irgendwie weiß man mit der Zeit wirklich nicht mehr, was man glauben soll und was nicht...


    Ja, so ist es. Im Moment zweifle ich so ziemlich alles an. Aber macht das nicht genau die Spannung aus? Mir gefällt der Roman bis jetzt richtig gut.


    So wirklich sympatisch ist mir keine der agierenden Personen. Mit András/Andres empfinde ich eher Mitleid. Er wächst so nebenbei auf. Kein Wunder, dass er sich seine eigene Welt mit Lügen ausschmückt. Die Mutter kannst du ganz und gar vergessen. Moma erlebt ihren 2. Frühling. Ich bin gespannt ob sie jetzt nach Dr. Martin etwas ruhiger wird, oder ob sie schnell nach einer neuen Affäre sucht. Aber sie wenigstens gut zu Andres. Das rechne ich ihr auch positiv zu. Ich glaube, am liebsten mochte ich noch den Großvater, der war ja relativ unauffällig und ist nun wohl wirklich gestorben.


    Ein paar seiten schaffe ich jetzt noch, dann bekommen wir Kaffeegäste.

  • Mir gefällt die Geschichte auch sehr gut. Wir haben heute so richtiges Schmuddelwetter und daher kam ich am Nachmittag ein bisschen zum Lesen.


    Andres hat als Robert mit seinem Entführer die Reise nach Deutschland gemacht. Dort war er plötzlich auf sich gestellt und hat auch das bravourös gemeistert. Bisher zumindest. Ich glaube, als nächstes setzt er sich in den Zug und fährt zurück nach Wien. Ich bin schon gespannt, wie er dort als verlorener Sohn von seiner Familie empfangen wird.

  • Endlich hab ichs geschafft, das von dir hier empfohlene Gespräch mit Michael Köhlmeier zu lesen. Sehr aufschlussreich und sehr interessant - wie erwartet. Dass es dieses Dschungelwohnzimmer aus "Idylle mit ertrinkendem Hund" wirklich gibt, wusste ich nicht. Das würde ich ja wirklich gerne mal sehen!!

  • Ich bin gestern noch recht weit gekommen. Es ist beim Kindle ein bisschen unpraktisch, weil ich keine Seitenzahlen habe, aber Andres hat Sebastian Lukasser und seine Familie kennen gelernt. Das ist großartig. Man hat das Gefühl, alle Personen zu kennen, von denen er, Lukasser, erzählt. Von seinen Eltern, von seinem Paten in Innsbruck und dessen Frau. Alles gute, alte Bekannte. Ich genieße grade sehr! :wink: Andres zieht es vor, die Zeit mit der Familie Lukasser zu verbringen, statt mit seiner eigenen Familie in Italien - ich kann ihn verstehen!


    Sehr genossen habe ich auch den Teil, in dem er seine Heimreise mit Staff Sergeant Winship macht. Ich meine, alleine darüber könnte man ein ganzes Buch schreiben. Von mir aus hätte es noch seitenlang so weitergehen können. Das hatte fast den Charme von Tom Sawyers und Huckleberry Finns Abenteuer. Ganz anders als seine nächsten Bekanntschaften: Die stinkreiche Familie Lundin. Unsympathisch und uninteressant. Auch das wundervoll geschrieben, aber hier hat mich das Thema einfach nicht interessiert.

  • Susannah, wir haben gestern etwa an der gleichen Stelle unsere Lesepause eingelegt.


    Ich weiß gar nicht was ich noch schreiben soll, du hast alles so treffend beschrieben.


    Andres hat hat sich ja förmlich entführen lassen. Ich hatte auch eher den Eindruck es war ein großes Abenteuer für ihn. Das wurde natürlich noch getoppt, als er auf Staff Sergeant Winship traf. Das war so skurril, aber so toll erzählt, immer wieder dachte ich, wenn jetzt noch ein Bär die Szenerie betritt, hat John Irving für diesen Abschnitt Pate gestanden.


    Als dann Sebastian Lukasser mit seiner Familie die Bühne betrat, begrüßte ich innerlich gute alte Bekannte. Es ist sicher nicht erforderlich, "Abendland" gelesen zu haben. Aber um ein Gespür für die Hintergründe zu haben, ist es sehr nett. Seine Entscheidung , bei den Lukassers seine Ferien zu verbringen, war auch für mich sehr nachvollziehbar.


    Der Abschnitt, in dem die Lundins hren Auftritt hatten, habe ich mir damit erklärt, dass dieser das Verhältnis von Andres zum Geld klarstellen sollte. Er ist käuflich, bestechlich, weiß um seine Wirkung auf seine Mitmenschen und diese in bare Münze umzusetzen.


    Ein wirklich toller Roman, skurril, eigenwillig und abenteuerlich. Gut, dass bei uns das Wetter allen Aktivitäten unter freiem Himmel einen Riegel vorschiebt.

  • Du hast recht: Der Trip mit dem Sergeant war schon fast Irving-reif.


    Dass die Begegnung mit den Lundins auf eine Entwicklung bzw. Eigenschaft Andres´ hinweist, habe ich mir auch gedacht. Trotzdem war ich nicht unglücklich, als der Kontakt abbrach.


    Heute habe ich bis jetzt leider keine einzige Zeile gelesen; wir waren den ganzen Nachmittag in Sachen Geocaching unterwegs und sind grade erst heimgekommen, aber ich werde mal wieder das Fernsehprogramm sausen lassen und mich mit Michael ins Bett begeben (mein Freund schaut immer ganz sauer, wenn ich das sage :lol: )

  • Ich bin beim 2. Teil angelangt und der 1. endet mit einer wahren Explosion! Wieder einmal ist mir die Luft weggeblieben. Nun, man weiß ja schon aus den Inhaltsangaben, dass Andres zumindest einen Mord begeht, aber dass er es so kaltblütig macht, damit habe ich trotz allem nicht gerechnet.


    Zuvor war die Zugfahrt mit Sebastian, während der sie buchstäblich über Gott und die Welt philosophieren. Das fand ich schon interessant und lustig zu lesen; abgesehen davon, dass ich einiges über Hieroglyphen und dergleichen gelernt habe. Bei Sebastian hat man zum ersten Mal das Gefühl, Andres sei angekommen. Hier ist er ehrlich, hier ist er zu Hause. Allerdings traue ich dem Schein nicht und ich bin gespannt, was da noch kommen mag.


    Die Anbiederung von Lundin war ja ... ich weiß nicht genau ... war sie erbärmlich, mitleiderregend oder rührend? Oder am ehesten wohl eine Mischung aus allen dreien. Und natürlich geht Andres darauf ein - schließlich lässt er sich seine "Freundschaft" gut bezahlen.


    Jedenfalls lese ich heute noch ein Weilchen und ich freue mich drauf!

  • Ich bin schon ein Stück weiter, es gab schon eine Gerichtsverhandlung und eine Strafe. Davon später, wenn du das gelesen hast, ich will dir nichts vorwegnehmen.


    Den Einbruch bei den Lundins hätte ich ja noch "tolerieren" können. Das heißt, er hatte es auf das Geld abgesehen, wollte auch angenehm leben, alles erklärbar. Aber als dann Frau Lundin auftaucht und es zum Extremsten kommt, war ich, trotz Kenntnis des Klappentextes, auch sprachlos. Gefallen hat mir Bebe. Die hat beherzt zum Kerzenständer gegriffen und ist ihm entgegengetreten. Er hat ja auch einige Verletzungen abbekommen.


    Andres ist in meiner Fantasie irgendwie gesichtslos. Köhlmeier schreibt immer wieder, er sei sehr schön, hätte goldene Sommersprossen und wunderbares braunes Haar. Alle haben in meinem Kopf ein Gesicht, aber nur das einer Schaufensterpuppe. Mir ist, wahrscheinlich zum Glück, auch noch nie ein Mensch begegnet, der mich so beeindruckt hat, dass ich gar nicht auf die Idee kam, mich zu fragen, ob er ein wirklich so guter Mensch ist. Er beeindruckt irgendwie alle, sein Charme und seine Ausstrahlung müssen gewaltig sein. Auch durch die Verhöre laviert er sich mit seinen Antworten "Ja", "Nein" und "Weiß nicht.". Wo er war, bleiben viele Menschen auf der Strecke. Er ist rücksichtslos, hat aber selbst auch nie richtig erfahren, was Rücksicht nehmen eigentlich heißt und ist ein Meister der Manipulation. Die Menschen merken gar nicht, dass sie ihm auf den Leim gehen. Reue kennt er nicht.


    Mir ist aufgefallen, dass wiederholt das Thema Gott, Gotteserscheinung etc. aufgegriffen wird. Das bekomme ich noch nicht so richtig eingeordnet. Aber ich bin ja auch er in der Mitte des Buches, da kann ja noch einiges geschehen, was mir dieses Fragezeichen löscht.


    Nun bin ich schon sehr gespannt, was du zu der Gerichtsverhandlung und dem Folgenden sagen wirst.

  • Stimmt, den Einbruch hätte ich auch noch nicht als so schlimm befunden. Schließlich haben die Lundins genug Geld, da können sie schon etwas davon entbehren. Die Haushälterin hat mir auch gefallen. Sehr couragiert. Ich war froh, dass er wenigstens ihr nichts getan hat.


    Ich tu mir mit seinem Gesicht auch schwer. Nicht so sehr mit dem kleinen Andres. Da komme ich mit Goldlöckchen und Sommersprossen gut klar. Aber schon beim 16jährigen habe ich Schwierigkeiten. Und wie soll er jetzt - mit gut 60 - aussehen? Ich bin gerade beim Bericht über den Tierarzt und schaffe es echt nicht, sein Gesicht zu sehen.


    Auf die Verhandlung bin ich schon sehr gespannt. Immerhin lassen seine "Gespräche" mit dem Anwalt schon erahnen, was auf mich zukommt. Er ist einfach unglaublich, oder?


    Mit diesen Gotteserscheinungen kann ich bisher auch wenig anfangen. Lassen wir uns überraschen, ob Köhlmeier etwas damit bezweckt oder ob er uns einfach nur verwirren möchte... :wink: