Jean-Christophe Grangé - Im Wald der stummen Schreie/La forêt des mânes

  • Kurzbeschreibung (von amazon):


    Eine Serie von grausamen Ritualmorden in Paris. Im Zuge ihrer Ermittlungen wird die ehrgeizige Untersuchungsrichterin Jeanne Korowa zufällig Zeugin eines therapeutischen Gesprächs, in dem ein Vater vom Gewaltpotenzial seines autistischen Sohns berichtet. Ist der junge Mann womöglich der Täter? Die Suche nach der Wahrheit führt Jeanne schließlich bis in den Dschungel Argentiniens - wo ihre schlimmsten Albträume Wirklichkeit werden -


    Über den Autor ( von amazon ):


    Jean-Christophe Grangé, 1961 in Paris geboren, arbeitet als freier Journalist für "Paris-Match", "Gala", "Sunday Times", "Observer", "El Pais", "Spiegel" und "Stern". Seine abenteuerlichen Reportagen führten Grange zu den Eskimos, den Pygmäen, den Tuareg und in die Mongolei.


    Zum Inhalt:

    Die Untersuchungsrichterin Jeanne Korowa ist mit einem Fall von Steuervergehen betraut. Gleichzeitig passiert in Paris ein eigenartiger Mordfall. Die Spuren am Tatort deuten darauf hin, dass es sich dabei um einen Ritualmord handelt. Der mit der Untersuchung beauftragte Richter, mit dem Jeanne befreundet ist, zieht sie inoffiziell zu dieser Untersuchung hinzu. Im Zuge der Ermittlungen in ihrem Fall stößt Jeanne mehr oder weniger zufällig auf das Gespräch eines Mannes mit seinem Therapeuten. In diesem Gespräch erwähnt der Mann seinen Sohn, und dass dieser zu Gewalttätigkeiten neigt. Als ein weiterer Mord passiert, beginnt sich Jeanne zu fragen, ob möglicherweise dieser Sohn der Mörder sein könnte. Da sie die Information über dieses Gespräch allerdings auf illegale Weise erworben hat, kann sie diese unmöglich verwenden. Und so beginnt sie, auf eigene Faust zu ermitteln. Nur nach und nach beginnt sie zu erkennen, was die Mordopfer möglicherweise miteinander verbunden hat. Die Spuren führen sie schließlich nach Nicaragua, Guatemala und Argentinien. Aber auch hier scheint ihr der Mörder immer einen Schritt voraus zu sein...


    Meine Meinung:


    Ich habe schon einige Bücher von Jean-Christophe Grangé gelesen, und bisher haben mir alle gut gefallen. Ich mochte besonders seine Figurenzeichnung. Seine Charaktere fand ich immer ein wenig anders, düster und deshalb sehr interessant. Von daher war "Im Wald der stummen Schreie" auf den ersten Seiten für mich eine große Enttäuschung.


    Jeanne Korowa, die Hauptperson des Buches, ist eine Mittdreißigerin, die von ihrem Leben enttäuscht ist. Sie ist der Meinung, dass sie nichts vorzuweisen hat - keinen Mann, keine Kinder, keine Freunde. Sie lebt nur für ihre Arbeit und vergräbt sich ansonsten in Selbstmitleid und Depressionen, und scheint irgendwie krampfhaft auf der Suche nach dem Mann fürs Leben zu sein. Sie missbraucht ihr Amt, um einem Ex-Liebhaber hinterherzuspionieren - nur um gleich wieder in Selbstmitleid zu versinken, als sie erkennt, dass er nichts mehr von ihr wissen will. Auch die Handlung dümpelt auf den ersten Seiten mehr oder weniger vor sich hin. Jeanne ist mit einem Fall betraut, der sich mit Steuervergehen befasst, die Ermittlung im Mordfall bekommt sie nur am Rande mit, da ein befreundeter Richter mit diesem Fall betraut ist.


    Ich war schon kurz davor, das Buch enttäuscht zur Seite zu legen, aber nach ungefähr 100 Seiten änderte sich schlagartig alles. Plötzlich war alles da, was ich an den Büchern von Grangé bisher so gemocht habe: Eine spannende Handlung, Hinweise, die nur nach und nach ein komplettes Bild ergeben, eine rätselhafte und mysteriöse Geschichte, die hinter den Ereignissen zu stecken scheint, und interessante Figuren. Jeanne besinnt sich auf das, was sie wirklich gut kann, nämlich ermitteln. Sie macht sich allein auf die Suche nach dem vermeintlichen Mörder. Nach und nach ergeben sich mögliche Zusammenhänge zwischen den Mordopfern und es gibt immer neue Erkenntnisse über die Vergangenheit des Mannes, dem Jeanne hinterherjagt.


    Wie Grangé dem Leser nach und nach immer neue Spuren und Erkenntnisse offenbart, das hat mir sehr gut gefallen und das fand ich richtig spannend. Die Mordfälle selbst sind sehr bizarr und die Beschreibung der Tatorte und der Leichen teilweise auch recht brutal und grausam. Da der Täter die Morde anscheinend einem bestimmten Ritual folgend begeht, ist natürlich vor allem die Frage interessant, wieso er dies tut.


    Auch in diesem Buch lässt der Autor wieder ein Stück realer Geschichte einfließen: Die Zeit der Militätdiktaturen in Lateinamerika. Und es wird recht deutlich, dass die Schrecken dieser Zeit bei den Menschen noch allgegenwärtig sind. Was in dieser Zeit an Unrecht geschehen ist, und auf welch furchtbare Art und Weise Menschen damals gefoltert wurden, das ist schlimmer als alles, was sich ein Autor jemals ausdenken könnte.


    Fazit:


    Nach einem, zumindest meiner Meinung nach, eher schleppenden und enttäuschenden Anfang entwickelt sich das Buch zu einem sehr spannenden Krimi. Die einzelnen Spuren und Hinweise ergeben nur langsam nach und nach ein Gesamtbild. Die Auflösung hat mir dann sehr gut gefallen. Für die ersten, nicht so wirklich spannenden Seiten, ziehe ich einen halben Stern ab und vergebe :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    "Vergiss nie, was du bist, denn die Welt wird es ganz sicher nicht vergessen. Mach es zu deiner Stärke, dann kann es niemals deine Schwäche sein. Mach es zu deiner Rüstung, und man wird dich nie damit verletzen können."
    (Aus "Die Herren von Winterfell" von George R. R. Martin)


    :study: "Auris - Die Frequenz des Todes" von Vincent Kliesch

  • "Vergiss nie, was du bist, denn die Welt wird es ganz sicher nicht vergessen. Mach es zu deiner Stärke, dann kann es niemals deine Schwäche sein. Mach es zu deiner Rüstung, und man wird dich nie damit verletzen können."
    (Aus "Die Herren von Winterfell" von George R. R. Martin)


    :study: "Auris - Die Frequenz des Todes" von Vincent Kliesch

  • Danke für die Rezension! :thumleft:
    Ich bin ein riesengroßer Fan von Jean-Christophe Grangè. Seine Thriller tragen eine unvergleichliche Handschrift, wobei vor allem die von Solitude erwähnten besonderen Charaktere herausstechen. Auch die immer sehr düstere und mysteriöse Atmosphäre und die Einbringung realer historischer Ereignisse ist einfach toll.
    Dieses Buch ist das einzige von ihm, das ich noch nicht gelesen habe. Das muss ich wohl bald ändern.


  • Dieses Buch ist das einzige von ihm, das ich noch nicht gelesen habe. Das muss ich wohl bald ändern.

    Da bin ich dann auf Deine Meinung sehr gespannt. Ich habe gesehen, dass das Buch bei amazon zum Teil nicht so gut bewertet wurde. Das habe ich, abgesehen vom Anfang, nun gar nicht so empfunden.

    "Vergiss nie, was du bist, denn die Welt wird es ganz sicher nicht vergessen. Mach es zu deiner Stärke, dann kann es niemals deine Schwäche sein. Mach es zu deiner Rüstung, und man wird dich nie damit verletzen können."
    (Aus "Die Herren von Winterfell" von George R. R. Martin)


    :study: "Auris - Die Frequenz des Todes" von Vincent Kliesch

  • Da bin ich dann auf Deine Meinung sehr gespannt. Ich habe gesehen, dass das Buch bei amazon zum Teil nicht so gut bewertet wurde. Das habe ich, abgesehen vom Anfang, nun gar nicht so empfunden.

    Das war sein letztes Buch "Der Ursprung des Bösen" bei Amazon auch und ich habe 4,5 Sterne gegeben. Davon lasse ich mich nicht abhalten. :wink:

  • So, nun habe ich es endlich gelesen und selten konnte ich mich einer Rezension in allen Punkten so anschließen wie hier bei Solitudes. Ich habe das Buch ganz genauso empfunden: Der Anfang war sehr, sehr zäh und ich erkannte Grangé kaum wieder. So richtig ist der Funke bei mir allerdings erst übergesprungen als die Protagonistin nach Nicaragua reist. Ab diesem Zeitpunkt wurde "Im Wald der stummen Schreie" zu einem absoluten Spitzenthriller und endlich hatte ich wieder das Gefühl, hier einen typischen Grangé in der Hand zu halten. Im Grunde laufen seine Bücher ja schon immer nach einem ähnlichen Muster ab, das muss man schon so sagen. Und trotzdem schafft er es immer wieder, mich zu fesseln. Das lag dieses Mal vor allem an den jüngeren historischen Begebenheiten in Lateinamerika, wo es ja bis vor nicht allzu langer Zeit viele Schreckensherrschaften in Verbindung mit dort verübten Greueltaten gab. Und bei der Beschreibung von so manchen dieser Taten musste ich schon stark schlucken, für sanfte Gemüter ist das Buch definitiv nichts. Die Auflösung hat mir auch gut gefallen, wenngleich ich doch einen Teil dessen schon geahnt hatte.


    Wäre der Anfang nur ein wenig fesselnder gewesen, wäre hier die Höchstwertung drin gewesen. Aber so sind es leider "nur" :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: geworden.

  • Die Hörbuch-Version dieses Thrillers ist absolut nicht zu empfehlen, leider. Frau Sawatzki hat echte Probleme mit ihren Frikativ-Lauten. Anscheinend will sie die Hörer davon überzeugen, dass sie über eine überzeugende Aussprache im Spanischen verfügt, und spricht sämtliche Zischlaute, egal ob, z, s oder das weiche c, wie einen stimmlosen englischen "th"-Laut aus. Nun wird aber nur in wenigen spanischsprachigen Regionen (z.B. in der Gegend um Madrid) die "th"-Aussprache verwendet, meines Wissens in Argentinien gar nicht, wo sich ein Teil der Handlung abspielt. Ich wüsste sowieso von keinem mittel- und südmaerikanischem Land, das eine solche Aussprache in den Zischlauten hat. :-k Zum anderen werden auch dort, wo bestimmte Frikativ-Laute wie "th" ausgesprochen werden, nur das "z" und einige weichen "c"-Laute so ausgesprochen, keinesfalls aber das "s". Andrea Sawatski spricht aber sogar das s im Namen Rosa als "th" aus, dann hört "thich dath nur theuthlich und gräthlich an, wenn Ihr verthteht, wath ich meine" :roll:

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • weiterhin ot:
    Ich verstehe dich. Ich habe mich über die Vorleserin Susanne von Borsody einmal geärgert, als sie in einem Fred-Vargas-Hörbuch eine französische Avenue als "Äwenju" ausprach. Warum kann bei Hörbüchern, die fremdsprachige Passagen enthalten, nicht mal ein Muttersprachler drüberhören?

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • dann hört "thich dath nur theuthlich und gräthlich an, wenn Ihr verthteht, wath ich meine" :roll:

    :totlach: :totlach: wie gut, dass ich keine Hörbücher höre - ich würde ja wahnsinnig, obwohl mein Spanisch nun mehr als eingerostet ist :friends:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Eigenzitat aus amazon.de:


    Die Pariser Ermittlungsrichterin Jeanne Korowa steht am Ende einer längeren heißen Beziehung und hält sich im Alltag mit Antidepressiva und anderen Mitteln über Wasser, während sie mehr und mehr vereinsamt. In ihrem Unwillen, ihre „große Liebe“, trotz mehrfachen Fremdgehens mit verschiedenen Frauen, die er heiraten möchte, aufzugeben lässt sie unerlaubter Weise seine Sitzungen bei einem Therapeuten abhören – ein Vorgehen, dass ihr eine Menge Ärger einbringen könnte.


    Da wird sie von einem Kollegen mit in die Ermittlungen in einen seltsamen Mordfall involviert, bei dem das weibliche Opfer nicht nur fürchterlich zugerichtet wurde, sondern auch noch kannibalistischen Riten unterzogen wurde – und das Alles in den unteren Etagen einer Tiefgarage. An der Wand finden sich ungewöhnliche Schriftzeichen und verschiedene Spuren am Tatort weisen darauf hin, dass der Täter seine Tat nackt durchgeführt haben muss, wobei er sich steinzeitlicher Methoden und Werkzeuge zu bedient haben scheint. Dieser Fall, der sie stark an die Ermordung ihrer eigenen Schwester in einer anderen Tiefgarage erinnert, wird für Jeanne, die eigentlich keinen offiziellen Ermittlungsauftrag hat schnell zur Besessenheit.


    Eine nicht unbedingt glaubwürdige weibliche Hauptprotagonistin führt durch eine Handlung mit einigen Logiklücken. Beim aufmerksamen Lesen kann die Auflösung zur Identität des Mörders im Endeffekt nicht wirklich überraschen – Grangé hat nun mal die Neigung, seinen Leserinnen und Lesern eine faire Chance zum Mitlösen zu geben. Viele Handlungen Jeannes erscheinen überaus unmotiviert, oder zumindest seltsam im Zusammenhang. Von daher ist dieses Buch nicht wirklich überzeugend.


    Interessant sind allerdings andere Aspekte, wie die Ausführungen zu Freuds Betrachtungen über die Urhorde und den Kannibalismus, paläoanthropologische Überlegungen zu Entwicklung der Menschen und ihrer Nebenstämme und zur Geschichte der mittel- und südamerikanischen Staaten durch verschiedene Diktaturen und Revolutionen und zur sich daraus entwickelt habenden aktuellen Situation. Dabei zeigt Grangé eim Bereich dieser Überlegungen zum Postkolonialismus, genau wie bei der Paläoanthropologie, eine entschieden französisch geprägte Sichtweise, die manchmal zu für Nichtfranzosen überraschende Äußerungen führen kann. Insgesamt eine etwas durchwachsene Leseerfahrung, die immer dann gewinnt, wenn der Erzählfokus von der Hauptprotagonistin abweicht.

  • Ich liebe Bücher von Grangé. Und auch diesmal wurde ich von ihm nicht enttäuscht. Mir hat es sehr gut gefallen.
    Ich hatte zwar auch etwas Zeit gebraucht mich einzulesen, aber danach war ich restlos von der Geschichte überzeugt.
    Interessant, packend, unterhaltsam und informativ, was ich bei Büchern von Grangé besonders schätze.
    Die Auflösung der Geschichte kam für mich überraschend, aber ich gehöre auch nicht zu den Lesern, die unbedingt noch während des Lesens die Lösung ergründen möchten, ich lasse mich lieber, von der Erzählung berieseln und überraschen. Und das tat der Roman auf jeden Fall.
    Allerdings war es mir diesmal stellenweise zu heftig, was die Beschreibungen der Opfer z.B. angeht.
    Letztendlich hat es mir aber sehr gut gefallen. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    2024: Bücher: 74/Seiten: 32 651

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Morris, Brandon Q. - Tachyon. Das Planet

  • Ich habe mir das Buch von Andrea Sawatzky vorlesen lassen und das mit der spanischen Aussprache hat mich auch erst irritiert, dann amüsiert und schließlich genervt.


    Daß die Story Lücken hat und die Protagonistin Jeanne Korowa irgendwie unangenehm ist, habe ich auch so empfunden. Sie kam mir entsetzlich naiv vor, wie sie da durch Südamerika stolpert und sich in haarsträubende Situationen bringt, ohne auch nur einmal ihren Verstand zu gebrauchen. Darüber kann man jedoch zu Unterhaltungszwecken hinwegsehen bzw. ist das eben etwas, das man scheinbar bei den meisten Thrillern können sollte.

    Aber was mich wirklich sehr geärgert hat, war die Darstellung von Joachim als Autisten. Er ist kein Autist. Er hat eine DIS. Und eine DIS funktioniert nicht so, wie sie von Grangé dargestellt wid. Ja, das ist künstlerische Freiheit, aber diese Fehldarstellungen von psychischen Krankheiten und mentalen Zuständen zum Zwecke der Unterhaltung stoßen mir einfach immer sehr übel auf :evil:

    Eine endgültige Wertung habe ich mir noch nicht überlegt, aber ich denke, mehr als :bewertung1von5: :bewertung1von5: werden es nicht werden...

    I will take with me the emptiness of my hands. What you do not have you find everywhere. (W. S. Merwin)