Andreï Makine – Une femme aimée

  • Original : Französisch, 2013


    INHALT :
    Diese Frau verteidigen, entstellende Vorstellungen wegschieben, die Masken aufbrechen. Diese Frau lieben, deren Körper von so vielen Männern nur begehrt und um ihre Macht beneidet worden ist.


    Diese Leidenschaft bewohnt den Filmemacher Oleg Erdmann, der das Geheimnis um Katharina der Großen nachspürt. Wer war sie ? Eine grausame russisch-deutsche Messalina mit nymphomanischen Zügen ? Eine Zarin mit republikanischer Seele , Verführerin von Voltaire und Diderot, Cagliostro und Casanova ?


    Hinter dem Portrait entdeckt Erdmann das intime Drama der Zarin : von ihrer ersten, den dynastischen Interessen geopferten, Liebe bis hin zu einer geplanten und geheimen Flucht und Reise mit dem einen sie liebenden Mann, die sie hinausgeführt hätte.


    Die Kunst dieses Romans übersteigt die (reine) Biographie. Das Überschäumende des 18 . Jahrhunderts wird in Dialog gesetzt mit der heftigen Gangart des endsowjetischen und dann modernen Russlands. Und die Suche Erdmanns rührt an die wahre Freiheit zu sein und zu lieben...
    (Quelle : von mir übersetzter, leicht erweiterter, französischer Klappentext)


    BEMERKUNGEN :
    Katharina die Große, das 18. Jahrhundert – und was hat das mit zu tun mit jenem Oleg Erdmann, dem 1954 geborenen russischen Filmemacher, der sich leidenschaftlich mit der Biographie der russischen Zarin deutscher Abstammung auseinandersetzt ? Tja, und da ist auch schon ein erster Berührungspunkt : Es war jene Katharina, die am Ende des 18. Jhdts deutsche Siedler ins Russische Reich rief und somit auch die Vorfahren Erdmanns und vieler später so genannter Russlanddeutsche. Und wenn man sich in seiner Familie mancher Vorwürfe der Kolloboration oder diesem Status als Deutschstämmiger bewußt wurde, dann hieß es leicht schmunzelnd « und das alles wegen einer kleinen, deutschen Prinzessin... ».


    Wie geht man ein Leben an, wie beschreibt man es ? Erdmann/Makine legt nach und nach verschiedene Sichtweisen vor, was solch ein Leben bestimmt hat, ausmachen könnte : einige biographische Eckdaten aus ihrem Leben (siehe auch z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Katharina_die_Grosse ) ; der ständige Wechsel der Liebhaber bei der unersättlichen Nympomanin (sic?) ; ihr absolutistisch-aufgeklärter Regierungsstil des 18. Jdts, wo sie durch mancherlei Reformen anderen Ländern weit voraus war (Einführung von allen zugänglichen, nicht obligatorischen Volksschulen, Vermeidung der Tortur bis teilweise Abschaffung der Todesstrafe, die Förderung der Philosophen wie Voltaire und Diderot...) ; die Ausweitung des russischen Reiches durch gewisse Kriege, Verträge, Gründung von Städten, Verwaltungseinheiten...


    Geschickt springt der Autor in insgesamt vier Kapiteln immer wieder von der Biographie und Geschichtsebene der Zarin hinüber zum Russland der letzten Jahrzehnte. In diesen geht Erdmann als Regisseur oder Szenarist diese Themen in mehr oder weniger treuen oder zeitlich zensierten Verflmungsversionen an und wird selber in seinem Leben – fast unmerklich – von den angeschnittenen Grundthemen begleitet und bewohnt, die er im Leben der Kaiserin zu unterscheiden glaubt :


    Wo ist die Kernwirklichkeit jener historischen Persönlichkeit und eines Menschen schlechthin ? Läßt sich (dieses Thema taucht immer wieder auf...) ihr Leben wirklich in einer Folge nichtssagender « Kopulationen » und der Verbindung von Sex und Macht einschränken? Wie könnte man in ihr « die/eine Frau » mit ihren Sehnsüchten und der Suche nach Liebe darstellen, und nicht einfach nur eine historische, letztlich ungreifbare Persönlichkeit ? Wer profitiert denn wirklich von wem : Katharina von ihren zahllosen Liebhabern (die sie alle reich überhäuft und nicht bei Ende der Beziehung verurteilt) oder nicht vielmehr diese Männer von der Großzügigkeit im Schatten der Zarin ? Welch anderes Leben darstellen ? Was hat sich wirklich abgespielt ?


    Diese Fragen werden ähnlich in der Beschreibung Erdmanns, seiner Suche, aber auch seines Liebes- und Berufslebens angeschnitten. Somit gewinnt die « Geschichte » noch einen anderen direkten Bezug zur Gegenwart. Diese Jetztzeitebene setzt circa Anfang der 80iger Jahre ein : Erdmann, der teils in einer Schlächterei arbeiten muss und in einer « Kommunalnaya » (einer Gemeinschaftswohnung) lebt, kämpft zusammen mit dem Regisseur Kozin in der Zeit der Moskauer Olympischen Spiele mit der sowjetischen Zensur, um eine solch existenziellere Version von Katharinas Leben zu filmen : doch was wurde und würde in dieser Epoche schon gerne gesehen ? Etwa, dass die doch alle blutrünstigen und verdorbenen Zaren von « mehr » bewohnt waren, andere Züge besassen? Wie könnte man dann aber solche Botschaft in einen sowjetisch-zensierten Film einbauen ?


    Mehrere Jahre später – wir befinden uns 1994 in der Zeit Jeltzins – soll Erdmann für seinen inzwischen zum Milliardär gewordenen Freund Jourbin wieder eine Katharinaverfilmung angehen. Woran scheitern die Umsetzungen seiner Einsichten nun? Die Marktwirtschaft und die schnelllebige Konsumierung von « reizenden » Filmen werden aus der Verfilmung quasi einen Softporno machen : kein Raum für Tiefe ! Das zieht nicht (mehr) !


    Und so gelangen Erdmann und der Autor zu einer überraschenden Erkenntnis : hier wie da herrscht(e) eine autoritär oder von der Marktwirtschaft auferlegte Zensur, in der man Wesentliches nicht hören will und kann, wo es unmöglich wird, die komplexe Persönlichkeit der Zarin darzustellen.


    Einige Sätze aus dem Buch, die ich mir notiert habe:
    « Der Mensch ist nur Mensch wenn er komplex ist.Und wenn man danach sucht, ihn zu vereinfachen, kommt man nur zu nichtsnutzigen Schematas. »


    « Wir sind weit verästelter als jenes kleine Ich, an dem wir uns festmachen. »


    « Die Epoche der Mauer, undurchlässige Grenzen. Eine Gefängniswelt. Und voller Träume. »


    « Wie aber kann man wollen, dass sich dies (Schreckensszenarien) nicht wiederholt, wenn niemand es wagt zu sagen, dass ein anderes Leben möglich ist » ?(meine Behelfsübersetzungen!)


    In gewissem Sinne gibt Erdmann nicht das Projekt eines « anderen » Films und Erzählens auf. Das Ende des Buches deutet eine mögliche Wende im Leben Erdmanns selber an, die zeichenhaft für das uns offenstehende Angebot eines « anderen Lebens » steht.


    Ein überaus reiches Buch, von dessen Vielfalt ich hier nur andeutungsweise sprechen kann und will. Voller Sachkenntnis und geschichtlichem Wissen, die aber nicht einfach das Buch als historischen Roman verkürzen lassen. Letztlich geht es um die Frage nach dem Kern des Menschen : Wer ist er ? Wie lieben und geliebt sein ?


    ZUM AUTOR:
    Andreï Makine (* 10. September 1957 in Krasnojarsk, Sibirien) ist ein französischer Schriftsteller russischer Abstammung. Makines Eltern verschwanden früh (Deportation?) und er verbrachte einen Teil seiner Kindheit in einem Waisenhaus, wächst in der Provinzstadt Penza auf, ca. 700 km südöstlich von Moskau. Seit seiner Kindheit ist er durch seine französische Großmutter mit der Kultur und Sprache Frankreichs vertraut. Schon als Junge schreibt er Gedichte in Französisch und in seiner Muttersprache Russisch. Er studiert in Twer und Moskau Philologie und lehrt kurze Zeit Philosophie in Novgorod.


    1987 kommt er im Rahmen eines Lehreraustauschprogramms nach Frankreich. Dort entscheidet er sich zu bleiben, erhält politisches Asyl und entschließt sich, ein Leben als Schriftsteller in Frankreich zu führen; seitdem lebt er in Paris, anfangs in sehr ärmlichen Verhältnissen. Er schreibt eine Doktorarbeit über den russischen Nobelpreisträger Iwan Bunin.


    Seine ersten in französischer Sprache verfassten Manuskripte - wie den Debütroman Tochter eines Helden (1990) - gibt er als französische Übersetzungen aus dem Russischen aus, um die Skepsis des Verlags zu zerstreuen, dass ein erst seit kurzem in Frankreich lebender russischer Emigrant in einer zweiten Sprache schreiben kann. Nach enttäuschenden Reaktionen auf seine beiden ersten Romane dauert es acht Monate, einen Verlag für seinen Roman Das französische Testament zu finden, mit dem er 1995 auf einen Schlag berühmt wird. Im selben Jahr erhält er als erster Schriftsteller gleichzeitig die beiden renommiertesten Literaturpreise Frankreichs, den Prix Goncourt und den Prix Médicis. Erst in der Folge erhält er plötzlich die französische Staatsangehörigkeit. 1998 erhält er den finnischen Eeva-Joenpelto-Preis und 2005 für sein Gesamtwerk den mit 15.000 Euro dotierten Literaturpreis der Stiftung Prinz Pierre von Monaco.


    2011 hat er in einem Interview bekannt, schon mehrere Romane unter dem Pseudonym Gabriel Osmonde geschrieben und veröffentlicht zu haben.
    (Quelle: ua Wikipedia.de und wikipedia .fr)

  • Existiert schon länger auf Englisch...:


    Catherine the Great's life seems to have been made for the cinema. Countless love affairs and wild sexual escapades, betrayal, revenge, murder - there is no shortage of historical drama. But Oleg Erdmann, a young Russian filmmaker, seeks to discover and portray the real Catherine, her essential, emotional truth.

    When he is dropped from the film he initially scripted - his name summarily excised from the credits - Erdmann is cast adrift in a changing world. A second chance beckons when an old friend enriched by the capitalist new dawn invites him to refashion his opus for a television serial. But Erdmann is made acutely aware that the market exerts its own forms of censorship.

    While he comes to accept that each age must cast Catherine in its own image, one question continues to nag at him. Was the empress, whose sexual appetites were sated with favours bought with titles and coin, ever truly loved? In his search for an answer, Erdmann will find a love of his own that brings the fulfilment that filmmaking once promised him.