Wolfgang Brenner - Aber Mutter weinet sehr

  • Familiendrama mit schlechtem Kriminaleinschlag, aber kein Psychothriller!


    Thriller gehören durchaus noch immer zu meiner Lieblingslektüre. Auf den Roman von Wolfgang Brenner wurde ich wieder einmal durch das Amazon Vine Programm aufmerksam. Lange schlich ich drum herum, da andere Wunschbücher für mich Vorrang hatten. Als ich dann jedoch die Möglichkeit bekam, eines der letzten Rezensionsexemplare zu ordern, tat ich das.


    Die Kurzbeschreibung klang in jedem Fall spannend. Wenn es mit Kindern zu tun hat, fühle ich mich als Mutter von zwei (inzwischen glücklicherweise erwachsenen) Söhnen immer irgendwie mit betroffen. Da das Buch als Psychothriller der Extraklasse angepriesen wurde, waren meine Erwartungen auch sehr hoch. Vor allem, da der Autor kein Neuling ist, obwohl ich zugeben muss, vorher von ihm noch nichts gelesen zu haben.


    Wolfgang Brenner


    Der 1954 in Quierschied an der Saar geborene freie Schriftsteller und Journalist lebt in Berlin und im Hunsrück. Als Referenzen hat er bereits einige Romane, Artikel für große deutsche Zeitungen und Magazine, Satiren, Hörspiele, Radio-Features und Drehbücher für Fernsehserien (u.a. Tatort und Polizeiruf 110) vorzuweisen. (Quelle Wikipedia)


    Aber Mutter weinet sehr


    Der 11-jährige Johann kommt eines Abends vom Spielen nicht nach Hause und verschwindet spurlos. Da Mutter Marie irgendwann das Gefühl hat, dass die Polizei und auch ihr Ehemann Robert nicht genügend oder nicht das Richtige tun, nimmt sie die Suche nach dem Täter selbst in die Hand…


    Kalt, hölzern und künstlich konstruiert


    Leider schaffte es der Autor nicht, mich mit seinem Buch zu begeistern. Dieses konnte ich zwar zum Glück flüssig weg lesen, aber Charaktere und Handlung wirkten auf mich, trotz vieler künstlicher Umschreibungen, eher kalt, hölzern und konstruiert als fesselnd und mitreißend. Und die letzteren beiden Punkte sind das, was zumindest ich von einem Psychothriller erwarte.


    Natürlich ging mir das Verschwinden des Jungen am Anfang sehr nahe. Eine ähnliche Situation, die sich dann glücklicherweise als „Einfach nur zu spät kommen und nicht Bescheid gesagt wo er ist“ herausstellte, habe ich mit meinem jüngsten Sohn einmal durchgemacht und das waren die schlimmsten 2 1/2 Stunden meines Lebens.


    Doch schon in der Phase der Geschichte, als die Hoffnung auf eine Heimkehr des Jungen noch am Größten war, empfinde ich viele Reaktionen der Eltern künstlich konstruiert. Zum Beispiel konnte ich die kühlen Überlegungen der Mutter bei den Anrufen einfach nicht nachvollziehen, zumindest habe ich damals einzig und allein im Sinn gehabt, mein Kind zu finden und nicht ob vielleicht ein falscher Ton später irgendwann auf mein Kind zurückfallen könnte. Auch die Reaktion des Vaters, als er Fahrrad und Mütze gefunden hat, um angeblich die Mutter zu schützen, ist für mich schlecht zurechtgebastelt. Und dass die Ermittler dann einfach so darüber hinweggehen, erst recht.


    Dass Beziehungen nach einem solch schlimmen Verlust nicht mehr funktionieren, ist wiederum sehr nachvollziehbar für mich. Nicht aber, dass es der Mutter ohne jegliche Konsequenz gelingt, die Polizeiarbeit zu behindern.


    Bei den Ereignissen ein Jahr später, fand ich den konstruierten Ost-West-Konflikt äußerst unpassend und die beschriebenen Verhaltensweisen definitiv nicht mehr zeitgemäß. So hat der Autor sich für die Herkunft der Protagonistin Lore und ihren Sohn Kevin ausgerechnet meine Heimatstadt Chemnitz ausgesucht. Die für Lore dargestellten Verhältnisse sind für mich absolut nicht nachvollziehbar. Weder ihre Aussagen zur Arbeitsmarktsituation, noch zu den Kontakten des Sohnes. Entweder müssen diese Frau und ihr Sohn schon immer unter Kontaktarmut gelitten haben - solche Menschen gibt es leider überall - oder die beiden kommen nicht aus Chemnitz. Punkt.


    Ich persönlich habe jedenfalls einen sehr großen Freundes- und Bekanntenkreis. Und wenn ich zu Freunden in die gebrauchten Bundesländer fahre, muss ich mich auch nicht verkleiden. Ich kann kaum fassen, mit welchen Ost-West Klischees der Autor hier 23 Jahre nach dem Mauerfall so um sich wirft.


    Maries erneutes eigenständiges Handeln wirkte auf mich genauso unrealistisch wie vorhersehbar. Spannung kam bei mir jedenfalls bis zum Ende nicht auf. Alles in allem hat mich dieses Buch mehr als enttäuscht. Ich kann es leider nicht weiter empfehlen und werde wohl in der Zukunft um Werke des Autors einen großen Bogen machen.


    :bewertung1von5: